BIPARCOURS am Berufskolleg

Einführung in die Bibliotheksbenutzung mit App & Co.

Julia Rittel, Fachstelle für Öffentliche Bibliotheken NRW, Bezirksregierung Düsseldorf

Zusammenfassung:

„Smartphones in der Schule sind ausgesprochen lästig“, finden viele Unterrichtende. „Wozu in die Bibliothek? - Ich hab doch Google immer dabei“, denken hingegen viele Lernende (und heimlich auch immer mehr Lehrende). Lassen sich die vorhandenen Geräte und Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler auch didaktisch sinnvoll einsetzen? Was sollte man bei der Planung von Unterrichtsvorhaben mit mobilen Endgeräten beachten? Wie können Bibliotheken mit BYOD-Konzepten konkret arbeiten und sich profilieren? In dem Aufsatz werden diese Fragen theoretisch und praktisch am Beispiel einer Einführung in die Benutzung einer Schulbibliothek mit der App BIPARCOURS/Actionbound untersucht.

Summary:

“Smartphones in school are a nuisance” according to most teaching staff. “Why go to the library? - I always have Google at the tip of my fingers”, is what many students (and - secretly - increasing numbers of teachers) think. Is it possible to utilize the students’ existing devices and competencies in a didactically meaningful way? What do we need to consider when we want to incorporate mobile devices into lesson plans? How can libraries work with BYOD concepts and raise their profile in doing so? The article discusses the theory and practice of these questions based on the exemplary introduction to the use of a school library with the app BIPARCOURS/Actionbound.

Zitierfähiger Link (DOI): http://dx.doi.org/10.5282/o-bib/2016H4S83-96
Autorenidentifikation: Rittel, Julia: GND 1115674102
Schlagwörter:
Bibliothekseinführung; App

Einführung

„Die schönste Schulbibliothek verwaist, wenn die Schüler nicht systematisch mit ihrer Nutzung und den daraus resultierenden Möglichkeiten für den Aufbau und die Festigung ihrer Lesekompetenz vertraut sind. Es ist Aufgabe des Schulbibliothekars, Schüler einerseits in ihrer Entwicklung zum Rechercheprofi zu begleiten und zu stützen, ihnen mit gezielten Übungen das Auffinden von Informationen zu erleichtern, andererseits ihre Freude an der Bibliotheksnutzung zu wecken und auszubauen.“1

Schulbibliothekar/innen arbeiten an der Schnittstelle zwischen Medien-Verwaltung und -Services, technischem Support und Lehre. Ich war zwölf Jahre lang als Leiterin der Mediothek an einem Berufskolleg in Nordrhein-Westfalen beschäftigt und sah es als meine Aufgabe an, zur Erweiterung der Informationskompetenz unserer Schüler/innen beizutragen. Das begann damit, dass ich alle Schüler/innen am Anfang ihrer Schulzeit mit den Angeboten der Schulmediothek und dem Personal vertraut machen wollte. Das ist aus meiner Sicht die Basis, auf der dann alles Weitere aufbauen kann. Ein großer Kraftakt bei bis zu 1000 neuen Schülern/innen jährlich und mir als einziger fest angestellter Fachkraft. Ich versuchte dabei laufend, diese Aufgabe organisatorisch und didaktisch zu optimieren. Schon lange stellte ich außerdem fest, dass ich als Bibliothekarin schnell eine hohe fachliche Autorität bei der Zielgruppe der jungen Erwachsenen gewann, sobald klar wurde, dass ich souverän mit „Neuen Medien“ umgehen kann. Deshalb lag die Idee nahe, die unterrichtlichen Aktivitäten mit verstärktem Medieneinsatz zu verbinden und daraus eine Projektarbeit im Rahmen meines Mediendidaktikstudiums „Educational Media“ am Learning Lab der Universität Duisburg-Essen zu machen. Anfang 2015 erfolgte außerdem eine Anfrage der Medienberatung Nordrhein-Westfalen, die Pilotprojekte für eine in der Entwicklung befindliche App für Bildungs-Rallyes suchte und im Gegenzug Beratung bei der Entwicklung einer Rallye anbot. Ich erhoffte mir von einem solchen Projekt Erkenntnisse zu weiteren BYOD-Unterrichtsideen („Bring your own device“) für mich und die Schule. Deshalb entschied ich mich für die Nutzung der App BIPARCOURS/Actionbound zur Umsetzung einer mediengestützten Einführung in die Bibliotheksbenutzung für neue Schüler/innen am Berufskolleg.

