Bericht über die 2017 American Library Association Annual Conference and Exhibition, June 22-27, Chicago

Ewald Brahms, Universitätsbibliothek Hildesheim
Matthias Harbeck, Humboldt-Universität zu Berlin, Universitätsbibliothek
Karl-Wilhelm Horstmann, Universität Hohenheim, Kommunikations-, Informations-, und Medienzentrum
Bettina Müller, Universitätsbibliothek Heidelberg
Thomas Stäcker, Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt und Fachhochschule Potsdam

ALA-Konferenzen

Die American Library Association (ALA) veranstaltet jährlich zwei große Tagungen: das „Midwinter Meeting“ im Januar oder Februar sowie die „Annual Conference“ Ende Juni oder Anfang Juli. Die Tagungen finden in großen Städten statt, die über die erforderlichen Hotelkapazitäten und ein großes Kongresszentrum verfügen. Nach Auskunft der ALA-Geschäftsstelle werden die Jahreskonferenzen in der Regel von mehr als 20.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern besucht und die Midwinter-Konferenzen durchschnittlich von über 10.000. Sieben Vollzeitbeschäftigte organisieren in der Geschäftsstelle diese Konferenzen, so die ALA, wobei organisatorische Aufgaben wie Registrierung, Firmenausstellungen oder Konferenzgestaltung als Aufträge an Firmen vergeben werden. Die Tagungstermine werden mehrere Jahre im Voraus geplant und sind inzwischen bis zum Jahr 2027 festgelegt.1 Regelmäßig finden die Jahreskonferenzen auch in Chicago statt, wo sich die ALA-Geschäftsstelle befindet. Gegründet wurde die ALA – die älteste und größte bibliothekarische Berufsvereinigung der Welt – allerdings nicht in Chicago, sondern am 6. Oktober 1876 in Philadelphia während der ersten Weltausstellung in den USA. 1876 wurde zugleich das 100. Jubiläum der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika gefeiert. Als ihre mission nennt die ALA „to provide leadership for the development, promotion and improvement of library and information services and the profession of librarianship in order to enhance learning and ensure access to information for all.“2

2017 Annual Conference and Exhibition

Umfang und Programm

An der diesjährigen Annual Conference and Exhibition nahmen insgesamt 22.700 Personen teil, von denen 583 aus dem Ausland und aus 66 Ländern kamen, etwa die Hälfte davon aus Kanada. Auf der Firmenausstellung waren 780 Aussteller vertreten. Thema der Konferenz war „Transforming Our Libraries, Ourselves“. Ein 296-seitiges Program & Exhibit Directory (im unseren DIN-A-4 vergleichbaren Format) sowie die Kongress-App boten Orientierungshilfen für die über 1.800 Veranstaltungen sowie die Veranstaltungsorte im Westflügel des McCormick Place-Kongresszentrums und in mehreren Hotels. Die Tagung fand von Donnerstag bis Dienstag statt, wobei sich das Hauptprogramm auf Freitag bis Montag erstreckte. Das Programm umfasste u. a. zahlreiche Veranstaltungen wie

Im Übergang zwischen Ausstellungshalle und den Konferenzräumen befand sich zudem eine kleine Bühne mit einem regelmäßigen Musikprogramm zum Entspannen und Genießen. Mit Unterstützung der Old Town School of Folk Music aus Chicago hatte die ALA ein reichhaltiges Musikprogramm von Swing, Chicago Blues, Irish and Latin Folk etc. organisiert.

ALA Ausstellerbereich

Außerdem hatte der United States Postal Service in diesem Bereich eine kleine Filiale eingerichtet „to take care of your shipping needs, offering exclusively Priority Mail service.“ Angesichts der vielen gedruckten Werbematerialien und den zahlreichen Verlagsausstellungen sowie Buchpräsentationen ein gern und viel genutzter Service.

Zum Konferenzmotto „Transforming Our Libraries, Ourselves“ passte auch die Gruppe der ALA Biblioquilters. Seit 1998 gestalten sie Quilts als besondere Einzelstücke, um sie für wohltätige Zwecke zu verkaufen.

