Wozu Open-Access-Transformationsverträge?

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat im Frühjahr 2017 eine Ausschreibung veröffentlicht, um „Open-Access-Transformationsverträge“ zu unterstützen. Anträge können bis Ende 2018 gestellt werden. Dieser Artikel erläutert den Inhalt der Ausschreibung, erklärt die Beweggründe für die Ausschreibung, diskutiert die Vor- und Nachteile dieses Instruments der Open-Access-Transformation und legt dar, inwiefern einzelne Bibliotheken in Deutschland die Transformation befördern können.

Das wissenschaftliche Publikationswesen befindet sich seit Jahrzehnten in der Transformation vom Druck hin zum elektronischen Modus, wobei inzwischen die digitale Publikation die Wissenschaftskommunikation in vielen Disziplinen dominiert. Open Access bedeutet, das Potential digitaler Technologie und elektronischen Publizierens – oder allen Publizierens, da es keinen Widerspruch zur parallelen Verbreitung von Druckprodukten darstellt, – auszuschöpfen. Das liegt im intrinsischen Interesse des wissenschaftlichen Diskurses, da so eine schnelle und unkomplizierte Verbreitung von Ergebnissen und ein unbeschränkter Zugriff auf relevante Information, oft verbunden mit einem zeitnahen Austausch über die Inhalte, möglich ist. Auch kann diese Information ausgewertet und weiterverbreitet sowie nachgenutzt werden. Urheberrechtliche Fragen sind dabei nicht direkt betroffen – vielmehr profitiert die Verfasserin oder der Verfasser sogar davon, die Verwertungsrechte behalten zu können und nicht an einen Verlag abtreten zu müssen. Die Autorin oder der Autor kann die Verwertungsmöglichkeiten selbst über die Vergabe von CC-Lizenzen regeln.

Open Access ist auch im Interesse der Gesellschaft, die ein Anrecht darauf hat, wissenschaftliche Erkenntnisse, deren Entstehungsgrundlagen sie mitfinanziert, ohne Beschränkungen zur Kenntnis nehmen zu können und für Entstehung der Ergebnisse und Zugang zu ihnen nicht mehrfach zahlen zu müssen. Open Access stärkt dadurch das Vertrauen in die Verfügbarkeit und Geltung wissenschaftlicher Erkenntnisse.

Wissenschaftliche Bibliotheken haben bei der Ausgestaltung des Open-Access-Publizierens eine zentrale Funktion inne, welche ihre Relevanz als Beförderer und Unterstützer von Forschung, Bildung und Kultur unterstreicht. Sie sind zentrale Agenten der Transformation, da sie bedeutende Finanzströme organisieren und sich mit ihrem Angebot und ihrem Auftrag als unabdingbare Ansprechpartner für die Forschung positionieren.

Letztlich ist Open Access lediglich ein anderes Finanzierungsmodell für Publikationen, wobei bestehende Finanzströme umgelenkt werden, um den Nutzen der Publikation von Forschungsergebnissen zu erhöhen. Dies kann über den Aufbau von Publikations- und Archivierungsinfrastrukturen in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft geschehen, aber auch über die Finanzierung von Publikationen bei kommerziell agierenden Verlagen. Die internationale Initiative OA2020, welche 2015 ins Leben gerufen wurde, versucht genau dieses. Sie hat errechnet, dass global momentan bis zu 5000 EUR für den Zugang über Subskriptionen pro Forschungsartikel gezahlt werden, eine Summe, die weit jenseits der für diese Dienstleistung realistischerweise anfallenden Kosten liegt – möglicherweise selbst dann, wenn man die Begutachtung miteinberechnen würde, welche heute zum großen Teil von der Wissenschaft umsonst und zusätzlich erbracht wird.1 Die Initiative ermöglicht es daher den Verlagen, dass diese ihre Prozesse umstellen und über Vertragskonstrukte hin zu einer Finanzierung der Publikationen im Open Access und der dafür nötigen Dienstleistungen gelangen. So sollen das aus Wissenschaftssicht anachronistische Subskriptionsmodell überwunden, die Gesamtkosten für das wissenschaftliche Publikationssystem, die in Deutschland fast ausschließlich von der öffentlichen Hand getragen werden, realistischer gefasst sowie die Publikationsdienstleistungen wissenschaftsadäquater ausgestaltet werden. Zugleich können renommierte Publikationsorte und bewährte Publikationsprozesse erhalten bleiben. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat die Expression of Interest dieser Initiative im März 2016 unterzeichnet.2