Aspekte der Gestaltung eines (mediengestützten) Bildungsangebots

Vor der Umsetzung eines solchen Bildungsangebots sind eine sorgfältige Analyse des Vorhandenen und Gewünschten und eine gute Planung unerlässlich. Sie sollten sich mindestens auf folgende Aspekte beziehen:

1. Ziel des Angebots

2. Zielgruppen

3. Marktanalyse

4. Vorhandene Ressourcen

5. Lehr-/Lernzielbestimmung

6. Effekte des Lernens mit Medien

7. Umsetzung

8. Organisations- und Zeitplan

9. Potenzialanalyse

1. Bildungsanliegen und Ziel

Mögliche Ziele des Einsatzes von digitalen Medien für Unterrichtsangebote können z. B. sein: Imagepflege, Arbeitserleichterung, Ressourcenschonung, Feedback. Im Folgenden erläutere ich die konkreten Erwartungen an die App-Rallye am Berufskolleg.

Das Bildungsanliegen der geplanten Rallye war zunächst die Einführung in die Benutzung der Schulmediothek des Berufskollegs Bonn-Duisdorf für ca. 40 neue Klassen jährlich, die zwingend in den ersten Wochen jedes Schuljahres notwendig ist, damit die Mediothek danach sowohl individuell als auch in Gruppen oder Klassen sinnvoll genutzt werden kann.

Das Hauptziel dieser Einführungen ist es, die konkrete Mediothek vor Ort – perspektivisch auch Bibliotheken allgemein – als angenehmen und hilfreichen Ort wahrzunehmen, das Personal kennenzulernen und Hemmschwellen bei der Benutzung der Institution Bibliothek abzubauen. Aber auch grundlegende Benutzungsregeln und ihr Sinn sollen gebündelt vermittelt werden, damit sie nicht jeder/m Lernenden einzeln erklärt und immer wieder neu diskutiert werden müssen. Zudem sollen die Lernenden einen (möglichst positiven) ersten Eindruck vom Bestands- und Serviceangebot bekommen. Weiterführende Ziele sind die Erklärung der Aufstellung und Systematik und die Erweiterung von Recherchekompetenzen.

Bisher wurden diese Einführungen durch mich als Bibliothekarin in einer relativ „klassischen“ Unterrichtsform durchgeführt: in einem Wechsel aus dialogischen Vorträgen mit PowerPoint in der Aula (die in der Nähe der Mediothek liegt) und explorativen Teilen, in denen in Kleingruppen mit Hilfe von kopierten Arbeitsblättern die Mediothek anhand von Aufgaben selbst erkundet werden sollte. Die Grenzen des bisherigen Verfahrens lagen unter anderem in dem eng begrenzten Zeitrahmen von sechs bis sieben Wochen vor den Herbstferien, in dem alles stattfinden musste. Die sehr kontaktintensive und dadurch anstrengende Realisierung hing von einer einzigen Person ab. Deshalb wurde oft nur ein Teil des eigentlich wünschenswerten Programms durchgeführt.

Da die Stundenpläne von 40 Klassen und ihren Fachlehrer/inne/n koordiniert werden mussten, entstand ein hoher Organisationsaufwand. Die Fachlehrer/innen hatten wenig terminliche Flexibilität und kaum Möglichkeiten, die Einführungsteile zu einem Zeitpunkt durchzuführen, an dem sie inhaltlich besonders gut passten. Ein weiteres Problem war, dass eine Rückmeldung und Sicherung der Schülerergebnisse aus den explorativen Teilen der Einführung nur punktuell stattfinden konnte. Eine Korrektur und individuelle Erfolgskontrolle ist bei 1000 Schüler/inne/n nicht leistbar. Zudem war der sonstige Ressourcenverbrauch hoch: Für die Arbeitsblätter mussten jährlich bis zu 2000 Kopien gemacht werden. Die von der ganzen Schule für viele Zwecke benötigte Aula (in der Mediothek können die Vorträge aus technischen Gründen nicht stattfinden) wurde in den ersten Wochen des Schuljahres über 50 Schulstunden durch die Einführungen belegt. Dadurch entstanden immer wieder Interessenskonflikte bei der Raumbelegung, was die Terminflexibilität wiederum weiter einschränkte.

