Regelwerke im multilingualen Kontext – ein Erfahrungsbericht aus einem multilingualen Verbund

Jürgen Küssow, NEBIS-Verbundzentrale
Selina Märchy, NEBIS-Verbundzentrale

Zusammenfassung:

Der Bibliotheksverbund NEBIS (Netzwerk von Bibliotheken und Informationsstellen in der Schweiz) ist der grösste Verbund wissenschaftlicher Bibliotheken der Schweiz. Ihm gehören rund 140 Bibliotheken an 154 Standorten aus allen Landesteilen der Schweiz an. Im NEBIS arbeiten Bibliotheken sowohl aus der Deutschschweiz als auch aus den Französisch und Italienisch sprechenden Landesteilen. Der Anteil der nicht-deutschsprachigen Bibliotheken beträgt im NEBIS über 15 Prozent. Auf den Jahresbeginn 2016 hat der NEBIS-Verbund das bisher verwendete Regelwerk KIDS (Katalogisierungsregeln des IDS) durch das internationale Regelwerk RDA sowie die hauseigene Normdatenbank durch die deutsch­orientierte Normdatenbank GND abgelöst. Der Zustand der französischsprachigen Übersetzung der RDA sowie die Übersetzung der Anwendungsregeln des D-A-CH Raumes waren eine der grössten Herausforderungen bei der Einführung im Verbund. In einer mehrsprachigen Umgebung mit einer monolingualen Datenbank wie der GND zu arbeiten, bedeutete besonders für die französischsprachigen Bibliotheken viel Umstellung und Flexibilität. Die Arbeit mit deutschen Begriffen wie zum Beispiel die Berufsbegriffe in der GND erfordert sowohl von der NEBIS-Verbundzentrale wie auch von den französischsprachigen Bibliotheken einen ausserordentlichen Effort. Der NEBIS-Verbund wird auch künftig darauf angewiesen sein, dass die französische Übersetzung der RDA sowie die Übersetzung der Anwendungsregeln möglichst aktuell bleibt. Zudem wird auch im Bereich GND weiterhin eine flexible und geduldige Arbeitsweise aller Beteiligten erforderlich sein.

Summary:

The network of libraries NEBIS (Netzwerk von Bibliotheken und Informationsstellen in der Schweiz) is the biggest network of scientific libraries in Switzerland. It comprises ca. 140 libraries with 154 locations in all over Switzerland. Libraries from the German, French and Italian speaking parts of the country are working together in NEBIS. More than 15 percent of the libraries are non-German speaking. Since the beginning of 2016 the NEBIS network has replaced the cataloguing rules KIDS (Katalogisierungsregeln des IDS) with the international principles of RDA as well as its home-grown authority database with the German Integrated Authority File (Gemeinsame Normdatei, GND). The current state of the translation of RDA into French and the translation of German language specific application rules related to RDA were one of the main challenges for the replacement. Working with a monolingual database such as GND in a multilingual network required a huge amount of adjustment and flexibility from the non-German speaking colleagues. Working with German terms, e.g. to describe professions, required remarkable efforts in the network head office as well as by the French and Italian speaking libraries. The NEBIS network relies heavily on translations into French in close to real-time. The translations of German language specific application rules related to RDA must also be up-to-date. In the field of the authority database GND, a flexible and patient approach by all persons will be essential.

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/2017H3S16-26

Autorenidentifikation: Küssow, Jürgen: GND 1136032924; Märchy, Selina: GND 1136032657

Schlagworte: Resource Description and Access (RDA); Katalogisierung; Gemeinsame Normdatei (GND); Multilingualität; NEBIS; Französisch; Regelwerksumstieg

1. Der NEBIS Verbund und seine Mehrsprachigkeit

Der Bibliotheksverbund NEBIS (Netzwerk von Bibliotheken und Informationsstellen in der Schweiz) ist der grösste Verbund wissenschaftlicher Bibliotheken der Schweiz. Ihm gehören rund 140 Bibliotheken an 154 Standorten aus allen Landesteilen der Schweiz an, u.a. z.B. die ETH Zürich, die ETH Lausanne, die Zentralbibliothek Zürich, die Universität Zürich, das Schweizerische Sozialarchiv, die Schweizerische Nationalbank sowie fast alle Fachhochschulbibliotheken der Schweiz. Abbildung 1 zeigt die geografische Verteilung sowie die jeweilige Grösse der Institutionen der NEBIS-Standorte in der Schweiz.

