Neue Verbundangebote für die Wissenschaft

Bericht der Arbeitsgemeinschaft der Verbundsysteme über ihre Planungen

1. Die Arbeitsgemeinschaft der Verbundsysteme

Seit ihrer Gründung im Jahr 1983 kooperiert die Arbeitsgemeinschaft der Verbundsysteme (AGV) bei der Einführung und dem gemeinsamen Betrieb innovativer und etablierter Dienstleistungen. Die Mitglieder der AGV treffen sich in der Regel zweimal jährlich zu einem umfassenden Erfahrungsaustausch. Hierbei vereinbaren sie auch Standards für die Datenkommunikation und koordinieren die einheitliche Anwendung bibliothekarischer Regeln für die kooperative Katalogisierung, den Leihverkehr und den Datentausch. Ebenso werden zukünftige Ausrichtungen der Verbundangebote in diesem Forum entwickelt und besprochen.

Mitglieder der AGV sind die Verbundzentralen der Bibliotheksverbünde in Deutschland, Österreich und der deutschsprachigen Schweiz sowie die Deutsche Nationalbibliothek (DNB) und die Zeitschriftendatenbank (ZDB). Gaststatus haben darüber hinaus je eine Vertretung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Kultusministerkonferenz (KMK).1

2. Strategien und Entwicklungsziele

In einem Strategieprozess identifizierte die AGV wichtige Themen der künftigen Kooperation. Dabei orientierte sie sich an den Empfehlungen von Wissenschaftsrat und DFG hinsichtlich des Auf- und Ausbaus kooperativ gestalteter Kompetenzzentren.2 Im Dialog mit Bibliotheken und Unterhaltsträgern müssen die sich daraus ergebenden Arbeitsfelder weiter ausgearbeitet und priorisiert werden. Als Informationsdienstleister sind Verbundzentralen auf eine verlässliche und kooperative Bedarfsermittlung angewiesen, in deren Kontext die organisatorischen und finanziellen Rahmenbedingungen kooperativ getragener Innovationen bestimmt werden müssen.

Zu den nach wie vor relevanten Aufgaben der Verbundzentralen, der DNB und der ZDB (im Bereich Metadatenmanagement, Standardisierung, Hosting von bibliotheksspezifischen Applikationen, Informationsversorgung wie bspw. Fernleihe) werden neue Dienste hinzukommen (z.B. publikations­nahe Dienste, Services und Infrastrukturangebote für Open Science und die Digitalisierung von Kulturbeständen).

Notwendig sind zudem neue Strukturen für das Management von E-Medien inklusive Lizenzmanagement. Mit dem begonnenen Aufbau einer Infrastruktur für das Nationale Hosting elektronischer Ressourcen, dem zentralen Metadaten- und Lizenzmanagement für die Nationallizenzen und dem nationalen Statistikserver sind hier bereits wichtige Meilensteine erreicht. Derzeit erfolgt der Aufbau von LAS:eR, einem bundesweit einsetzbaren mandantenfähigen System zur Unterstützung von Bibliotheken und Konsortialstellen beim Management elektronischer Ressourcen. Auch die Unterstützung im Umgang mit Forschungsdaten und die Langzeitarchivierung von digitalen Daten mit dem Ziel der langfristigen Verfügbarkeit sind Aufgaben, denen sich die Mitglieder der AGV stellen.

Nach den durchaus kritischen Stellungnahmen der Wissenschaftsorganisationen hatten alle Verbundzentralen Anstrengungen zur Effizienzsteigerung in der Versorgung mit Katalogisierungsdiensten unternommen.

Die deutschen Verbünde möchten gemeinsam und in Kooperation mit der DNB und der ZDB zwei strategisch wichtige Themen aufgreifen:

Dadurch sollen Basisangebote entstehen, die für jede wissenschaftliche Einrichtung in Deutschland abrufbar sind und nachgenutzt werden können.

Weitere Themenfelder sind in der Diskussion und werden sich im Kontext der aktuell geführten Diskussionen um die künftige Ausrichtung des Bibliothekswesens ergeben.

3. Datendienste für Recherche-Systeme für die Wissenschaft

3.1. Ausgangslage

In den Verbunddatenbanken ist neben dem gedruckten monografischen Bibliotheksbestand bereits eine große Zahl von Nachweisen für andere Materialien wie E-Books, Mikroformen, Zeitschriften, E-Journals, Karten, Musikalien usw. und für unselbstständige Werke enthalten. Diese Nachweise bieten ein gutes Fundament zum Aufbau von bedarfsgerechten Recherchediensten für alle Medienarten.