In diese Situation kam die Anfrage der Medienberatung des Landes Nordrhein-Westfalen, die 2015 eine App speziell für Bildungs-Rallyes entwickeln und verbreiten wollte und dafür noch Pilot-Projektpartner suchte, die die App testen und erste Best-Practice-Gestaltungsbeispiele erstellen sollten. Die Medienberatung fördert institutionell sogenannte Bildungspartnerschaften zwischen Schulen und anderen öffentlichen Institutionen wie Bibliotheken, Museen, Musikschulen etc. und sucht immer wieder neue Möglichkeiten, wie sich diese Kooperationen bereichern lassen. Als Veröffentlichungstermin für die App war das Frühjahr 2015 angepeilt. Die App „BIPARCOURS“ ist allerdings keine komplette Neuentwicklung des Landes, sondern eine Weiterentwicklung und Lizenzierung der bereits verbreiteten App „Actionbound“, die ursprünglich für Geocaching entwickelt wurde und bereits für vielfältige Rallyes – auch zu Bildungszwecken – eingesetzt wird. Die App lässt sich mit unterschiedlichen Inhalten, Such- und Antwortvarianten gestalten.

Im (Schul-)Bibliothekswesen in Deutschland gibt es derzeit einen breiten Diskurs, wie sich Bibliotheken noch stärker mit medienpädagogischen Angeboten profilieren können. Auch die erste Buchveröffentlichung speziell zum Thema „Gaming und Bibliotheken“ im Jahr 2014 mag das belegen.2 Die Überlegungen des Social-Media-Beraters Christoph Deeg beschreiben gut, was auch mir bei meiner Projektidee vorschwebte: „Sie müssen auch nicht sofort das ultimative Spiel bauen und natürlich sollen Sie auch weiterhin Ansprechpartner in der realen Welt sein. Und doch können Sie mit solchen Angeboten sehr viel erreichen. Zum einen haben Sie damit neue spannende Angebote erschaffen – und Sie müssen die App nicht selber programmieren. Sie ist ja schon da. Zum anderen lernen Sie als Bibliothek, wie man mobile Angebote wie Apps nutzt und wie man zudem daraus ein Spiel kreiert. Schließlich werden Sie zu einem Innovationsträger in Ihrem Umfeld und Sie sorgen dafür, dass die Menschen Sie als eine Institution wahrnehmen, die sehr viel mehr kann als Medien verleihen, Leseförderung und Co.“3

2. Zielgruppen am Berufskolleg

Die Zielgruppen am Berufskolleg in Nordrhein-Westfalen sind sehr heterogen: es gibt immer sowohl Berufsschüler, die im dualen Ausbildungssystem in Teilzeit (meist 2 Tage pro Woche) die Schule besuchen, als auch Vollzeit-Bildungsgänge, in denen Schüler/innen ihren bisher vorhandenen Schulabschluss erweitern können (z. B. Wirtschaftsgymnasium). Außerdem werden Jugendliche im Förderbereich beschult, die keinen Schulabschluss oder keine Ausbildungsstelle haben. Daneben gibt es auch noch ältere Erwachsene, die umgeschult werden, weil sie aus verschiedenen Gründen ihren bisherigen Beruf nicht mehr ausüben können, und die Fachschule, ein nebenberufliches Studium für berufserfahrene Aufstiegsaspiranten. Das Berufskolleg Bonn-Duisdorf hat zwei Fachrichtungen: kaufmännische und agrarwirtschaftliche Bildungsgänge, die sich in ihrer Schülerschaft erheblich unterscheiden. Die kaufmännische Berufsschule ist dabei deutlich größer, so dass die unten skizzierte Persona eher einer typischen Schülerin im kaufmännischen Bereich entspricht. Die agrarwirtschaftlichen Berufsschulklassen sind teilweise sehr groß und extrem heterogen, was die vorherigen Bildungsabschlüsse angeht. Hier ist deshalb keine „typische Schülerpersönlichkeit“ festzumachen.