Inhalte und Ziele der Ausschreibung „Open-Access-Transformationsverträge“

Seit 2011 wird von den zuständigen Ausschüssen der Deutschen Forschungsgemeinschaft über eine Verbindung von Lizenz- und Open-Access-Modellen diskutiert. Bis 2017 wurde das sogenannte hybride Modell des Publizierens im Rahmen der Informationsinfrastrukturförderung nicht unterstützt. Dieses Modell beruht darauf, dass einzelne Artikel gegen die Zahlung von Artikelgebühren in ansonsten lizenzpflichtigen Zeitschriften frei zugänglich werden. Die Artikelgebühren für solche Zeitschriften sind in der Regel um einiges höher als diejenigen für rein goldene Zeitschriften, d.h. für solche Organe, in denen alle Artikel sofort beim Erscheinen frei zugänglich gemacht werden. Die Vermutung lag nahe, dass die Verlage über die hybriden Zeitschriften mehrfach kassieren, da bislang keine belastbaren Nachweise für die eindeutige und lokal erkennbare Reduktion von Subskriptionsgebühren erbracht wurden.

Die Ausschreibung „Open-Access-Transformationsverträge“ unterstützt nun solche Zeitschriften unter der Voraussetzung, dass alle Inhalte zügig und komplett in den Open Access überführt werden und die Kosten pro Artikel nicht diejenigen überschreiten, welche von der DFG im Rahmen des Aufbaus von Fonds zur Finanzierung goldener Open-Access-Artikelgebühren bereitgestellt werden. Perspektivisch sollen solche Open-Access-Transformationsverträge nur noch die für die Publikation anfallenden Kosten umfassen.

Ziel dieser Verträge muss es sein, dass diese Art der Transformation in den Open Access für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie für Bibliotheken und andere Einrichtungen der Informationsversorgung schnell und ohne Reibungsverluste oder Friktionen erfolgen kann. Daher sind einige Bedingungen für solche Verträge formuliert worden, welche aus Sicht der DFG-Ausschüsse eine wissenschaftsadäquate Gestaltung von solchen Vertragsmodellen ermöglichen. Dazu gehören letztlich neben Finanzierungsmechanismen auch Aspekte des Workflows: die Handhabung und Abwicklung solcher Verträge, welche jetzt noch neuartig sind, sollte einfach sein. Vom Vertrag erfasste Publikationen sollten ohne Tätigwerden der Verfasserinnen und Verfasser umgehend frei zugänglich gemacht werden. Dazu müssen die Verlage die Autorinnen und Autoren zuordnen können. Die Abrechnung muss artikelbasiert und maschinenlesbar sein. Die Artikel und Metadaten sollen automatisiert in Repositorien und Nachweissysteme eingespielt werden. Die Berichte über die Publikationen müssen für Einrichtungen transparent sein. Die Kosten pro Artikel sollen gemeldet werden können, so dass ein langfristiges Monitoring und ein Vergleich von Artikelgebühren ermöglicht wird. Konsortien können nach Abschluss und Abwicklung solcher Verträge auch Mittel einwerben, um diese zu evaluieren und zu bewerten, also um z.B. auch den Umsetzungsaufwand zu eruieren.