Bibliotheksmanagement, Marketing, New Library Management Systems

Im sehr umfangreichen und vielseitigen Programm der Konferenz gab es mehrere Veranstaltungen, die sich mit Managementfragen in Bibliotheken beschäftigten. Dazu gehörten u.a. Themen wie strategische Planung, Leistungs- und Wirksamkeitsmessung sowie Veränderungsmanagement. Im Zusammenhang mit Leistungs- und Wirksamkeitsmessung wurde die Definition und Beschaffung der „richtigen“ Daten für den jeweiligen Berichtszweck diskutiert. Grundlegende Erkenntnis aus Vorträgen und Diskussion war, dass es nur schwer möglich ist, mit akzeptablem Aufwand verlässliche und zielführende Daten zu erhalten. In Diskussionen und im Erfahrungsaustausch zum Veränderungsmanagement wurde der Aspekt „Limit Silos“ mehrfach thematisiert, d.h. wie lässt sich die „Abschottung“ von z.B. Abteilungen, Referaten oder Arbeitsgruppen gegenüber anderen Teilbereichen einer Bibliothek auflösen. Festgestellt wurde die in Veränderungsprozessen anzutreffende mangelnde Bereitschaft, bei organisatorischen Fragestellungen die gesamte Bibliothek zu betrachten und die Schwierigkeit, „Silomentalität“ aufzulösen.

Mitglieder der Association of College & Research Libraries (ACRL) Library Marketing and Outreach Interest Group berichteten über ihre Erfahrungen, Studierende sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an ihrer Hochschule mit kostengünstigen Marketingaktionen besser zu erreichen, um den Wert der Hochschulbibliothek deutlicher zu machen. In den Einführungsvorträgen wurden Beispiele aus Universitäts- und Collegebibliotheken dargestellt, wie mit eher ungewöhnlichen Aktionen auf die Bibliotheken und ihre Dienstleistungen aufmerksam gemacht werden kann. An Studierende richteten sich überwiegend Aktionen, die die Bibliothek als sozialen Ort im Fokus hatten (Mandala-Malen, Bauen mit Legosteinen, Ausführen von Hunden, kleine Feiern zum Semesterabschluss). In Kleingruppen wurden die Erfahrungen und Ideen weiterdiskutiert. Am Ende der Diskussion blieb allerdings die Erkenntnis, dass entscheidend für die Bewertung der Bibliotheksqualität durch Nutzerinnen und Nutzern die verfügbaren Medien, die Beratungsleistungen und der intensive Kontakt zu den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Studierenden sind. Die beschriebenen Marketingaktivitäten können jedoch für Aufmerksamkeit sorgen.

Vertreterinnen und Vertreter aus Bibliotheken sowie von OCLC und ExLibris berichteten in einer gemeinsamen Veranstaltung über Möglichkeiten, Kennzahlen einer Bibliothek sowie weitere Daten für Analysen, Berichte, Finanzplanungen und Strategien zur Bibliotheksentwicklung zu nutzen. Die Firmenvertreterinnen und -vertreter machten deutlich, dass sie hierbei auf „Industriestandards“ setzen und SAP Business Objects (OCLC) bzw. Oracle Business Intelligence Enterprise (Ex Libris) einsetzen. Auf Rückfrage erläuterten sie, dass sie sich vor einigen Jahren nach umfangreichen Produktanalysen schließlich für die von ihnen eingesetzten (unterschiedlichen) Produkte entschieden hätten. Seitens der Bibliotheksvertreterinnen und -vertreter wurden die hilfreichen Analyse- und Visualisierungsmöglichkeiten hervorgehoben. Allerdings binde man sich insofern an ein System, als die Implementierung und Konfigurierung mit erheblichem Aufwand verbunden sei und ein Wechsel zu einem anderen System auch vor diesem Hintergrund sehr gut überlegt werden müsse. Angesprochen wurde auch das Thema Datensicherheit und der Bedarf für eine „data security policy“ nicht nur in Hochschulbibliotheken, sondern an Hochschulen insgesamt. Hier gebe es noch viel Handlungsbedarf.

German focused programs

Im Rahmen des Partnerland-USA-Programms, das auf ein 2014 unterzeichnetes „Memorandum of Unterstanding“ zwischen der ALA und Bibliothek & Information Deutschland (BID) zurückgeht, nahmen elf deutsche Kolleginnen und Kollegen an der ALA Jahreskonferenz teil. Organisiert wurde diese Teilnahme von Bibliothek Information International (BII) und der ALA-Geschäftsstelle. Das Goethe-Institut übernahm die Finanzierung der Reisekosten der deutschen Delegation. In vier „German focused programs“ wurden Präsentationen gehalten zu „Libraries in Germany“, „Serving Refugees: Experiences from German Libraries“, „German Academic Libraries: New Trends in Management“ und „Libraries Support Research in Germany“.