Die typische Schülerin ist am Beginn ihrer Schulzeit am Berufskolleg 16-18 Jahre alt, hat eine Realschule besucht und abgeschlossen, stammt aus einer Kleinstadt aus dem Bonner Umland und aus einer Familie, in der bisher niemand Abitur hat. Sie besucht einen kaufmännischen Bildungsgang. Ungefähr die Hälfte der Klassen ist bei einer durchschnittlichen Klassengröße von 23 Schüler/inne/n relativ homogen auf diese Weise zusammengesetzt. Daneben gibt es aber nochmal ebenso viele ganz anders zusammengesetzte Gruppen, mit z. B. überwiegend männlicher, deutlich älterer, geringer oder höher vorgebildeter oder ganz heterogener Schülerschaft.

2.1. Vorkenntnisse und Motivation

In Deutschland gibt es im Gegensatz zu vielen anderen Ländern kein nationales Bibliotheksgesetz und kein verbindliches Schulbibliothekswesen. Schätzungen gehen davon aus, dass nur ca. 20 % aller Schulen über eine Schulbibliothek verfügen, die fachlichen Mindeststandards genügt. Es gibt aber keine verlässliche Statistik darüber. In Nordrhein-Westfalen gibt es überhaupt keine institutionelle oder rechtliche Verankerung der Schulbibliotheken, deshalb ist hier die Lage eher noch schlechter. Regelmäßige kurze Abfragen in den Anfängerklassen zu bisherigen Erfahrungen mit Schulbibliotheken deuten auch am Berufskolleg in diese Richtung.

Bei der Einführung in die Bibliotheksbenutzung am Berufskolleg muss man deshalb davon ausgehen, dass die meisten der 16- bis 18-jährigen Schüler/innen keine Bibliothekserfahrungen und -vorkenntnisse haben. Aufgrund mangelnder Tradition von Besuchen in Öffentlichen Bibliotheken gerade in bildungsfernen Familien haben viele auch keine Vorstellung davon, welche Rolle Bibliotheken für ihr Lernen und Leben spielen könnten. Ihr Bibliotheksbild ist oft das einer Sammlung alter Bücher, die sie (mangels Leselust und im Zeitalter von Wikipedia) für ein überholtes Medium halten. Ihre bisherige Schulzeit haben sie meist ohne die Unterstützung einer Bibliothek mehr oder weniger gut durchlaufen. Es spricht also nicht viel dafür, dass sie den persönlichen Nutzen einer solchen Einrichtung vorab erkennen können und entsprechend motiviert und neugierig sind. Die Motivation für die einführende Unterrichtsstunde entsteht im besten Fall dadurch, dass sie in anderen Räumen, mit anderen Personen und Methoden stattfindet und dadurch etwas Abwechslung vom Schulalltag verspricht. Der Einsatz „moderner“ Medien kann hier zusätzlich deutlich motivierend wirken und gerade angesichts des überkommenen Bibliotheksbildes für Neugier sorgen. Hemmschwellen sind eher bei der Benutzung von Büchern und Katalogen zu erwarten als im Umgang mit Computern oder mobilen Endgeräten, über die normalerweise alle verfügen, die aber erfahrungsgemäß längst nicht alle gezielt und strukturiert nutzen (können). Viele Schüler/innen am Berufskolleg starten mit der deutlichen Erwartung, dass sie im Unterricht „etwas vorgesetzt“ bekommen und eher mitschreiben und auswendig lernen sollen als selbst aktiv zu werden. Das scheint oft die Vorerfahrung aus den abgebenden (Real-)Schulen zu sein. Gerade bei den Berufsschüler/inne/n in der dualen Ausbildung ist oft zunächst ein deutlicher Widerstand zu spüren, wenn es darum geht, sich selbst buchstäblich auf den Weg durch die Räume zu machen. Einige empfinden das als Methode eher für Kinder, andere sehen die zwei Schultage pro Woche eher als „Erholung“ vom sonst stressigen Arbeitsalltag und wollen deshalb nicht körperlich aktiv werden. Diese anfängliche Skepsis gilt es zu überwinden. Dazu können die persönliche Ansprache der Lehrenden, die Erklärung des Sinns der Methode und sicher auch die Verwendung eines „spannenden“ Mediums beitragen, das man eher dem angenehmen Freizeitbereich zuordnet. Wenn zudem klar wird, dass die Bibliothekarin nicht Bücherwurm, sondern Informationsdienstleisterin oder gar Medienpädagogin ist, gewinnt sie in den Augen der Schüler/innen an fachlicher Autorität und sie sind eher gewillt, ihre Vorschläge aufzugreifen und sich ihrem Rat anzuvertrauen.