Uebersicht_der_NEBIS_Bibliotheken_in_der_Schweiz

Im NEBIS-Katalog werden mehr als 10,5 Millionen Titel nachgewiesen bei einem Bestand von mehr als 15 Millionen Exemplaren, mehr als 78.000 aktive Benutzerinnen und Benutzer sind eingeschrieben. Im NEBIS arbeiten Bibliotheken sowohl aus der Deutschschweiz als auch aus den Französisch und Italienisch sprechenden Landesteilen. Der Anteil der nicht-deutschsprachigen Bibliotheken beträgt im NEBIS über 15 Prozent. Damit ist der NEBIS der einzige Bibliotheksverbund in der Schweiz, der die Mehrsprachigkeit des Landes abbildet und über die Sprachgrenzen hinweg agiert.

Die NEBIS-Verbundzentrale (NVZ), angegliedert an die Bibliothek der ETH Zürich, ist verantwortlich für das Setzen und die Einhaltung von Qualitätsstandards in der Zusammenarbeit aller Bibliotheken und ihrer Standorte im NEBIS-Verbund. Um alle Mitarbeitenden in den NEBIS-Bibliotheken mit den Standards vertraut und im Umgang sicher zu machen, bietet die NVZ ein vielfältiges Kursprogramm sowohl zur Anwendung bibliothekarischer Kenntnisse gemäss Verbundvereinbarungen und -regeln als auch die Pflege solcher Kompetenzen im NEBIS-Verbund an. Die Kursteilnahme steht allen Mitarbeitenden kostenfrei zur Verfügung. Die Kursleitenden der NVZ sind zertifiziert als Kursleiter in der Erwachsenenausbildung durch den Schweizerischen Verband für Weiterbildung (SVEB 1).

In der täglichen Arbeit des NEBIS spielt die Multilingualität eine zentrale Rolle: Deutsch und Französisch sind die Arbeitssprachen im Verbund. Um die Multilingualität aktiv zu leben und gleiche Voraussetzungen für die Arbeit aller Mitarbeitenden in den Bibliotheken zu gewährleisten, verfolgt die NEBIS-Verbundzentrale dabei folgende Grundsätze:

2. Die Einführung von RDA und GND in NEBIS

Nach dem Beschluss der Konferenz deutschsprachiger Hochschulbibliotheken (KDH), das neue Regelwerk RDA mit der GND gleichzeitig einzuführen und sich dabei der Einführung in Deutschland und Österreich anzuschliessen, wurde ein komplexes Projekt für die wissenschaftlichen Verbünde der Schweiz (IDS1 Basel/Bern, IDS Luzern, IDS St. Gallen und NEBIS) aufgesetzt, um ab dem Jahresbeginn 2016 gemeinsam mit den übrigen Deutschschweizer Verbünden das Regelwerk RDA mit der Normdatei GND anzuwenden. Vor der Einführung wurde mit eigenen schweizerischen Katalogisierungsregeln gearbeitet, den KIDS. Als Normdatenbank fungierte in jedem Verbund eine eigene Datenbank. Die Normdatenbank des NEBIS war hierbei von Anfang an multilingual angelegt, es wurde konsequent mit multilingualen Ansetzungen erfasst. So war die Universität Genf zum Beispiel ebenso unter Université de Genève nachgewiesen und somit auch in der französischen Ansetzung benutzbar und suchbar. Die Anzeige der Daten war ebenfalls multilingual. In der deutschen Sprachoberfläche in der Recherche wurde dem Endnutzer der deutsche Name „Universität Genf“ angezeigt, in der französischen Sprachoberfläche die französische Variante „Université de Genève“. Diese Funktionsweise war für alle, Endnutzer wie Bibliotheksmitarbeitende, gleichermassen zufriedenstellend, da jeder in seiner Sprachumgebung konsistente Daten in der eigenen Sprache vorfand. Die Einführung von RDA und GND in Anlehnung an die Verfahrensweise der Deutschen Nationalbibliothek und der Bibliotheken in Deutschland und Österreich stellte für den multilingualen NEBIS-Verbund einige Herausforderungen bereit. So gab es vor dem Beschluss der KDH im NEBIS eine beträchtliche Anzahl Stimmen, die lieber die RDA in Anlehnung an die British Library einführen wollten, um gleich von Anfang an das Problem der Multilingualität für alle Landesteile akzeptabel zu gestalten.