Damit nicht nur Konsortien und Verlage, sondern auch einzelne Bibliotheken und Zentren der Informationsversorgung sich auf die Erfordernis der Verwaltung und des Monitoring von Open-Access-Zahlungen einstellen und ihre eigenen Budgets koordinieren oder Prozesse anpassen können, ist es auch möglich, im Rahmen der Ausschreibung Workflow- und Fondsprojekte zu beantragen. Diese können, müssen aber nicht an die Strukturen von DFG-Open-Access-Publikationsfonds angebunden sein. Wichtig ist, dass keine komplexen und gedoppelten Strukturen entstehen und die Einrichtungen schlüssige und auch übertragbare Abläufe und Modellierungen entwickeln. In der Übergangsphase der Transformation müssen unterschiedliche Weichenstellungen erfolgen.3 Die Information und Beratung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern wird zukünftig eine noch wichtigere Aufgabe von Bibliotheken sein. Eine Kenntnis über die Gesamtkosten des Publizierens von ihren Angehörigen und der Literaturversorgung sollte jede Einrichtung anstreben, alleine schon, um solide Zahlengrundlagen für die konsortiale Teilnahme an Open-Access-Transformationsverträgen zu generieren. Letztlich wird es eine Aufgabe der Bibliotheken auch in einer transformierten Publikationswelt bleiben, Budgets für Publikationen zu verwalten und zu organisieren. An Bibliotheken werden momentan, d.h. während der Phase der Transformation, Publikationsfonds betrieben, institutionelle Mitgliedschaften bzw. OA-Rahmenverträge abgeschlossen und verwaltet, Erwerbungsbudgets bewirtschaftet, Verträge verhandelt und geschlossen, eine Umverteilung und Organisation von Mitteln im Austausch mit Fakultäten und Fachbereichsbibliotheken vorgenommen. All dies sollte stark koordiniert, zunehmend konsolidiert und mit wenig Aufwand, d.h. mit möglichst geringen Transaktionskosten, geschehen können. Dazu müssen Prozesse angepasst werden, welche nach der Phase der Transformation effizient vor allem der Bewirtschaftung von Publikationsmitteln dienen sollen.

Ob es zu dieser transformierten Publikationswelt über Verträge mit Verlagen kommt oder ob Open Access anderweitig erreicht wird, darüber entscheiden die Verlage mit.4 Open-Access-Transformationsverträge sind aus Sicht der DFG nur ein temporäres Instrument der Transformation. Sollten sie nicht funktionieren, muss ein Ausstieg wieder möglich sein und ein Kurswechsel auch unter zukünftig womöglich veränderten Bedingungen vorgenommen werden. Transformationsverträge sind nicht alternativlos.

Hintergrund und Beweggründe

In anderen Ländern werden seit mehreren Jahren „Offsetting-“ oder „Read and Publish-Verträge“ als Übergangsmodelle in sehr unterschiedlicher Ausprägung vereinbart. Verträge aus den Niederlanden sind unter dem dortigen Informationsfreiheitsgesetz auch öffentlich zugänglich.5

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft möchte mit dem Begriff „Transformationsvertrag“ verdeutlichen, dass Verträge, die Open Access- und Lizenzkosten verbinden, ein klares Ziel verfolgen sollen und nicht als langfristige Finanzierungsmodelle anzusehen sind. Im Wege der Transformation sollte, auch wenn die Kostenverteilung bei einzelnen Einrichtungen sich anders darstellen wird als das jetzt bei Lizenzabschlüssen der Fall ist, angesichts der global errechneten Kosten bei jeder Einrichtung eine Einsparung in der Gesamtsicht des Publikations- und Lizenzvolumens möglich sein.

Nationale Verhandlungen erleichtern den Abschluss von solchen Verträgen, insbesondere dann, wenn sie mit politischen Willensbekundungen in Richtung Open Access einhergehen. Der Rat der Europäischen Union hat 2016 ein Ziel vorgegeben6 und auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat 2016 eine Open-Access-Strategie veröffentlicht.7 Das ist nur folgerichtig und für die Wissenschaft erfreulich.8

In Deutschland werden im Rahmen des Projektes DEAL der Allianz der Wissenschaftsorganisationen Verträge mit Elsevier, Springer und Wiley verhandelt oder sollen künftig verhandelt werden. Auch diese Verhandlungen werden mit der Perspektive geführt, die Open-Access-Publikation als zentralen Vertragsfaktor zu etablieren.