German Academic Libraries: New Trends in Management

Veränderungsprozessen in deutschen Bibliotheken war das Panel „German Academic Libraries: New Trends in Management“ gewidmet. Karl-Wilhelm Horstmann (Kommunikations-, Informations-, und Medienzentrum Hohenheim), Robert Zepf (Universitätsbibliothek Rostock) und Ewald Brahms (Universitätsbibliothek Hildesheim) berichteten über die Auswirkungen der Veränderungen an ihren Hochschulen und in der deutschen Hochschullandschaft auf ihre Bibliotheken.

Karl-Wilhelm Horstmann gab zunächst einen kurzen Überblick über die Zusammenlegung von Rechenzentren und Universitätsbibliotheken an deutschen Hochschulen und erläuterte dann den Anlass und die Ausgangsbedingen für diese Zusammenlegung an der Universität Hohenheim. Die vom Präsidium der Hochschule initiierte Zusammenlegung erfolgte nach einer mehrjährigen Übergangsphase, in der der Veränderungsprozess mit externer Unterstützung gestaltet wurde. Ziel war und ist eine größere Effektivität und Effizienz der eingesetzten Informationstechnologien und -dienstleistungen. Erfreulicherweise waren damit keine Kürzungen beim Budget und bei den Personalstellen verbunden.

Robert Zepf stellte die Entwicklung der UB Rockstock in den Zusammenhang der Entwicklungen an der Universität Rostock und in verschiedenen Wissenschaftsgebieten sowie der Vereinigung der beiden deutschen Staaten. Er berichtete über die baulichen, EDV-technischen und personellen Veränderungen in der UB, um den veränderten Anforderungen an den Lern- und Arbeitsort Bibliothek, an die digitalen Serviceangebote der UB sowie an die Unterstützung von Forschung und Lehre gerecht zu werden.

Ewald Brahms erläuterte die Weiterentwicklung der UB Hildesheim mit Bezug auf die in Niedersachsen vor einigen Jahren eingeführten Studiengebühren, die durch die aktuelle Landesregierung wieder abgeschafft und durch sogenannte Studienqualitätsmittel des niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur ersetzt wurden, die gestiegenen Studierendenzahlen und die Zunahme an Beschäftigten der Universität sowie die veränderten Anforderungen an die UB in Studium, Lehre und Forschung. Dieses führte zu einem Ausbau des Lern- und Arbeitsortes UB Hildesheim, einer spürbaren Zunahme an digitalen Informations- und Serviceangeboten sowie der Übernahme neuer Aufgaben wie der Administration des Lernmanagementsystems der Universität oder neuer Beratungs- und Serviceangebote im Bereich des Forschungsdatenmanagements. Mit dem Ausbau des Universitätsverlags und den verschiedenen Möglichkeiten zum Open-Access-Publizieren wurde die Zusammenarbeit mit den Instituten der Universität ebenfalls gestärkt. Verbunden mit der UB-Weiterentwicklung waren zudem die Einstellung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (teilweise als berufliche Quereinsteiger) sowie Veränderungen im Aufgabenspektrum beim vorhandenen Personal. Wichtig war dabei die Einbeziehung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Veränderungsprozesse sowie die Ermöglichung von Handlungs- und Entscheidungsspielräumen. An mehreren Beispielen verdeutlichte Brahms außerdem die enge Kooperation mit zentralen Einrichtungen und Instituten innerhalb der Universität sowie die Zusammenarbeit mit anderen Bibliotheken und Dienstleistungsanbietern.

In der anschließenden Diskussion interessierten sich die amerikanischen Kolleginnen und Kollegen insbesondere für die Einbeziehung von Bibliotheksmitarbeiterinnen und -mitarbeitern in die Veränderungsprozesse, die Zusammenarbeit von Rechenzentren und Universitätsbibliotheken an deutschen Hochschulen sowie das Verhältnis von zeitlich befristeten Stellen in der UB sowie an der Universität insgesamt.