3. Mehrsprachigkeit mit RDA und GND

Im Bereich Mehrsprachigkeit gab es somit bei der Einführung von RDA und GND in NEBIS mehrere grosse Baustellen zu bewältigen. NEBIS lancierte zur Einführung von RDA und GND ein Projekt, welches im Sommer 2014 startete und im März 2016 erfolgreich abgeschlossen wurde.

3.1. Zustand der französischen RDA-Übersetzung

Die französische Übersetzung des Regelwerks wies bei Projektstart der Einführung von RDA im NEBIS-Verbund im Jahr 2014 einen grossen Rückstand aus. Der französische Text wurde zwar punktuell aktualisiert, wies aber im Wesentlichen den Regelwerksstand von 2012 nach. Die Aktualisierungen der Jahre 2013 und 2014 waren zu diesem Zeitpunkt nicht nachvollzogen worden.2

Zustand_der_franzoesischen_Uebersetzung_2014

Ob eine Aktualisierung des Textes überhaupt wieder vorgenommen werden würde, war 2014 unklar. Abbildung 2 zeigt ein typisches Beispiel für das Auseinanderdriften der französischen und der deutschen RDA-Übersetzung: Das Unterkapitel 2.3.1.7.1 fehlte zu diesem Zeitpunkt noch im französischen Text. NEBIS musste damit rechnen, dass der Übersetzungsstand im Jahre 2012 verharren würde und versuchte dafür Lösungen zu finden. Zum Beispiel wurde darüber nachgedacht, die Aktualisierungen des Textes selbst zu stemmen oder dass die französischsprachigen Bibliotheken doch mit dem englischsprachigen Text arbeiten würden.

Im Laufe des Projektes nahmen die Vertreter der kanadischen Bibliotheken der ASTED3, welche in Zusammenarbeit mit anderen französischsprachigen Bibliotheken auch den ursprünglichen Text übersetzt hatten, die Aktualisierungen wieder auf.4 Seit April 2016 ist der französische Text immer näher an die deutsche Übersetzung gerückt und wird nun zeitnah aktualisiert. Abbildung 3 zeigt die aktuelle Ansicht 2017 der gleichen Textstelle wie in Abbildung 2 aus dem Jahr 2014.

Zustand_der_franzoesischen_Uebersetzung_2016

3.2. Übersetzung der Anwendungsrichtlinien und der IDS Arbeitshilfen

Damit die französischsprachigen Bibliotheken in gleicher Weise ihre tägliche Arbeit bewältigen können wie ihre deutschsprachigen Pendants, war eine Übersetzung der deutschsprachigen Anwendungsrichtlinien (D-A-CH AWR) sowie der ergänzenden Arbeitshilfen und Erfassungsleitfäden des Informationsverbundes Deutschschweiz (IDS) und der im D-A-CH-Raum kooperativ erstellten Schulungsunterlagen unumgänglich. Da diese Dokumente sehr grosse Textmassen umfassten, wurde entschieden, Aufträge an zwei grosse Übersetzungsbüros auszulagern.

Die Vor- und Nacharbeiten zur Durchführung der beiden Aufträge für die NEBIS-Verbundzentrale waren nicht zu unterschätzen. Die D-A-CH AWR mussten im Vorfeld der Übersetzung auf Passagen untersucht werden, welche nicht übersetzt werden durften. Dies betraf hauptsächlich GND-Begriffe, welche in ihrer deutschen Vorzugsform verwendet werden müssen und deshalb nicht übersetzt werden durften. So zum Beispiel beim RDA-Element Art des Inhalts, für das gemäss der D-A-CH AWR zu RDA 7.2.1.3 die Verwendung von normierten Begriffen vorgeschrieben ist (siehe Abbildung 4). Da es sich dabei um GND-Schlagwörter handelt, mussten diese Begriffe überall markiert werden, so dass die übersetzenden Personen diese nicht übersetzen. 

RDA

Bei solchen Übersetzungen nicht zu unterschätzen ist die Schwierigkeit und Komplexität bei Fachbegriffen und sprachlichen Feinheiten. So war den Übersetzenden nicht klar, dass die im Deutschen wichtige Unterscheidung zwischen „Übertragen“ und „Erfassen“ beachtet werden musste.5 Im Französischen werden diese beiden Begriffe sprachlich kaum unterschieden. Das französische Toolkit drückt diesen Unterschied mit „transcription“ für „Übertragen“ und „enregistrer“ für „Erfassen“ aus. Dass ein Übersetzender auf solche Feinheiten achten muss, ist jeweils vor Beginn der Übersetzungen im Detail abzusprechen.