Die Ausschreibung der Deutschen Forschungsgemeinschaft zielt flankierend dazu vor allem auf mittelgroße und Society-Verlage ab, auch, aber nicht nur auf solche Vertragspartner, mit denen Allianzlizenzen abgeschlossen wurden. Dabei ist es ein Ziel der Ausschreibung, eine Orientierung durch Standards für solche Verträge zu ermöglichen. Diese Standards sollen für Konsortien und für Verlage klare Richtlinien sein. Zugleich kann die Flexibilität für Verhandlungen erhalten bleiben, da unterschiedliche Vertragsmodelle für unterschiedliche Kontexte nötig sein können. Allerdings sind mit der Ausschreibung manche Rahmenbedingungen benannt, die für alle Verträge gelten sollen. Insbesondere ist es weder der Erhöhung der Anzahl von Open-Access-Artikeln noch für Administration und Überprüfung der Vertragserfüllung dienlich, wenn einzelne Zeitschriften aus einem Portfolio für die Open-Access-Publikation ausgenommen werden. Zum einen wird damit „double dipping“ ermöglicht. Zum anderen ist es in der Übergangsphase für die Einrichtungen relevant, zu erkennen, in welchen Zeitschriften überhaupt publiziert wird. Erste Auswertungen von „Open access big deals“ zeigen, dass ähnlich wie bei der Nutzung von Titeln auch bei der Publikation ein „long tail“ an solchen Zeitschriften existiert, die weniger relevant für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind. Das Prinzip von Open-Access-Transformationsverträgen sollte sein, dass alle Publikationen, die an an Verträgen beteiligten Einrichtungen entstehen, im Open Access erscheinen können. Begründete Ausnahmen − sowohl hinsichtlich des Ausschlusses einzelner Zeitschriften als auch hinsichtlich der Publikation einzelner Artikel – können möglich, sollten aber nicht die Regel sein. Nicht möglich ist es hingegen, über die Ausschreibung Verträge einzureichen, welche z.B. Gutscheinmodelle (voucher) für Artikelgebühren enthalten. Sinn der Verträge ist es, den Open-Access-Anteil in Zeitschriften erheblich zu steigern, um die Basis für die komplette Transformation der Zeitschriften nachhaltig zu gewährleisten.

Letztlich gehen mit der Transformation viele unterschiedliche Herausforderungen einher. Die Ausschreibung dient auch dazu, Erfahrungen sammeln zu können und eine Evidenzbasierung für zukünftige Entscheidungen an einzelnen Einrichtungen, aber auch bezüglich der zukünftigen Ausgestaltung der Förderung von Open Access durch die DFG, zu ermöglichen.

Einwände, Vorwände und Aufwände

Es gibt an diesem Instrument der Open-Access-Transformation berechtigte und sowohl theoretische als auch praktische Kritik aus unterschiedlichen Perspektiven.

Von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie von manchen Expertinnen und Experten aus dem Bibliotheksbereich wird z.B. der Einwand geäußert, dass mit solchen Verträgen die grundsätzlichen Publikationsstrukturen, welche zur Zeitschriftenkrise, d.h. zu Verlagsoligopolen und zu überdimensionalen Preissteigerungen geführt haben, aufrecht erhalten bleiben und dass sie auch im Open Access-Bereich zu Problemen wie der unkontrollierbaren Erhöhung von Preisen führen. Zugleich befürchten einige Diskussionsbeiträge eine Behinderung bei der Entwicklung neuer Publikationsformate jenseits des klassischen Artikels, sehen die Monopolisierung und Kommerzialisierung von Zitations- und Nutzungsdaten skeptisch und erwarten eine Beschränkung des Wettbewerbs für Open-Access-Publikationsdienstleistungen durch die Dominanz weniger Verlage. Sie fordern eine Abkehr von diesem System und strukturell andere Rahmenbedingungen für das Publikationswesen,9 z.B. die Errichtung öffentlich finanzierter Publikationsstrukturen und darauf aufbauender Dienstleistungen, auf europäischer10 oder institutioneller Ebene11. Der Vorteil davon wäre auch die Hoheit über die im Kontext von Publikation und Rezeption anfallenden Daten.

Aus Sicht von Bibliotheken und Konsortien gibt es praktische Probleme bei der Vorbereitung und Abwicklung von Verträgen, die nicht zuletzt auch aus der Evaluation erster Erfahrungen in Großbritannien12 deutlich geworden sind. Sie scheinen aber nicht absolut unüberwindbar und sind im Verhältnis zu den Chancen der Verträge zu sehen.13 Entscheidend ist die Gewährleistung von Transparenz während der Übergangsphase, d.h. dass Bedingungen und Kosten der Publikation nachvollziehbar und vergleichbar werden sollen. Entscheidend ist es auch, dass Einrichtungen nicht über Gebühr mit Verwaltungsaufgaben belastet werden, die als Service von Verlagen zu erwarten sind.