Allerdings sind beim Nachweis von unselbstständig erschienener Literatur und Open-Access-Publikationen sowie von E-Book-Paketen kommerzieller Anbieter noch Lücken vorhanden, die mit Blick auf eine umfassende Informationsversorgung, wie sie von Wissenschaft und Forschung benötigt und eingefordert wird, geschlossen werden sollten. Hier machen Discovery-Dienste wie Summon und Primo Central von ProQuest/ExLibris, EDS von EBSCO mit riesigen globalen und aggregierten Datenbanken (Megaindices) kommerzielle Angebote. Diese können ganz oder in Ausschnitten genutzt werden und müssen, um die tatsächliche Verfügbarkeit vor Ort zu überprüfen, in einem weiteren Schritt noch mit Lizenzinformationen verknüpft werden. Trotz ihrer Größe sind jedoch auch diese Megaindices nicht vollständig und darüber hinaus in der Regel auf den angloamerikanischen Raum hin ausgerichtet.

Ergänzend und gegebenenfalls auch alternativ zu den kommerziellen Angeboten sind in den Verbünden Discovery-Indices entstanden, die neben Verbunddaten auch eine große Zahl relevanter Metadaten wie z.B. Nationallizenzen, CrossRef, Swets Online Contents, DOAJ, Medline, Springer E-Journals etc. enthalten und Bestands- bzw. Lizenzinformationen bereits auf Datenebene verbinden. Für Lizenzinformationen zu E-Journals kann dafür auf die Basisdienste der EZB und ZDB zurückgegriffen werden. Die deutschen Verbünde, die ZDB und die DNB verfügen also im Bereich Discovery und Metadatenmanagement über sehr viel Erfahrung, Expertise und bereits gut genutzte Services.

3.2. Arbeitsfelder und Aufgaben

Das Ziel der AGV auf diesem Gebiet ist der Aufbau einer gemeinsamen Infrastruktur, in der Daten für Recherchesysteme in einem kooperativen, verteilten Ansatz nach einheitlichen Kriterien erschlossen und angereichert werden.

Die so aufbereiteten und verfügbaren Daten können dann wahlweise

Damit werden die Verbünde mit der DNB und der ZDB einen qualitativ hochwertigen Hintergrunddienst anbieten, der Discovery- und Recherche-Plattformen unterstützt, ohne die eine oder andere Lösung zu favorisieren.

Ergänzend zu diesem Dienst unterstützen die Verbünde die von ihnen betreuten wissenschaftlichen Bibliotheken mit eigenen Recherche-Angeboten. Mit diesen zusätzlichen Dienstleistungs- und Hosting-Angeboten leisten Verbundzentralen einen wichtigen Beitrag zur allgemeinen und fachspezifischen Verfügbarkeit moderner Discovery- und Recherche-Dienste.

4. Textkorpora als Grundlage für digitale Wissenschaften

4.1. Ausgangslage

In einem interdisziplinären Forschungsumfeld nutzten die Digital Humanities ebenso wie die Sozialwissenschaften digitale Technologien zur Erforschung genuin geistes- und kulturwissenschaftlicher Sachverhalte. Dabei sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf die (rechtlich) freie Verfügbarkeit von Textkorpora angewiesen, die sie mit Algorithmen des Text Data Mining analysieren können.

Die wissenschaftlichen Bibliotheken haben auf diese Anforderung reagiert und – angelehnt an die DFG-Richtlinien zur Vertragsgestaltung für Allianz-Lizenzen – damit begonnen, für Volltextangebote auch TDM-Rechte (Text-Data-Mining-Rechte) zu verhandeln. Allerdings werden diese Rechte in der Praxis oftmals nicht wahrgenommen und die Inhalte nicht für Mehrwertdienste aufbereitet. Die Gründe dafür liegen in aller Regel sowohl in mangelnden personellen als auch in mangelnden technischen Ressourcen. Die deutschen Verbünde, die DNB und die ZDB können hier mit ihrer Kompetenz im Bereich Datenmanagement und ihrer langjährigen technischen Expertise attraktive Angebote machen. Die mit dem neuen Urheberrechts-Wissensgesellschaftsgesetz 2018 in Kraft getretenen Regelungen für das Text- und Data-Mining erleichtern diese Aufgabe und machen sie zugleich dringlicher.

4.2. Arbeitsfelder und Aufgaben

Attraktive Mehrwertdienste für die Wissenschaft setzen Dienste für Text- und Data-Mining und die Bereitstellung von Korpora über standardisierte Services und Schnittstellen voraus. Diese können durch die Verbundzentralen in Kooperation mit der DNB bereitgestellt werden und damit die Angebote weiterer wissenschaftlicher Einrichtungen wie z.B. der zentralen Fachbibliotheken ergänzen. Auf Grund der sehr heterogenen Struktur der Inhalte können Datenhaltung und -aufbereitung ohnehin nur arbeitsteilig in einem Netzwerk von Partnern erfolgen.