Die Verbundzentrale musste den Übersetzenden zudem beibringen, „bibliothekarisch“ zu denken und auf bibliothekarische Feinheiten zu achten. Trotz aller Mühen gelang es jedoch nur teilweise, die komplexen Formulierungen der deutschen D-A-CH AWR zufriedenstellend ins Französische zu übersetzen.

Auch die deutschsprachigen Schulungsunterlagen mussten in grossem Umfang übersetzt werden. Da die NEBIS-Verbundzentrale aufgrund der grossen Textmenge und der begrenzten Zeit zwei Übersetzungsbüros beschäftigen musste, liess es sich nicht vermeiden, dass es zwischen der Übersetzung der D-A-CH AWR und der der Schulungsunterlagen zu Abweichungen kam.

Im Zuge dieser Übersetzungen wurde ebenfalls klar, dass die D-A-CH AWR „Deutsch denken“. Ein Paradebeispiel ist ein Ausschnitt aus der Erläuterung zu RDA 2.6: „Wird eine neue Zählfolge nicht durch eine Formulierung wie z.B. „Neue Folge“ begleitet, fingieren Sie eine derartige Formulierung in deutscher Sprache und setzen Sie sie in eckige Klammern […]“

Das Übersetzungsbüro übersetzte:

« Si la nouvelle séquence de numérotation n’est pas accompagnée d’une formulation telle que « Nouvelle séquence », forger une formulation de ce genre en langue allemande et le mettre entre crochets […] »

Der ursprünglich übersetzte Text wurde von einer französischsprachigen Fachspezialistin nachbearbeitet:

« Si la nouvelle séquence de numérotation n‘est pas accompagnée d’une formule telle que « nouvelle série », forger une formule de ce genre en français et la mettre entre crochets […] »

Begriffe wie „in der Sprache der Katalogisierungsstelle“ werden in den D-A-CH AWR häufig mit der Sprache Deutsch gleichgesetzt, da die D-A-CH AWR für die deutsche Anwendergemeinschaft geschrieben wurden. Die Übersetzenden konnten dies natürlich nicht wissen und übersetzten daher wortgetreu. Aber natürlich müssen die französischen Anwenderinnen und Anwender die Formulierung in ihrer eigenen Sprache, also auf Französisch, verfassen.

Der Zeitplan für die Übersetzung der Erfassunghilfen – in den IDS-Verbünden als Feldhilfen in Aleph hinterlegt – war aufgrund eines Datenfehlers beim Übersetzungsbüro am engsten bemessen. Erst zwei Tage vor dem Go-live für RDA und GND konnten sie geliefert werden. Da die Texte gleichzeitig als Feldhilfen hinterlegt werden sollten, wurden sie in einem speziellen Datenformat an die Übersetzenden geliefert. Bei der Retournierung zwei Tage vor dem Go-live stellte sich heraus, dass die für die Feldhilfen notwendigen Datenhinterlegungen nicht mehr vorhanden waren und die gelieferten Files in dem Zustand nicht als Feldhilfen eingespielt werden konnten. Um den französischsprachigen Bibliotheken dennoch Feldhilfen zur Verfügung stellen zu können, arbeiteten sämtliche verfügbare Personen der NEBIS-Verbundzentrale sowie der Bibliotheks-IT-Services der ETH Bibliothek an den Files. Somit konnten die Feldhilfen doch noch zum produktiven Start zur Verfügung gestellt werden. 

3.3. Nutzung des D-A-CH Buttons

Im RDA Toolkit sind zusätzliche Regelungen und Hinweise zum Regelwerkstext hinterlegt. Der violette Button D-A-CH führt zu den entsprechenden Anwendungsrichtlinien des deutschsprachigen Raumes (siehe Abbildung 5).