Libraries Support Research in Germany

Unter dem Titel „Libraries Support Research in Germany“ fand ein weiteres deutsches Panel statt, das von Bettina Müller (Universitätsbibliothek Heidelberg), Matthias Harbeck (Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin) und Thomas Stäcker (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, künftig: Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt) bestritten wurde und sich vor allem auf die Förderung von Spitzenforschung und postgraduierter Forschung in deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken konzentrierte. Ein besonderer Schwerpunkt lag auf den neuen Fachinformationsdiensten (FID) und ihren Dienstleistungen vor dem Hintergrund des digitalen Wandels sowie auf besonderen Angeboten von Forschungsbibliotheken und den damit verbundenen Herausforderungen. Vermittelt wurden die Hintergründe und die Genese des Sondersammelgebietssystems, das seinerzeit von der DFG gefördert wurde, sowie der Paradigmenwechsel, den der Umstieg auf das System der FID mit dem Wandel vom eher vorsorgenden Bestandsaufbau zu einer dedizierten Serviceorientierung mit sich brachte. Die amerikanischen Kolleginnen und Kollegen erhielten einen Überblick über den derzeitigen Ausbaustand des Systems und seiner prospektiven Weiterentwicklung: Nach Evaluationen sollen Empfehlungen für die Zukunft des Systems im Sommer 2019 feststehen.

Mit Beispielen aus dem Dresdner und Heidelberger FID, der auf „ViFaArt -Virtuelle Fachbibliothek für Gegenwartskunst“ und „arthistoricum.net – Virtuelle Fachbibliothek Kunstgeschichte“ aufbauend 2014 der Fachinformationsdienst „Kunst, Fotografie, Design“ wurde und dem Berliner FID Sozial- und Kulturanthropologie wurden die jeweiligen Serviceportfolios und Workflows näher beleuchtet. Dargestellt wurden z.B. die drei Heidelberger Plattformen ART-Dok, e-Journals mit Open Journal Systems und ART-Books mit Open Monograph Press sowie das elaborierte Forschungsdatenmanagement beim FID Sozial- und Kulturanthropologie. Die in Deutschland kontrovers geführte Debatte, ob heterogene oder homogene Dienste im früheren Sondersammelgebiet (SSG), ob Projektstrukturen versus nachhaltige Infrastrukturen oder ob die Entwicklung von Diensten für spezifische Communities oder Angebote an alle Nutzer den Vorrang genießen sollen, kam als Folge der Transformation ebenso zur Sprache wie der Wechsel zu einer engmaschigeren Kommunikationskultur mit den jeweiligen Fachcommunities sowie die Vorteile eines eher dynamischen, auf Forschungstrends eingehenden Systems gegenüber einem eher statischen System, wie es durch die SSGs repräsentiert wurde. Mit Blick auf neue Services, die vor allem mit der Digitalisierung zusammenhängen, schloss das Panel, indem die Möglichkeiten angesprochen wurden, die sich aus der Retrodigitalisierung (Image- und Volltextdigitalisierung) und den neuen Methoden der Digital Humanities (digitale Edition, Textmining, etc.) ergeben und für die spezialisierte Bibliotheken derzeit attraktive Angebote entwickeln.

Aus dem mit ca. 30 Personen gut gefüllten Vortragsraum kamen interessierte Nachfragen, so u.a. nach den größten Problemen bei der Umstellung vom SSG auf FID oder, wie so oft, nach der Langzeitarchivierung von Forschungsdaten und digitalen Dokumenten. Auf beides gibt es naturgemäß keine einfache Antwort. Allgemein wurde als schwierig empfunden, einerseits die jeweilige FID-Community zu erreichen, zu informieren und einzubinden, andererseits steht mit Blick auf die Evaluation das ganze System der FID vor einer ungewissen Zukunft. Die Frage nach der Langzeitarchivierung führte zu einer anregenden Diskussion. Immerhin kann man heute davon ausgehen, dass für die bit stream preservation durch geeignete Prozesse der data curation gesorgt ist. Die Ebene der information preservation bleibt demgegenüber ein schwieriges Terrain.