Manche Verlage hingegen haben mit der Unsicherheit während der Transformationsphase sowie mit praktischen und organisatorischen Herausforderungen zu kämpfen. Grundsätzlich sollte jeder kommerziell agierende Akteur ebenso wie ein akademisch geprägter Verlag in der Lage sein, seine Produkte und Produktionsweisen an die Anforderungen der Kunden anzupassen. Ein Aspekt der Forderung nach Open Access ist die Korrektur einer bestehenden Schieflage am Markt – nicht auf Kosten von Qualität oder Seriosität der Publikationsprozesse – hin zu einem nutzerorientierten Markt, der durch Wettbewerb sehr gute Dienstleistungen für adäquate Vergütung hervorbringt. Sinn der Forderung ist nicht die Verstärkung von Konzentrationsprozessen oder das Scheitern von Verlagen. Allerdings gilt es, sehr genau darauf zu achten, ob Verlage Vorwände vorbringen und damit auch ihre Glaubwürdigkeit als Partner der Wissenschaft untergraben oder ob Punkte adressiert werden, deren Lösung im Rahmen wissenschaftsfreundlicher Kooperation herbeigeführt werden kann. Solche Lösungen werden mit der Ausschreibung ermöglicht und befördert.

Neue Aufwände sind mit jedem Wandlungsprozess verbunden. Seit Jahren lässt sich jedoch beobachten, dass Arbeiten, die traditionell von Verlagen wahrgenommen worden sind, auf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler übergehen – z.B. die Formatierung von Artikeln oder das Lektorat. Andere Aufgaben wurden schon immer von der Wissenschaft erledigt und durch Verlage nur koordiniert – z.B. die Begutachtung. Mit den big deals sind zudem viele Organisations- und Verwaltungsaufgaben auf Einrichtungen der Informationsversorgung ausgelagert worden – von der Administration von Titeln und der Nutzungsübersicht bis hin zur Notwendigkeit, interne Finanzierungsumlagen für die Beteiligung z.B. von Fakultäten zu erarbeiten, zu kommunizieren und umzusetzen. Im Kontext der Transformation sollte darauf geachtet werden, dass die Transaktionskosten für die Vertragsadministration, die in der Regel gar nicht separat erhoben werden, an den Einrichtungen gering bleiben. Daher sind im Rahmen der DFG-Ausschreibung nicht nur Abwicklungsaspekte in die Bedingungen für Transformationsverträge aufgenommen worden, da solche auch immer stärker vertraglich geregelt werden müssen. Es wird zudem mit der Ausschreibung die Möglichkeit eröffnet, dass zentrale Informationseinrichtungen oder Bibliotheken bzw. Universitäten ihre Prozesse überprüfen und anpassen können, nicht nur um Daten zu Open-Access-Publikationen aus ihren Einrichtungen zu erheben, sondern auch, um die Finanzierung der Publikationen möglichst einfach zu gestalten. Dabei ist es sicherlich sinnvoll, auch Modelle der Autorenbeteiligung oder der Zusammenführung und Zentralisierung von Budgets für die Publikation und Literaturversorgung zu entwickeln, die in einer transformierten Welt langfristig effizient zu bewirtschaften wären. Gerade für forschungsstarke Universitäten hat eine wichtige Studie14 nachgewiesen, dass unterschiedliche Mittel für die Finanzierung von Artikelgebühren herangezogen werden sollten – und dass es zugleich für die Marktentwicklung günstig ist, wenn Autorinnen und Autoren über die Mittelverausgabung im Rahmen der Publikation mitentscheiden, wie sie in anderen Bereichen der Forschung auch über Investitionen entscheiden.

Die DFG ist sich im Klaren darüber, dass mit der Transformationsinitiative neben den generellen Kritikpunkten auch spezifische Risiken verbunden sind. Der Publikationsoutput Deutschlands liegt bei unter 10 % des globalen Outputs. Selbst wenn alle Artikel im Open Access erscheinen, reicht das nicht unbedingt, um Zeitschriften komplett umzustellen. Hier ist globale Abstimmung und konzertiertes Handeln gefragt, das im Rahmen von OA2020 aktiv befördert wird und auch schon über andere Foren wie den Global Research Council oder Science Europe organisiert worden ist. Spezielle Risiken sind zudem mit der Ausschreibung verbunden. Möglich ist, dass Verlage erst gar nicht bereit sind, solche Verträge zu verhandeln. Es ist auch möglich, dass einzelne Bibliotheken diese Verträge als unvorteilhaft ansehen, wenn ihre Kosten über das jetzige Maß steigen. Dafür sollten Umverteilungsmechanismen entwickelt werden, was sicherlich eine der großen Herausforderungen darstellt. Allerdings befinden sich nach ersten Abschätzungen genug Mittel im Gesamtsystem in Deutschland, so dass auch forschungsstarke Einrichtungen nicht vor der Umstellung der Finanzierungswege zurückschrecken müssen.