Nutzung_DACH_Button

Die Nutzung des D-A-CH Buttons stellte zu Projektbeginn ebenfalls eine grosse Herausforderung dar. Der D-A-CH Button war nur für die deutsche Sprache ausgelegt und auf der französischen Oberfläche führte die Nutzung des Buttons auf die deutschen D-A-CH AWR. Um dies zu ändern, stellte die IDS-Verbundkoordination über die American Library Association (ALA) als Mitverleger des RDA Toolkits den Antrag, dass der Button künftig entsprechend der Browsersprache entweder auf die deutsche oder die französische Version der D-A-CH führen sollte. Als Zwischenlösung mussten die französischsprachigen Bibliotheksmitarbeitenden auf eine im DNB Wiki hinterlegte Seite zugreifen und dort die jeweilige D-A-CH AWR in der französischen Variante suchen. Im Oktober 2016 konnte die mehrsprachige Nutzung des Buttons realisiert werden. Es ist nun für die französischsprachigen Bibliotheken möglich, via D-A-CH Button auf die französische Übersetzung der D-A-CH AWR zuzugreifen.

3.4. Mehrsprachigkeit mit GND und Lokalredaktionen

Im Bereich Normdaten unterscheidet NEBIS zwischen drei Aspekten der Multilingualität:

Um französisch- oder englischsprachige Varianten für die Suche musste sich NEBIS keine grossen Gedanken mehr machen, da abweichende Namensformen in der GND problemlos ergänzt werden können. 

Mit der Anzeigesprache ist die Namensform gemeint, die je nach Spracheinstellung des Recherchekatalogs angezeigt wird: Befindet man sich in einer deutschen Sprachoberfläche, soll zum Beispiel der deutsche Körperschaftsname angezeigt werden; befindet man sich in der französischen Oberfläche, wird die französische Variante des Körperschaftsnamens angezeigt – im Englischen die englische Variante. Mit der alten lokalen Normdatenbank war eine solche Anzeige möglich.

Durch die Verwendung der im IDS genutzten Spiegeldatenbank der GND (bezeichnet als IDS18) wurde auch in diesem Bereich eine gute Lösung gefunden. In der IDS18 werden Felder, welche in der GND als abweichende Namen fungieren und bestimmte Unterfelder aufweisen,6 in Felder für Vorzugsformen (1XX) umgewandelt (siehe Abbildung 6). Dadurch kann in den Oberflächensprachen Deutsch, Englisch und Französisch eine multilinguale Anzeige ermöglicht werden.

Anzeigesprachen_1

So wird in der deutschen Sprachoberfläche nur die deutsche Namensvariante der Körperschaft (hier die Schweizerische Nationalbank) angezeigt (siehe Abbildung 7).

Anzeigesprachen_3

In der französischen Oberflächensprache hingegen werden sowohl die deutsche, wie auch die französische Namensvariante angezeigt (siehe Abbildung 8). An diesem Beispiel gut ersichtlich ist jedoch, dass zum Beispiel Geografika, welche als identifizierendes Merkmal angegeben werden, weiterhin in Deutsch erfasst werden müssen. Um die Multilingualität vollständig zu erfüllen, müsste der identifizierende Zusatz hier „(Berne / Zurich)“ lauten.

Anzeigesprachen_2

Eine weitere Herausforderung ist die Arbeit der französischsprachigen Bibliotheksmitarbeitenden in einer deutschsprachigen GND. Um in der GND arbeiten sowie auch die Erfassungshilfen verstehen zu können, ist ein grösseres Mass an Deutschkenntnissen nötig. Dies entspricht nicht dem NEBIS-Grundsatz, dass Deutsch und Französisch als Sprachen gleichgestellt sind. Nicht nur die Erfassungshilfen der GND sind auf Deutsch, auch bestimmte Begrifflichkeiten, wie im Beispiel der Schweizerischen Nationalbank anhand der geografischen Einheiten gut zu sehen, sind auf Deutsch anzuwenden. Berufe, Orte, Adelstitel und theoretisch auch biografische Beschreibungen sind in der GND auf Deutsch zu erfassen rsp. mit einem „deutschen“ GND-Satz zu verknüpfen. Die NEBIS-Verbundzentrale musste sich deshalb mit Einführung der GND die Frage stellen, in welcher Art und Weise die französischsprachigen Bibliotheksmitarbeitenden überhaupt Normdaten in der GND würden erfassen können.