Auch am Rande des Panels gab es verschiedene Gespräche, in denen sich amerikanische Kolleginnen und Kollegen über Deutschland informierten und auch nach Möglichkeiten erkundigten, das deutsche Bibliothekswesen näher kennenzulernen. Umgekehrt erhielten die deutschen Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch den Besuch verschiedener Veranstaltungen einen guten Einblick in das amerikanische Bibliothekssystem. Nachahmenswert schien u.a. das Vorhandensein von differenziert arbeitenden Fachrunden, deren Mitglieder sich in noch weit größerem Umfang als in Deutschland miteinander austauschen und Netzwerke bilden. Auch die vielfältigen Projekte zu dem derzeit in Deutschland angesichts der Entwicklung einer Nationalen Forschungsdateninfrastruktur heiß diskutierten Thema der Forschungsdaten verdienen weitere Beachtung, vgl. z.B. das Data Managment Planning Tool.3

Auf der Konferenz und darüber hinaus

Besuch beim Generalkonsul

Zum offiziellen Programm der deutschen Delegation gehörte am ersten Tag auch ein Besuch beim deutschen Generalkonsul Herbert Quelle in Chicago. Im Gespräch haben wir uns u.a. intensiv über Fragestellungen von öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliotheken in Deutschland ausgetauscht. Von besonderem Interesse war die Einschätzung des Generalkonsuls zur politischen Situation in den USA. Hierzu gab es vom Generalkonsul überraschend deutliche Worte zu den Schwierigkeiten im Umgang mit der Trump-Administration und den zu dem Zeitpunkt noch nicht stabilen politischen Strukturen in Washington.

International Librarians Orientation und International Librarians Reception

Am Freitag fand für die internationalen Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine Begrüßungs- und Einführungsveranstaltung zur Konferenz statt. Hier gab es einen Überblick über die Konferenz, Informationen zum Programm und Rahmenprogramm sowie viele Tipps, insbesondere für die erste Teilnahme an einer ALA-Jahreskonferenz. Informationen über Chicago und die Transportmöglichkeiten zum Konferenzort rundeten die Präsentationen ab. Erste Kontakte zu internationalen Teilnehmerinnen und Teilnehmern sowie Informationen zu den Herkunftsländern gab es bei der sehr vergnüglich organisierten Verlosung kleiner Präsente. Mit dieser Veranstaltung waren wir gut auf die anschließende Eröffnungsveranstaltung der Konferenz eingestimmt.

Die Abschlussveranstaltung für die internationalen Gäste der ALA-Konferenz fand in gelöster Atmosphäre im Wintergarten (Dachgeschoss) der Chicago Public Library statt. Die Vorsitzende der ALA, Julie Todaro, zeichnete innovative internationale Bibliotheksprojekte aus. Darunter war auch ein Projekt des Bibliotheksservices Friesland (Leeuwarden) aus den Niederlanden. Da die internationalen Gäste hier versammelt waren, boten sich viele Möglichkeiten, mit Kolleginnen und Kollegen aus Afrika, Asien und auch Europa ins Gespräch zu kommen und sich z.B. über die Konferenzerfahrungen auszutauschen.

Deutsche Delegation bei der Abschlussveranstaltung im Dachgarten der Chicago Public Library

Chicago

Neben der Teilnahme an der Konferenz gab es auch Gelegenheit Chicago zu erleben. Besonders faszinierend ist der Blick auf die Wolkenkratzer zu beiden Seiten des Chicago Rivers. In den engen Straßenschluchten lassen sich die Gebäude nicht so gut betrachten. Am Chicago River weitet sich der Blick dann auf die Hochhäuser verschiedener Bauperioden und gibt für architektonisch Interessierte einen Einblick in die Architekturgeschichte der Wolkenkratzer. In Chicago stößt man immer wieder auf das Jahr 1871, das Jahr des großen Stadtbrandes (Chicago Fire) und damit des Beginns des Aufbaus der sogenannten „Second City“. Am Ort des Feuerausbruchs steht heute die Chicago Fire Academy. Besonders beeindruckend ist der Blick auf die Skyline der Stadt vom Lake Michigan aus. Eine Bootsfahrt mit den Kolleginnen und Kollegen der Western European Studies Section der Association of College & Research Libraries bot hierzu eine gute Gelegenheit. Beindruckend war zudem ein Open-Air-Konzert im Millenium Park (Jay Pritzker Pavilion). Das Grant Park Orchestra spielte David Schiffs „Infernal“ und Igor Strawinskys „Feuervogel“ vor der grandiosen Wolkenkratzerkulisse.