In erster Linie muss es nun darum gehen, dass nach der ersten Testphase solcher Verträge, vornehmlich im Ausland, eindeutige Standards und klare Signale aus der Wissenschaft und von den Konsortien heraus erfolgen, wie Transformationsverträge gestaltet werden sollen. Aus Sicht der DFG übersteigen daher die Chancen die Risiken. Selbst die Tatsache, dass keine Anträge eingehen oder bewilligt werden, würde zur Evidenzschaffung beitragen und wäre ein Signal für die Gremien, die zukünftig mit der Ausgestaltung der Förderung von Open Access beschäftigt sein werden. Im Rahmen der Transformation sollen letztlich Mittel umgeschichtet und freigesetzt werden, die auch in andere Open-Access-Modelle investiert werden können, so z.B. in kooperative Finanzierungsmodelle, die z.B. im Bereich der Geisteswissenschaften stärker verfolgt werden, in den Ausbau einschlägiger Preprintserver oder Repositorien oder die Etablierung von Zeitschriften in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft.

Es ist daher keineswegs intendiert, dass andere Modelle des Open Access durch die Transformation über Transformationsverträge behindert werden. Die DFG bietet auch gegenwärtig die Förderung für den goldenen Weg („Open Access Publizieren“) und den grünen Weg an und nimmt Projekte unterschiedlichster, auch experimenteller Art für die Ausgestaltung von Open Access im Programm „Infrastruktur für elektronische Publikationen und digitale Wissenschaftskommunikation“ entgegen. Daher wird die Open-Access-Transformation auch grundsätzlich begrifflich nicht auf die Transformation der bestehenden Zeitschriftenorgane eingeschränkt, sondern umfassend als Transformation des gesamten Publikationswesens mit allen dazugehörigen Aspekten wie dem Wandel von Mentalitäten und Verhaltensweisen, von Prozessen und Abläufen, von Geschäftsmodellen und Finanzierungsmodellen, von Formaten und Inhalten konzipiert, die für alle Disziplinen mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen relevant sein kann.

Chancen für einzelne Einrichtungen

Zentrale Einrichtungen der Literaturversorgung können über die Ausschreibung „Open-Access-Transformationsverträge“ nicht nur Projekte zur modellhaften Anpassung von Prozessen einwerben, um ihre Strukturen an die Erfordernisse der Open-Access-Finanzierung anzupassen und grundsätzlich übertragbare Abläufe oder Budgetmodellierungen zu entwickeln. Sie können, neben der Teilnahme an Verträgen, auch in vielfältiger Weise die Transformationsinitiative insgesamt befördern.

In Deutschland ist Anfang des Jahres 2017 ein Nationaler Open-Access-Kontaktpunkt OA2020.de (NOAK) durch die Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen etabliert worden. Der Kontaktpunkt hat nicht zuletzt auch die Aufgabe, Datengrundlagen für Verhandlungen zu schaffen. Ziel ist dabei, dass Verlagsdaten, die oftmals uneinheitlich oder gar nicht vorliegen, über eine Datenhaltung von Seiten der Institutionen verglichen werden und überprüfbar gemacht werden. Im Rahmen der Ausschreibung sind die Konsortialführer gebeten, in Kontakt mit dem Kontaktpunkt zu treten.15 Auch einzelne Einrichtungen können bei der Erhebung von Publikations- und Kostendaten in Verbindung mit dem NOAK treten. Hilfreich für einzelne Einrichtungen aber auch für das Gesamtsystem dürfte es zudem sein, wenn Einrichtungen ihre Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dahingehend beraten, standardisierte Identifier einzusetzen, z.B. ORCID.16 Zahlungen für Artikelgebühren sollten von den mittelzahlenden Einrichtungen an OpenAPC gemeldet werden, um ein möglichst vollständiges Bild der Kosten zu erhalten.17 Die Konsolidierung von Informationen auch zu Lizenzen und zu Nutzungsstatistiken ist zudem hilfreich und sollte vornehmlich auf der Ebene der Konsortien zusammen mit dem NOAK vorgenommen werden. Im Endeffekt profitieren alle Einrichtungen von vollständig vorliegenden Publikations-, Kosten- und Nutzungsdaten.