Die NEBIS-Verbundzentrale überprüfte mehrere Varianten und entschied sich schlussendlich, die GND Erfassungshilfen sowie weitere Unterlagen für die GND (z.B. die Liste der Ländercodes) nicht zu übersetzen. Die französischsprachigen Bibliotheksmitarbeitenden wurden durch französischsprachige Kursleitende in der Nutzung der GND ausgebildet. Als Anlaufstelle für jegliche Fragen der Bibliotheksmitarbeitenden wurde eine besondere Redaktion gegründet, welche von Mitarbeitenden der Verbundzentrale betreut wird und sich ausschliesslich mit den Bedürfnissen der Westschweizer Bibliotheken befasst. Diese Redaktion kontrolliert sämtliche Datensätze der französischsprachigen Bibliotheksmitarbeitenden. Nach über einem Jahr ist das Fazit erfreulich: Die französischsprachigen Bibliotheksmitarbeitenden erfassen Datensätze in sehr guter Qualität.

Dennoch ist diese Art der Arbeit unter dem Gesichtspunkt, dass beide Sprachen eigentlich gleichgestellt sein sollten, nicht befriedigend.

4. Fazit und Ausblick

Der Verbund NEBIS wird auch künftig darauf angewiesen sein, dass die kanadischen Bibliotheken die französische Übersetzung der RDA pflegen und die Anpassungen an die englische Sprachfassung zeitnah erfolgt. Alle Änderungen, welche an den D-A-CH AWR vorgenommen werden, müssen von der IDS-Verbundkoordination in hohen Aufwänden angepasst und zeitnah übersetzt werden. Improvisation und Kompromisse seitens des NEBIS-Verbundes und der französischsprachigen Bibliotheken, um eine sprachübergreifende Regelkonformität herzustellen, die gemäss D-A-CH AWR gefordert wird, sind laufend erforderlich.

Die Anwendung einer monolingualen Datenbank in einem multilingualen Verbund wird nach wie vor als problematisch betrachtet. So ist es zum Beispiel aus Sicht einer französischsprachigen Person kaum verständlich, warum in der GND „Genf“ statt „Genève“ verwendet wird.

Aus Sicht des NEBIS-Verbundes ist die mit der Einführung von RDA angestrebte Internationalisierung der Formalerschliessung in der Schweiz durch eine Germanisierung ersetzt worden, welche zwar der Multilingualität der gesamten Schweiz keine Rechnung trägt, jedoch für rein deutsch-schweizer Verbünde der Schweiz durchaus akzeptabel ist.

In den kommenden Jahren zeichnen sich in der Schweizerischen Bibliothekswelt Veränderungen ab, welche unter anderem ein neues Bibliothekssystem bedingen. Die Multilingualität wird auch dabei eine übergeordnete Rolle spielen.7

Literaturverzeichnis

Wiesenmüller, Heidrun und Silke Horny. Basiswissen RDA: Eine Einführung für deutschsprachige Anwender. Berlin u.a.: De Gruyter Saur, 2015.


1 Die Abkürzung IDS steht für „Informationsverbund Deutschschweiz“.

2 Screenshots aus dem RDA-Toolkit mit Genehmigung der RDA-Verleger / Capture d‘écran du RDA-Toolkit avec la permission de l‘éditeur RDA (American Library Association, Canadian Library Association, und CILIP: Chartered Institute of Library and Information Professionals); RDA Toolkit, ALA (Chicago u.a.: ALA u.a., 2010 ff.), zuletzt geprüft am 28.06.2017, http://www.rdatoolkit.org/.

3 Association pour l’avancement des sciences et des techniques de la documentation, zuletzt geprüft am 20.03.2017, http://asted.org/.

4 Nähere Informationen zur ursprünglichen Übersetzung sind im Kapitel „Préface à la version française“ in der französischsprachigen Version des Toolkits zu finden.

5 „Übertragen (transcribe) ist eine besondere Form des Erfassens. Es meint die exakte, vorlagengetreue Übernahme – d.h. das genaue Abschreiben – von Angaben, die sich auf der zu katalogisierenden Ressource befinden.“ Heidrun Wiesenmüller und Silke Horny, Basiswissen RDA: Eine Einführung für deutschsprachige Anwender (Berlin u.a.: De Gruyter Saur, 2015), 34.

6 Dies sind die Unterfelder $F (Originale Feldnummer), $5 (Institution, auf die sich das Feld bezieht), $L (Sprachcode) und $9 (IDS-Sprachcode).

7 Der Artikel beruht auf dem gleichnamigen Vortrag, welcher am 1. September 2016 im Rahmen des BIS-Kongresses in Luzern (CH) gehalten wurde. Die Folien sind einsehbar unter, zuletzt geprüft am 12.09.2017, http://de.slideshare.net/ETH-Bibliothek.