Aus der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Der Ausschuss für Wissenschaftliche Bibliotheken und Informationssysteme (AWBI) ist am 02./03. Mai 2017 – nach 2005 und 2011 – in Berlin-Schmöckwitz zu seiner dritten Klausurtagung zusammengekommen. Außer den Mitgliedern des AWBI haben Frau Dr. Niggemann, Generaldirektorin der Deutschen Nationalbibliothek, als Senatorin der DFG, Herr Professor Ludwig, Leiter des Deutschen Klimarechenzentrums (DKRZ) Hamburg, als Mitglied der Kommission für IT-Infrastruktur (KfR) und Herr Professor Strohschneider, Präsident der DFG, teilgenommen. Neben übergreifenden Diskussionen zum Förderhandeln im Bereich Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und Informationssysteme sowie der Wirkung der Förderung und dem Zusammenspiel mit anderen Akteuren wurde die Weiterentwicklung einzelner Förderprogramme intensiv erörtert.

Förderhandeln im Bereich Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und Informationssysteme

Das Thema wurde vom AWBI in seiner Klausurtagung auf zwei Ebenen diskutiert: Zum einen ging es allgemein um die Herausforderungen und Anforderungen an Informationsinfrastrukturen für die Wissenschaft im digitalen Zeitalter, zum anderen konkret um das Förderhandeln der DFG in diesem Bereich. Ein grundlegender Unterschied zum vorherigen Positionspapier von 2012 „Die digitale Transformation weiter gestalten – Der Beitrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu einer innovativen Informationsinfrastruktur für die Forschung“ besteht darin, dass sich ein Paradigmenwechsel zum Digitalen als Grundlage der Arbeit in vielen Wissenschaftsbereichen hin vollzogen hat, es mithin nicht mehr vor allem um die Transformation des Analogen in das Digitale geht. Der gesamte Forschungszyklus – Informationsversorgung, Forschungsarbeit, Publikation, Vernetzung etc. – findet heute überwiegend genuin digital basiert statt. Die Aufgabe der DFG besteht darin, im Interesse der Wissenschaft diesen Paradigmenwechsel mitzugestalten, vor allem im Hinblick auf das Zusammenspiel zwischen den technischen Organisationen des Digital Turn und der wissenschaftlichen Nutzung. Der AWBI war sich darin einig, dass dabei die unterschiedlichen Herangehensweisen in den einzelnen wissenschaftlichen Disziplinen zu berücksichtigen sind. Betont wurden aber auch die vielfältigen Chancen und neuen Möglichkeiten, die sich aus dem Digital Turn für die Wissenschaft ergeben.

Erörtert wurde vom AWBI weiter die nachhaltige und langfristige Finanzierung von Informationsinfrastrukturen, wobei sich die projektorientierte DFG-Förderung nur auf eine Anschubfinanzierung konzentrieren kann. Die DFG ist dabei Teil eines Gesamtsystems von nationalen und internationalen Verantwortungen und Zuständigkeiten für wissenschaftliche Informationsinfrastrukturen. Daher wird auch eine engere Verzahnung der DFG-Förderung mit anderen nationalen und internationalen Einrichtungen und Geldgebern angeregt. Zudem wird der Bedarf gesehen, zentrale Themen wie z.B. Nachhaltigkeit, Finanzierung von Informationsinfrastrukturen und rechtliche Fragen verstärkt auch im wissenschaftspolitischen Raum zu diskutieren.

Der AWBI sieht seine Rolle nicht zuletzt darin, die Selbstorganisation von und die Vernetzung innerhalb der informationsfachlichen und fachlichen Communities zu stärken, zum einen mit Blick auf die Ausgestaltung von Förderprogrammen, zum anderen mit Blick auf die Nachnutzung von Projektergebnissen.

Darüber hinaus hat sich der AWBI dafür ausgesprochen, neben der systematischen Analyse der Wirkung von Förderprogrammen und Ausschreibungen auch die Wirkung einzelner Projekte, denen Strukturpotenzial zugemessen wird, auszuwerten. Diese Erkenntnisse sollen in die strategischen Zielsetzungen der LIS-Förderung sowie die Weiterentwicklung des Förderportfolios einfließen.

Weiterentwicklung des Förderhandelns

Im Gegensatz zu den beiden vorherigen Klausurtagungen wurden diesmal nicht alle bestehenden Förderprogramme behandelt. Dies liegt daran, dass sich die Programme in unterschiedlichen Stadien befinden, beispielsweise wird das Programm „Fachinformationsdienste für die Wissenschaft“ 2017/2018 evaluiert. Über die Weiterentwicklung des Programmes wird anschließend auf der Basis der vorliegenden Evaluierungsergebnisse entschieden.

Open Access Transformation

Eine vom AWBI eingesetzte Arbeitsgruppe hatte ein Diskussionspapier für die Klausurtagung erarbeitet, in dem strategische Ziele und grundlegende Prämissen sowie konkrete Vorschläge zur Gestaltung der Transformation formuliert wurden. Diskutiert wurde auch, welche Rolle der DFG dabei zukommen soll.