Neue Rolle für Fördereinrichtungen

Im Rahmen der Open-Access-Transformation müssen nicht nur Bibliotheken und Verlage ihre Rollen neu justieren und Aufgaben und Prozesse so gestalten, dass sie effizient ineinandergreifen. Auch einzelne Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden ein gesteigertes Bewusstsein dafür entwickeln, was für sie eine gute Publikationsdienstleistung darstellt, wieviel dafür gezahlt werden sollte und wie sie die Bestimmungsgewalt über ihre Verwertungsrechte er- bzw. behalten können. Schließlich müssen auch Fördereinrichtungen ihre Rolle im Gesamtsystem neu definieren. Sie sind nicht nur Zusatz- und Anschubfinanzierende, sondern müssen zunehmend Methoden entwickeln, um vorhandene Finanzströme zu lenken und um Preissteigerungen zu begegnen. Dabei wird die Kostenermittlung für das Publizieren und die Gewährleistung von Kostentransparenz von zentraler Bedeutung sein. Förderer müssen verstärkt zu Standardisierungen in verschiedenen Teilbereichen der Informationsinfrastruktur und zur Teilnahme an gemeinschaftlich getragenen Initiativen, die mit Fördermitteln entstanden und aus Sicht der Einrichtungen erhaltenswert sind, aufrufen. Dabei geht es auch darum, die Erfordernisse wissenschaftsfreundlicher Prozesse zu verdeutlichen. Sie müssen weiterhin ihre Programmentwicklungen und Richtlinien so ausrichten, dass das Gesamtsystem der Informationsinfrastrukturen nutzernah ausgestaltet wird und zugleich keine strukturell nachteiligen Effekte entstehen. Sie müssen die Orientierung an der Einzelpublikation stärken und die Abhängigkeit der wissenschaftlichen Bewertung von externalisierten Kriterien hinterfragen. Und sie müssen verstärkt kooperieren, denn die Open-Access-Transformation ist eine internationale Angelegenheit, die kein Land alleine wird bewältigen können.

Informationen zur Ausschreibung:

http://www.dfg.de/foerderung/programme/infrastruktur/lis/lis_foerderangebote/transformationsvertraege/

Angela Holzer, Deutsche Forschungsgemeinschaft

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/2017H2S87-95


1 Ralf Schimmer, Kai Karin Geschuhn und Andreas Vogler, „Disrupting the Subscription Journals’ Business Model for the Necessary Large-Scale Transformation to Open Access” (2015), http://doi.org/10.17617/1.3.

2 „Expression of Interest in the Large-Scale Implementation of Open Access to Scholarly Journals,” zuletzt geprüft am 09.05.2017, https://oa2020.org/mission/.

3 Kai Geschuhn und Dirk Pieper: „Wandel aktiv gestalten: Das Projekt INTACT – Transparente Infrastruktur für Open-Access-Publikationsgebühren,“ in Der Schritt zurück als Schritt nach vorn: Macht der Siegeszug des Open Access Bibliotheken arbeitslos? 7. Konferenz der Zentralbibliothek, Forschungszentrum Jülich; WissKom 2016; 14. – 16. Juni 2016; Proceedingsband, hrsg. Bernhard Mittermaier (Forschungszentrum Jülich GmbH Zentralbibliothek, Verlag Jülich, 2016), 47-69, zuletzt geprüft am 09.05.2017, http://juser.fz-juelich.de/record/810598/files/1.3_Geschuhn_Contribution_WissKom_2016.pdf.

4 David Matthews, „Open Access Campaigners Toughen Stance Towards Publishers,” Times Higher Education, 27. März 2017, zuletzt geprüft am 11.04.2017, https://www.timeshighereducation.com/news/open-access-campaigners-toughen-stance-towards-publishers.

6 Rat der Europäischen Union, „Der Übergang zu einem System der offenen Wissenschaft – Schlussfolgerungen des Rates (angenommen am 27.5.2016),“ zuletzt geprüft am 09.05.2017, http://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-9526-2016-INIT/de/pdf.