3. Marktanalyse

Eine Marktanalyse kann sich auf unterschiedliche Aspekte beziehen und verschiedene Ziele haben. Es soll geprüft werden, wieweit es schon ähnliche oder gar direkt verwendbare „Produkte“ gibt, die die zeit- und ressourcenaufwändige Eigenerstellung erleichtern oder gar überflüssig machen können. Außerdem sind die zur Verfügung stehenden „digitalen Werkzeuge“ daraufhin zu prüfen, ob sie leicht erlern- und anwendbar sind und mit welchen Kosten ihre Nutzung verbunden ist. Im vorliegenden Projekt gab es aus den dargestellten Gründen eine Vorentscheidung für die App BIPARCOURS. Die trotzdem durchgeführte Marktanalyse zu alternativen Bildungs-Apps und Tutorials von Bibliotheken wird hier nicht dargestellt.

4. Vorhandene Ressourcen

Um eine möglichst effiziente Erstellung und Durchführung zu gewährleisten, sollten bei der Planung eines Bildungsangebotes die vorhandenen Ressourcen analysiert werden. Mögliche Aspekte können sein:

Welche inhaltlichen Konzepte sind bereits vorhanden?

Welche personellen Ressourcen stehen intern zur Verfügung?

Welche externen Hilfen können einbezogen werden (z. B. IT-Abteilung, Bildungspartner, Lehrer)?

Welche Technik steht zur Verfügung?

5. Lehr-/Lernzielbestimmung

Die übergeordneten Ziele für die erste Einführung in die Bibliotheksbenutzung können so beschrieben werden: Die konkrete Mediothek – aber auch Bibliotheken allgemein – sollen als angenehme und hilfreiche Orte wahrgenommen werden. Dazu soll das Personal kennengelernt und Hemmschwellen abgebaut werden.

„Die Einführung in die Benutzung der Bibliothek verfolgt das Hauptziel, den Schülerinnen und Schülern zu zeigen, dass ihnen die Bibliothek persönlich nutzt.“4 Grundlegende Benutzungsregeln und ihr Sinn sollen erkannt werden, damit sie nicht jedem einzeln erklärt und später immer wieder diskutiert werden müssen. Die Lernenden sollen einen ersten (positiven) Eindruck vom Bestands- und Serviceangebot bekommen.
Ich habe für die App-Rallye die in zwölf Jahren Tätigkeit am Berufskolleg entwickelten Fragen und Lehrziele verwendet, die sich als sinnvoll und praktikabel erwiesen haben. Das kann immer nur ein sich ständig weiter entwickelnder Kompromiss sein zwischen dem Wünschenswerten („alle Regeln kennen, verstehen, anwenden und akzeptieren“) und dem, was in einer Schulstunde machbar ist mit Lernenden, die bisher meist
überhaupt keine Vorerfahrungen mit Bibliotheken haben bzw. ein wenig adäquates Bild vom Sinn einer solchen Einrichtung haben. Die Fragen sind im Lauf der 12 Jahre am Berufskolleg entwickelt und modifiziert worden.