Ein weiteres Ergebnis der Arbeitsgruppe war die bereits im Februar 2017 veröffentlichte Ausschreibung zu „Open-Access-Transformationsverträgen“ im Rahmen des Programms „Überregionale Lizenzierung“.

Der AWBI hat sich nachdrücklich dafür ausgesprochen, dass sich die DFG für die Open-Access-Transformation einsetzen soll. Open Access spielt für die Wissenschaftskommunikation eine wichtige Rolle, da mit Open Access über den freien Zugang zum Lesen hinaus die weitere Verwendung von Forschungsergebnissen verstanden wird. Festgehalten wurde, dass der Heterogenität in der Publikationspraxis zwischen den einzelnen wissenschaftlichen Disziplinen sowie den unterschiedlichen Open-Access- bzw. Transformationsmodellen Rechnung getragen werden muss. Angeregt wurde, die Transformation durch den Aufbau eines Monitoring für Open-Access-Publikationen aus DFG-geförderten Projekten zu unterstützen. Darüber hinaus wurde vorgeschlagen, die Höhe der bisher gewährten pauschalen Publikationsmittel anzupassen und diese ggf. bevorzugt für Open-Access-Publikationen zur Verfügung zu stellen.

Erschließung und Digitalisierung

Auch für den Förderbereich „Erschließung und Digitalisierung“ war im Vorfeld der Klausurtagung vom AWBI eine Kommission eingesetzt worden, die die Perspektiven und Möglichkeiten der Förderung ausgelotet und Empfehlungen für eine künftige Ausrichtung erarbeitet hat.

Seitens des AWBI wurde hervorgehoben, dass im Programm sowohl inhaltlich, z.B. durch die Massendigitalisierung der „Verzeichnisse der im deutschen Sprachraum erschienenen Drucke“, die sog. VDs, als auch strukturell, vor allem hinsichtlich der Standardisierung der Textdigitalisierung, viel erreicht worden ist. Die bisherige pragmatisch motivierte Begrenzung auf handschriftliche und gedruckte Überlieferung führt jedoch dazu, dass die Begrenzungen der analogen Welt in die digitale übertragen werden und die Möglichkeiten von Vernetzungen unterschiedlichster Art (interdisziplinär, spartenübergreifend etc.) nicht ausgeschöpft werden. Daher hat sich der AWBI dafür ausgesprochen, das Programm für alle wissenschaftlich relevanten Objekte zu öffnen. Dies bedeutet, dass die Entwicklung von Standards sowohl bei der Erschließung als auch bei der Digitalisierung weiter an Bedeutung gewinnen wird, auch, um die Interoperabilität der Ergebnisse gewährleisten zu können. Zudem verändert sich das Verhältnis von Erschließung und Digitalisierung. Im Hinblick darauf, dass Erschließungsdaten kontinuierlich und von unterschiedlichen Akteuren ergänzt werden können und automatisierte Verfahren der Erschließung zunehmend an Bedeutung gewinnen, sollen Digitalisierungsmaßnahmen auch dann möglich sein, wenn keine detaillierten Metadaten vorliegen. Voraussetzung ist jeweils eine solide Auseinandersetzung mit dem Datenmanagement sowie ein minimales Datenset, welches eine persistente Adressierung ermöglicht.

Forschungsdaten

Zum Aufbau von Informationsinfrastrukturen für Forschungsdaten bietet die DFG bereits ein eigenes Förderprogramm an, das ebenfalls 2017/ 2018 evaluiert wird. Wichtig dabei ist, dass die Anschlussfähigkeit und Interoperabilität der Systeme sichergestellt wird. Zudem hat der AWBI angeregt, dass sich die DFG in geeigneter Weise an dem geplanten Aufbau der nationalen Forschungsdateninfrastruktur beteiligt.

Ein weiteres wichtiges Handlungsfeld im Bereich „Forschungsdaten“ für die DFG sieht der AWBI hinsichtlich der Entwicklung von Policies und Regelwerken. Bisher existieren eher allgemeine Empfehlungen, was fehlt, sind vor allem fachspezifische Regularien. Um entsprechende Rahmenbedingungen und Verfahren festlegen zu können, muss seitens von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern definiert werden, was mit bereitgestellten Forschungsdaten gemacht werden kann und soll. Unabdingbar sind Digital Object Identifier (DOI), durch die Forschungsdaten zitierfähig werden.

Langfristig besteht auch im Themenfeld digitale Daten- und Medienkompetenz eine Aufgabe für die DFG. Hierzu wurde vorgeschlagen, durch einen Ideenwettbewerb Kompetenzaufbau und -vermittlung voranzubringen.

Die vollständigen Ergebnisse der Diskussionen der AWBI-Klausurtagung werden in einem neuen, für 2018 geplanten Positionspapier zusammengefasst.

Ulrike Hintze, Deutsche Forschungsgemeinschaft Gruppe „Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und Informationssysteme“ (LIS)

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/2017H3S139-141