7 Bundesministerium für Bildung und Forschung, „Open Access in Deutschland. Die Strategie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung,“ zuletzt geprüft am 09.05.2017, https://www.bmbf.de/pub/Open_Access_in_Deutschland.pdf.

8 Allianz der Wissenschaftsorganisationen, „Zur Open Access-Strategie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung,“ Stellungnahme, 13. Oktober 2016, zuletzt geprüft am 11.04.2017, http://www.allianzinitiative.de/fileadmin/user_upload/www.allianzinitiative.de/user_upload/Allianz_PosPapier_OA_BMBF_dt.pdf Siehe auch die „Siggenthesen“: „Siggener Thesen zum wissenschaftlichen Publizieren im digitalen Zeitalter,“ Merkur, 24.10.2016, zuletzt geprüft am 11.04.2017, https://www.merkur-zeitschrift.de/2016/10/24/siggenthesen/#comment-939.

9 Björn Brembs, „How Gold Open Access May Make Things Worse,” björn.brembs.blog (Blog), 07. April 2016, zuletzt geprüft am 04.04.2017, http://bjoern.brembs.net/2016/04/how-gold-open-access-may-make-things-worse/; Björn Brembs, „Please Address These Concerns Before We Can Accept Your OA Proposal,” björn.brembs.blog (Blog), 22. März 2017, zuletzt geprüft am 04.04.2017, http://bjoern.brembs.net/2017/03/please-address-these-concerns-before-we-can-accept-your-oa-proposal/.

10 Benedikt Fecher, Sascha Friesike, Isabella Peters und Gert G. Wagner, „Rather Than Simply Moving from ‘Paying to Read’ to “Paying to Publish”, It’s Time for a European Open Access Platform,” LSE Impact Blog (Blog), 10. April 2017, zuletzt geprüft am 11.04.2017, http://blogs.lse.ac.uk/impactofsocialsciences/2017/04/10/rather-than-simply-moving-from-paying-to-read-to-paying-to-publish-its-time-for-a-european-open-access-platform/.

11 Lucio, „Convert University Libraries into Institutional Publishers,” Medicine, Freedom, Knowledge (Blog), 5. März 2017, zuletzt geprüft am 11.04.2017, http://medifreeknow.blogspot.de/2017/03/convert-university-libraries-into.html.

12 Stuart Lawson, „Report on Offset Agreements: Evaluating Current Jisc Collections Deals,” 24.10.2016, zuletzt geprüft am 11.4.2017, https://s3-eu-west-1.amazonaws.com/pfigshare-u-files/6517506/offsettingreport.pdf; Mafalda Marques, „Springer Compact Agreement: First Year Evaluation,” Jisc scholarly communications (Blog), 6. März 2017, zuletzt geprüft am 11.4.2017, https://scholarlycommunications.jiscinvolve.org/wp/2017/03/06/compact-agreement-first-year-evaluation/.

13 Liam Earney, „Offsetting and Its Discontents: Challenges and Opportunities of Open Access Offsetting Agreements”, Insights 30, Nr. 1 (2017): 11–24, http://doi.org/10.1629/uksg.345.

14 „UC Pay It Forward Project,” zuletzt geprüft am 11.4.2017, http://icis.ucdavis.edu/?page_id=286.

15 Ansprechpartner aus der Projektgruppe Nationaler Open-Access-Kontaktpunkt OA2020.de sind Dirk Pieper, Bielefeld (Vorsitz), und Dr. Bernhard Mittermaier, Jülich (Stellvertretender Vorsitz). Weitere Informationen sind erhältlich z.B. unter: Dirk Pieper, „Nationaler Open-Access-Kontaktpunkt“ (Vortrag auf dem Kolloquium Wissensinfrastruktur, Bielefeld, 05.05.2017), zuletzt geprüft am 16.05.2017, https://www.ub.uni-bielefeld.de/biblio/events/kwi/. Siehe auch: Bernhard Mittermaier, „OA2020-DE: Country Report Germany“ (Vortrag auf der B13 Conference, Berlin, 21.03.2017), zuletzt geprüft am 16.05.2017, https://oa2020.org/wp-content/uploads/pdfs/B13_Bernhard_Mittermaier.pdf.

16 S. auch das DFG-geförderte Projekt ORCID DE: http://www.orcid-de.org/projekt/.