Kommission für berufliche Qualifikation:

World-Café am 13. Juni 2018 während des 107. Bibliothekar­tags in Berlin

Das Treffen der wissenschaftlichen Bibliothekarinnen und Bibliothekare in Ausbildung auf dem Bibliothekartag/Bibliothekskongress ist ein wichtiger Arbeitsbereich der Kommission für berufliche Qualifikation. Das bereits auf dem Bibliothekartag in Frankfurt 2017 erprobte neue Format für dieses Treffen kam auch in Berlin zum Einsatz: Stand das World-Café 2017 noch unter dem breiten Thema „Welche Kompetenzen brauchen wir wirklich? World-Café für wissenschaftliche Bibliothekarinnen und Bibliothekare in Ausbildung und Studium“, lag in diesem Jahr der Fokus auf der Umsetzung der herausgearbeiteten Kompetenzen in der praktischen Ausbildung („Praktische Ausbildung für die Berufsrealität – eine Punktlandung?“). Vier Thementische standen zur Wahl:

1. Bestandserhaltung / Originalerhalt (Moderation: Jakob Frohmann; UB Frankfurt/Main)

Das Thema Bestandserhaltung (bzw. Originalerhalt) hat in Bibliotheken in den letzten Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen. Dies ist unter anderem dem Einstieg des Bundes in die finanzielle Förderung von Projekten im Bereich des Originalerhalts (2018: 2,5 Mio. Euro aus dem Haushalt der Kulturstaatsministerin) und nachfolgenden Förderprogrammen der Länder zu verdanken. Um die drängendsten Herausforderungen des Originalerhalts in der Breite anzugehen, werden derzeit vor allem Massenverfahren (Entsäuerung, Verpackung, Reinigung), die den Bibliotheken einen hohen planerischen und logistischen Aufwand abverlangen, gefördert.

Die Diskussionen an diesem Thementisch zeigten deutlich, dass nicht alle jungen Kolleginnen und Kollegen umfassend auf die anstehenden Aufgaben im Bereich Bestandserhaltung/Originalerhalt vorbereitet sind: Das Thema wird in der praktischen sowie theoretischen Ausbildung häufig nicht ausreichend abgebildet. Viele der für erfolgreiche Maßnahmen notwendigen praktischen Kenntnisse überschneiden sich zwar mit anderen Bereichen der Ausbildung, vor allem mit dem Bereich „Projektmanagement“. Trotzdem müssten solche Kenntnisse immer von fachlicher Expertise begleitet werden (z. B. bei der Einschätzung von Schadensbildern, Priorisierung von Maßnahmen, Erstellung von Mengengerüsten, Bestimmung von Schutzmaßnahmen für Bestände und Beschäftigte etc.). Es wurde außerdem deutlich, dass das Thema im Berufsbild des höheren Dienstes erst noch seinen Platz finden muss, da es sich hierbei nicht um ein in jeder Bibliothek präsentes Thema handelt. Entscheidend ist nach Meinung der Diskutierenden eine fortschreitende Bewusstseinsbildung für die Bedeutung der Bestandserhaltung und die Sensibilisierung für die Wichtigkeit der Originale als primäre Überlieferungsträger. Das gilt besonders auch in einem Transformationsprozess hin zu immer umfassender digitalisierten Bibliotheken.

Als besonders dringende Desiderate in der Ausbildung wurden in der Diskussionsrunde abschließend genannt:

2. IT für wissenschaftliche Bibliothekarinnen und Bibliothekare (Moderation: Dr. Ulrike Reuter; SBB-PK Berlin / Dr. Martin Mehlberg; TIB Hannover)

Die Teilnehmenden konstatierten an diesem Thementisch, dass sich das Berufsbild für wissenschaftliche Bibliothekar/innen im Hinblick auf IT-Aufgaben im Vergleich zu anderen Bereichen anders darstellt bzw. dargestellt werden muss. Die generelle Stärkung der IT Kompetenz im Bibliothekswesen ist unumstritten. Folgende Zielsetzungen kamen in der Diskussion zur Sprache: Die Scheu vor IT (z. B. vor konkreten Programmen wie XML, Python etc.) sollte weitgehend abgebaut werden. Bibliothekar/innen, die im IT-Bereich an wissenschaftlichen Bibliotheken tätig sind, benötigen ein verändertes Selbstverständnis, da sie als Bindeglied zwischen Anwender/inne/n und IT-Programmierenden fungieren und bisweilen zwischen beiden Gruppen „übersetzen“ müssen. Sie sollten das Prinzip der Programme verstehen; angewandte Programmierkenntnisse (besonders in vertiefter Form) sind eher zweitrangig. Das Wissen bzw. das Bewusstsein für die einzelnen Handlungsschritte steht im Vordergrund („warum tue ich was“). Für die Vermittlung ist die Praxis unabdingbar; ein Programm kann nicht durch eine Power-Point-Präsentation erlernt werden: Idealerweise wird diese im Praktikum durch ein eigenes, begleitetes Projekt erreicht.