5.1. Struktur der Inhalte

Für das konkrete Projekt am Berufskolleg wurden vorab alle in den Jahren zuvor verwendeten Fragen zusammengeführt und Kompetenzbereichen und -stufen nach Euler/Hahn zugeordnet, um sie gezielt beurteilen und ordnen zu können. Kompetenzbereiche nach Euler/Hahn sind:5

I. Wissen

1. Erinnern

2. Verstehen

3. Anwenden

4. Analysieren

5. Bewerten

6. Gestalten

II. Fertigkeiten

1. Produzieren, umformen (kognitives Stadium)

2. Erfahren sein (assoziatives Stadium)

3. Routiniert anwenden (Autonomes Stadium)

III. Einstellungen

1. Sich interessieren

2. Tolerieren

3. Integrieren

Alle Fragen im ersten Teil einer solchen Einführung dienen dazu, Basiskenntnisse über die Mediothek zu vermitteln bzw. ein Interesse zur weiteren Nutzung zu wecken. Sie sind also den Kompetenzbereichen Wissen (kognitiv) und Einstellungen (affektiv) zuzuordnen und dort jeweils auf den untersten Stufen angesiedelt. Das liegt in der Natur eines Erstkontaktes und der begrenzten Zeit einer Schulstunde. Bei zwei Fragen im Kompetenzbereich Wissen am Berufskolleg ging es darum, den Sinn einer (lästigen) Regel zu verstehen, um sie leichter zu akzeptieren und einzuhalten. Das waren in der bisherigen Unterrichtsform diejenigen Fragen, die im Dialog mit der Gruppe mündlich weiter erläutert wurden. Über die persönliche Beziehung wurde so Verständnis geschaffen. Es ist eine Herausforderung, diesen Effekt im Rahmen einer Online-Rallye einzulösen. Die Idee dazu ist, über eine irritierende bzw. schwer zu beantwortende Frage eine weitere Beschäftigung mit dem Thema auszulösen. Zwei Fragen der Stufe 3 sind bereits ein Ausblick auf einen später zu erfolgenden Einführungsteil, in dem die Systematik und Recherchetechniken erläutert werden sollen. Auch hier hatte sich bis dahin gezeigt, dass oft weitere mündliche Erläuterungen nötig waren, um die Aufgabe lösen zu können. Das war aber ein durchaus gewünschter Effekt, um durch Nachfragen der Schüler/innen in Kontakt mit ihnen zu kommen und sollte in der neuen Form auch beibehalten werden.
Das affektive Ziel, „die Mediothek als angenehmen, nicht einschüchternden und nützlichen Ort kennenlernen,“ hat Priorität vor allen anderen, denn es schafft die Voraussetzung für weitergehende Lernerfahrungen, für die in der Folge regelmäßige Besuche während der ein bis drei Schuljahre am Berufskolleg zur Verfügung stehen. Es scheint allerdings schwierig, dieses Ziel mittels einzelner Fragen zu erreichen. Die Summe der Fragen, die dazu dienen, das Bestands- und Serviceangebot wahrzunehmen, trägt aber hoffentlich dazu bei. Außerdem sollen die Fragen und die Rallye insgesamt so gestaltet sein, dass sie als positiv empfunden werden und zum Dialog anregen.

5.2. Struktur der Fragen

Die Fragen der Bibliothekseinführung gliedern sich in die drei Inhaltsbereiche Orientierung (Bestand, grobe räumliche Orientierung, Nutzung allgemein), Benutzungsordnung und Computernutzung (Regeln und technische Fragen)

Man kann sie außerdem drei Relevanzkategorien zuordnen, die ich „unverzichtbar“, „wünschenswert“ und „zusätzlich“ genannt habe. Die Lösung der als „unverzichtbar“ eingestuften Fragen soll möglichst bei allen Schüler/inne/n sichergestellt werden, um eine sinnvolle und reibungslose Bibliotheksnutzung möglich zu machen.

Die Fragen lassen sich außerdem nach der Art der zu ihrer Lösung erforderlichen Tätigkeit und dem dafür aufgesuchten Ort unterscheiden. So ergeben sich folgende drei Tätigkeiten: im Raum stöbern / Regale ansehen, am Computer sitzen (für Computerfragen und Tutorials), am Arbeitstisch Regeln und Ähnliches lesen.