Die Partner (Verbünde, DNB, ZDB) verfolgen das gemeinsame Ziel, der Forschung über standardisierte Schnittstellen einen rechtssicheren Zugriff gleichermaßen auf einzelne wie auch auf mehrere verteilte Korpora zu ermöglichen. Hierzu werden in enger Abstimmung TDM-Dienste mit einheitlichen Schnittstellen aufgebaut. Als Grundlage für eine offene, nachvollziehbare Wissenschaft werden diese Textkorpora durch die Vergabe von persistenten Identifikatoren zitierfähig gemacht.

In einem ersten Schritt soll mit einer Bedarfserhebung festgestellt werden, welche Forschergruppen an welchen Textkorpora interessiert sind. Hierbei werden die Universitäten, Hochschulen und Forschungseinrichtungen insbesondere in den jeweiligen (regionalen) Zuständigkeitsbereichen der Verbundzentralen einbezogen werden. Gemeinsam mit der Wissenschaft sollen notwendige Funktionalitäten aufgebaut werden – zunächst Basisservices, die disziplinübergreifend nutzbar sind. In diesem ersten Schritt geht es um die Identifikation von Quellen und den Zugriff auf die Korpora.

Der Aufbau derartiger TDM-Dienste kann ggf. in Initialprojekten durch die DFG gefördert werden. Perspektivisch wollen die Verbundzentralen mit der DNB und der ZDB in verteilter Verantwortung gemeinschaftlich TDM-Dienste mit einheitlichen Schnittstellen anbieten.

5. Kooperationen

Sowohl im Hinblick auf die Datendienste für Recherche-Systeme als auch hinsichtlich der Zugänglichmachung von Textkorpora sind die jeweiligen Kooperationspartner offen für eine Zusammenarbeit mit weiteren Akteuren aus dem deutschsprachigen Raum.

Grundsätzlich stellt die Digitalisierung der Forschung und der wissenschaftlichen Informations­infrastrukturen tradierte Arbeitsaufteilungen und Rollen bei der Unterstützung von Wissenschaft und Forschung in Frage. Es genügt nicht, die für die analoge Welt entwickelten Modelle bezüglich Technik und Organisation in die digitale Welt zu übertragen. Digitales Forschungsdaten­management erstreckt sich beispielsweise über den gesamten Life-Cycle der Datengewinnung, Analyse, Publi­kation, Zugänglichkeit und Archivierung. In diesem Zusammenhang müssen deshalb alle Betei­ligten – ­Forscherinnen und Forscher, Bibliothekarinnen und Bibliothekare oder IT-Expertinnen und -Experten – gemeinsam ein neues Rollenverständnis ihrer Aufgaben im digitalen Zeitalter finden.

Die Verbundzentralen zusammen mit der DNB und der ZDB verfügen über vier Jahrzehnte Organisationserfahrung, erprobte Expertise im Metadatenmanagement und über den erklärten Willen, sich aktiv in die Neugestaltung der Informationsinfrastrukturen in Deutschland einzubringen.

In den nächsten drei bis fünf Jahren sollen mit dem Aufbau von kooperativen Infrastrukturlösungen zu den beiden skizzierten Aufgabenstellungen „Datendienste“ und „Textkorpora“ durch die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft der Verbundsysteme wichtige Bausteine zur Versorgung von Wissenschaft, Lehre und Forschung erstellt werden. Damit nehmen die Verbünde auch die Anregungen von DFG und Wissenschaftsrat auf, sich mit neuen und kooperativen Dienstleistungen nicht nur in den Dienst von Bibliotheken, sondern auch von Wissenschaft und Forschung zu stellen.

Arbeitsgemeinschaft der Verbundsysteme

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/2018H2S229-233

1 Über die Sitzungen und Ergebnisse der Arbeitsgemeinschaft der Verbundsysteme wird regelmäßig auf der Webseite der AG der Verbundsysteme (http://www.dnb.de/DE/Wir/Kooperation/AGVerbundsysteme/agverbund_node.html) sowie bisher in der Zeitschrift „Bibliotheksdienst“ und ab 2018 in „o-bib“ berichtet.

2 Die Empfehlungen vom Rat für Informationsinfrastrukturen, des Wissenschaftsrats und der Deutschen Forschungsgemeinschaft zielen darauf, die Modernisierung und die Digitalisierung der Informationsinfrastrukturen für Wissenschaft und Forschung voranzutreiben und zu unterstützen. Mit den Kompetenzzentren verbindet sich die Idee der funktionalen Aufgabenteilung von Services und Dienstleistungen sowie der Nutzung von Synergien für weitere Innovationsprozesse im Bereich der wissenschaftlichen Informationsversorgung. Die Sektion 4 des dbv hat diese Empfehlungen begrüßt und in eigenen Stellungnahmen bekräftigt.