Für die geplante erweiterte Umfrage der Kommission zu notwendigen IT-Kompetenzen erhielten die Kommissionsmitglieder folgende Impulse:

3. Management (Moderation: Elke Reher; HSB Düsseldorf / Dr. Naoka Werr; HföD München)

In der Praxis ist die Vermittlung der Inhalte im Bereich Management sehr von der Ausbildungsbibliothek abhängig. Dabei spielt die Kultur der Einrichtung eine nicht zu unterschätzende Rolle. Der Theorieunterricht wird generell als zu wenig praxisorientiert beklagt, der Begriff „Management“ fällt höchstens im Zusammenhang mit Projektmanagement. Der methodische Transfer von der Theorie in die Praxis ist deutlich ausbaufähig; generell werden Managementthemen nachrangig behandelt. Zudem ist das Themenspektrum Management sehr breit und umfasst auch Lobbyarbeit, Organisationsentwicklung, Personalentwicklung etc.; dies erschwert jedoch die Umsetzung in Theorie und Praxis. Relevante Inhalte wie Unternehmensführung, Finanzplanung oder Vertragsrecht im Zusammenhang mit Management werden flächendeckend als fehlend beklagt. Konsens herrschte am Thementisch über den Umstand, dass Managementkompetenzen nur bis zu einem gewissen Grad vermittelt werden können; Empathie und weitere persönliche Anlagen müssen vorhanden sein. Außerdem ist eine Trennung von Fachexpertise und Führungskompetenzen notwendig – nicht jede(r) Expert(in) ist auch ein(e) gute Führungskraft. In der Praxis sollte das Thema Führung in verschiedenen Formaten angesprochen werden, idealerweise sollte an jeder Ausbildungsstation im Abschluss-/Feedbackgespräch auch über Führung gesprochen werden. Der Ausbildungsbereich Management und Führung könnte in der Praxis z. B. mit Hilfe folgender Vorschläge gestaltet werden:

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4. Open Access & Forschungsdatenmanagement (Moderation: Katharina Regulski; HSB Düsseldorf / Gerald Langhanke; ULB Darmstadt)

Grundsätzlich sind praktische Einblicke in beide „In-Themengebiete“ stark von der Ausbildungsbibliothek abhängig – bei beiden Themen handelt es sich um Trends in Bibliotheken. Trendmonitoring ist daher ebenso unerlässlich wie die Bereitschaft zum Lebenslangen Lernen oder die Einarbeitung in die Drittmittelakquise. Folgende organisatorische bzw. fachliche und persönliche Kompetenzen sind hilfreich, um innovative Entwicklungen langfristig und zukunftsfähig abzubilden:

Außerdem sind konkrete IT-Kenntnisse sowie fundierte BWL-Kenntnisse von großer Bedeutung, bibliothekarisch sind Erschließungskompetenz und Datenbearbeitungskompetenz erforderlich.

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Bei der Frage, welche Fähigkeiten Bibliothekar/inn/e/n durch ihre Ausbildung mitbringen, die sie besonders für die Arbeit in den Bereichen OA und FDM qualifizieren, brachte die Diskussion Antworten großer Spannweite hervor. Sofern Kenntnisse vorhanden sind, sind diese vorwiegend theoretischer Art. Für die Praxis gewünscht werden Hospitationen in möglichst vielen Bereichen sowie Hands-on Praktika, idealerweise auch ein eigenes Praxisprojekt, dessen Ergebnis dann in der Ausbildungseinrichtung weitergenutzt wird. Auch praktische „Trockenübungen“ bzw. generell praktische Aufgabenstellungen sind denkbar, die bloßer Theorievermittlung vorzuziehen sind. Begrüßt werden auch Möglichkeiten, die eigenen Fähigkeiten auszuprobieren („Herumspielen“). Am Rande kam die Frage auf, wie hoch der tatsächliche Beratungsumfang bei OA und FDM ist.

Die Abhängigkeit von der Einrichtung in Bezug auf die Bandbreite der vermittelten Inhalte könnte durch externe Praktika kompensiert werden. Spezialisierungen in Richtung OA und FDM sind zeitintensiv und erstrecken sich über ein bis zwei Jahre. Eine Spezialisierung sollte im Praktikum grundsätzlich möglich, aber nicht für alle verpflichtend sein. Verpflichtend sollten dagegen nach Meinung der Diskutierenden Grundkenntnisse in beiden Bereichen sein, gepaart mit einer großen Medienkompetenz.

Besonderer Dank der Kommission geht an Katharina Regulski und Jakob Frohmann für ihre Bereitschaft, einen Thementisch als Experte bzw. als Expertin zu übernehmen sowie natürlichen an alle Teilnehmenden für den spannenden Austausch.

Naoka Werr, Fachbereich Archiv- und Bibliothekswesen, Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern, München

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/2018H3S152-156

1 In den Handlungsempfehlungen der Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts (KEK) wird zum Thema Aus-, Fort- und Weiterbildung formuliert, dass Bestandserhaltung zukünftig „in den Lehrplänen der Ausbildungseinrichtungen für alle Ausbildungsgänge des Archiv- und Bibliothekswesens mit einem angemessenen Anteil im Pflichtprogramm zu verankern“ sei. Vgl.: Die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts in Archiven und Bibliotheken in Deutschland. Bundesweite Handlungsempfehlungen für die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) und die Kultusministerkonferenz (KMK), Berlin 2015, S. 11. <http://kek-spk.de/fileadmin/user_upload/pdf_Downloads/KEK_Bundesweite_Handlungsempfehlungen.pdf>, Stand: 03.07.2018.