Außerdem sollte noch ihre Schwierigkeit beurteilt werden, die allerdings weitgehend mit der Wichtigkeit identisch ist.

Daraus ergeben sich vier Kriterien, die die Reihenfolge der Fragestellung in der Rallye beeinflussen könnten und sollten:

Thema

Relevanz

Schwierigkeitsgrad

Ort/Tätigkeit

Nach Prüfung aller Kriterien wurden die Fragen in folgender Reihenfolge sortiert:

Wichtig und einfach (19 Fragen)

Wichtig und mittelschwierig (3)

Wünschenswert und mittelschwierig (11)

Zusätzlich und schwierig (3)

Zusätzlich und einfach (1)

So sollen die wichtigsten Erkenntnisse bei allen sichergestellt werden. Für langsamer Voranschreitende hat das zudem den Vorteil, dass sie zunächst auf jeden Fall genügend Erfolgserlebnisse haben. Für schneller Lernende folgt nach und nach schwieriger werdendes Material. Es gibt außerdem eine Reservefrage, falls es Schüler/innen gibt, die sehr schnell arbeiten.

Gleichzeitig sollte noch beachtet werden, dass es nicht ständig Ortswechsel (Regale, Computer, Arbeitstische) gibt und die Fragen andererseits methodisch möglichst abwechslungsreich (Multiple Choice, Freitext, Foto, QR-Code…) nacheinander folgen. Außerdem wurden die Fragen einzelnen „Stationen“ innerhalb der App-Rallye zugeordnet. Jede Schülergruppe bekommt bei der Durchführung eine andere Station zum Start zugeordnet, damit keine Staus an einzelnen Punkten in der Mediothek entstehen, weil alle gleichzeitig an derselben Aufgabe arbeiten.

Ein weiterer Punkt, der bei der Frage- und Antwortformulierung entscheidend ist, sind die Rückmeldungen und weiteren Hilfen.

Einfache Fragen: Keine Hilfen nötig, höchstens Verweis auf Benutzungs- oder EDV-Ordnung (In-App, gedruckt, auf Homepage)

Mittelschwierige und schwierige Fragen: In-App-Hilfe mit Tipps bei Bedarf oder bei falscher Antwort

Insgesamt gab es 37 Fragen, die methodisch möglichst abwechslungsreich gestaltet und nach Thema, Relevanz, Schwierigkeit und Ort sortiert waren. Dabei musste beachtet werden, dass Hilfen, Rückmeldungen und Verknüpfungen zu weiterführenden Informationen gegeben waren.

5.3. Bewertung der Antworten

Wenn eine Frage richtig beantwortet wird, erhält die Gruppe eine positive Rückmeldung. Bei falscher Beantwortung gibt es einen oder mehrere Tipps, wie sich die richtige Lösung finden lässt, einen Hinweis, wo sich weitere Informationen befinden oder eine Rückmeldung, warum die Antwort nicht richtig ist sowie die Aufforderung, sich die Frage noch einmal genauer anzusehen. Außerdem gibt es für die richtige Beantwortung Punkte, die addiert werden und sich pro Gruppe auswerten lassen. Am Ende der Durchführung erhält die Gruppe eine direkte Rückmeldung, wie viele Punkte sie erreicht hat. Sie kann sich auch eine E-Mail mit einer genauen Auswertung zusenden lassen.