Newberry Library

Ein besonderes Highlight war der Besuch der Newberry Library im Herzen von Chicago. Christopher Fletcher führt durch die Räumlichkeiten der altehrwürdigen Bibliothek. Die Newberry geht auf eine private Stiftung durch Walter L. Newberry zurück und wurde bereits 1887 eröffnet. Sie ist heute weltberühmt und besitzt als Research Library nicht nur ausgedehnte Altbestände und beeindruckend reiche Sondersammlungen wie Karten, Noten oder Handschriften, sondern unterhält auch ein umfangreiches Forschungsprogramm. Fletcher erläuterte kundig die spezialisierten Arbeitsbereiche wie z.B. das Center for Renaissance Studies oder das D’Arcy McNickle Center for American Indian and Indigenous Studies.

Besuch in der Newberry Library Chicago

Beeindruckend waren auch die alten, eine warme Aura ausstrahlenden Lesesäle und die umfangreichen Katalogangebote. Nachfragen zu Erwerbungspolitik, Personalsituation, konservatorischen Bedingungen, Digitalisierung und auch zur kritischen Situation, die sich aus der drohenden Schließung des National Endowment for the Humanities (NEH) – dem amerikanischen Äquivalent der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) – durch Trump abzeichnet, beantwortete Fletcher kompetent und ausführlich. Überraschend war, dass die Newberry beträchtliche Einnahmen aus der professionellen Vermietung von Räumen für Hochzeitsveranstaltungen erzielt. Einen weiteren besonderen Schwerpunkt bildet das Outreach-Programm der Bibliothek. Im Kellergeschoss finden gegen geringe Gebühren alle Arten von Forbildungs- oder Informationsveranstaltungen statt (vergleichbar etwa mit entsprechenden Angeboten von Volkshochschulen), die in der breiten Öffentlichkeit ebenso regen Anklang finden wie der regelmäßig stattfindende, das gesamte Erdgeschoss in Beschlag nehmende Bücherflohmarkt, dessen Erträge der Bibliothek zugutekommen.

Fazit

Mit über 1.800 Veranstaltungen war die diesjährige ALA-Jahreskonferenz in Chicago erheblich größer als der 106. Deutsche Bibliothekartag (DBT) in Frankfurt am Main. Ein weiterer Unterschied zum DBT waren zahlreiche kostenpflichtige Veranstaltungen (ticketed events), die nicht durch den Tagungsbeitrag abgedeckt waren und zusätzlich gebucht werden konnten. Im Vergleich zum DBT und zum Bibliothekskongress erwies sich die Annual Conference als eine Mischung aus DBT bzw. Bibliothekskongress und Buchmesse. Sogenannte „Author panels“ (Podiumsdiskussionen, Buchvorstellungen) waren gut besucht und führten zu langen Warteschlangen, wenn bekannte Autorinnen und Autoren ihre neuesten Bücher signierten. Diese Veranstaltungen tragen sicher ebenso zur Attraktivität der Jahreskonferenz bei wie die zahlreichen und vielfältigen Podiumsveranstaltungen. Laut Auskunft der ALA-Geschäftsstelle kommen die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer – wie beim DBT – aus wissenschaftlichen Bibliotheken. Allerdings würden auch viele Kolleginnen und Kollegen aus Schulbibliotheken teilnehmen. Im Vergleich zu unseren DBTs war der Anteil der Beiträge von öffentlichen Bibliotheken deutlich höher. Das Interesse an deutschen Bibliotheken und jüngsten Entwicklungen im deutschen Bibliotheks- und Hochschulwesen war erfreulich groß. Zahlreiche Gespräche im Rahmen der Panels und darüber hinaus machten deutlich, dass sich dies- und jenseits des Atlantiks vergleichbare Herausforderungen stellen, die finanziellen und organisatorischen Rahmenbedingungen jedoch oft sehr unterschiedlich sind. Dies gilt insbesondere auch für die Bibliotheken innerhalb der Vereinigten Staaten.

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/2017H3S113-121


1 „ALA Upcoming Annual Conferences & Midwinter Meetings,“ ALA, zuletzt geprüft am 17.08.2017, http://www.ala.org/conferencesevents/ala-upcoming-annual-conferences-midwinter-meetings.

2 „About ALA,“ ALA, zuletzt geprüft am 17.08.2017, http://www.ala.org/aboutala/.

3 „Data Management Planning Tool,“ zuletzt geprüft am 11.08.2017, https://dmptool.org/.