Es gibt jeweils Punkte für richtige Antwortalternativen, die Anzahl der erforderlichen Arbeits- oder Lernschritte und die Komplexität der Aufgabe. Dabei soll eine ausgewogene Mischung gefunden werden zwischen der Anerkennung der Lösung bei schwierigen Aufgaben und der Würdigung des „Fleißes“ bei der Lösung vieler eher einfacher Aufgaben. So soll sichergestellt werden, dass auch diejenigen Schüler/innen Erfolgserlebnisse haben, die wenig Vorwissen haben und sich mit komplexeren Aufgaben schwer tun. Von der Idee, Punktabzug zu vergeben, wenn mehrere Versuche zur Lösung benötigt werden, wurde Abstand genommen. Schließlich soll das Einholen von weiteren Informationen ja gerade gefördert und nicht bestraft werden. Außerdem würde ein solches Verfahren eher das Vorwissen bewerten als den Lernfortschritt. Schüler/innen mit mehr Vorwissen sind beim Punktesammeln aber sowieso schon im Vorteil, da sie in derselben Zeit mehr Aufgaben schaffen können. Die Bepunktung führt dazu, dass sich Gruppen innerhalb der Klasse vergleichen und in einen Wettbewerb treten. Nach bisheriger Beobachtung wirkte sich das eher motivierend als frustrierend aus. Die höchste Gesamtpunktzahl einer Klasse kann auch mit anderen Klassen verglichen werden. In der Schule wurde an zentraler Stelle ein Plakat aufgehängt, auf dem die fünf besten Klassen jeweils tagesaktuell aufgelistet werden. Auf diese Weise kann man evtl. auch erreichen, dass die Gruppen sich innerhalb der Klasse gegenseitig helfen, um ein möglichst gutes Gesamtergebnis zu erzielen. Außerdem ist das eine schöne Aktion der Öffentlichkeitsarbeit für die Aktivitäten der Mediothek. Nach den bisherigen Erfahrungen waren Klassen aus allen Bildungsgängen hier vertreten, so dass die befürchtete Frustration von Klassen, die von vorneherein aufgrund der Startbedingungen ihrer Schülerschaft benachteiligt schienen, ausblieb.

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5.4. Lehr-/Lern-Strategie

„Bibliothekspädagogische Klassenführungen für das Grundschulalter verfolgen zum Beispiel primär das Ziel, Orientierungs- und Informationskompetenz auszubilden, indem sie auf spielerische Weise mit den in der Bibliothek vorhandenen Medienarten und ihrer Spezifik vertraut machen. Schüler lernen in diesen Veranstaltungen verschiedene Medienangebote kennen und erwerben Fähigkeiten für das sachbezogene Auswählen und Nutzen von Medien zum Lernen, Informieren, Spielen und Unterhalten für eigene Interessen und Bedürfnisse.“6 Das ist hier von Kerstin Keller-Loibl zwar beispielhaft für das Grundschulalter formuliert, gilt aber sinngemäß auch für andere Altersstufen, besonders da das Animieren zur Auseinandersetzung mit der Materie bei diesem Projekt im Vordergrund stand. Deshalb wurde hier auch eine problemorientierte Methode zur Einführung gewählt, obwohl mehrere Kriterien zur methodischen Richtungsentscheidung eher für einen expositorischen Unterrichtsansatz sprechen: Die Lernsituation ist formell, die Lerngewohnheiten der Zielgruppe eher unselbstständig, die Motivation zunächst extrinsisch und das angenommene Vorwissen niedrig.7 Einzig die flache Gliederung des Lehrstoffes und die eher heterogene Gruppenzusammensetzung sprechen auf den ersten Blick für eine explorative Gestaltung des Unterrichts. Ich halte aber den Aspekt der Motivation durch aktivierendes und entdeckendes Lernen in diesem Fall für besonders wichtig. Außerdem sollen sich Schüler/innen der Sekundarstufe II mehr und mehr an eine selbstständige Arbeitsweise gewöhnen. Da eignet sich ein solcher Gegenstand, der außerhalb des abzuprüfenden Lehrplanstoffes liegt, gut als „Experimentierfeld“. Auch im Standardwerk „Praxisbuch Schulbibliothek“ heißt es: „Didaktisch bietet sich für die Arbeit in oder mit der Schulbibliothek ein konstruktivistischer Fokus an. Schulbibliotheken sind zumeist – so sie nicht zu sehr reglementiert sind – explizit Lernorte, für die sich eine Ermöglichungsdidaktik anbietet.“8 Im Gegensatz zu einem rein medialen Lernangebot kann in der Schule durch persönliche Präsenz jederzeit ausgleichend und helfend eingegriffen werden, wenn die Vorkenntnisse oder Lernstrategien nicht ausreichen. Im Lauf der Jahre wurden auf diese Weise auch Erfahrungen in Fällen gesammelt, in denen bei fast allen Lernenden die Wissensbasis für eine selbstständige Erkundung nicht vorhanden war.

Als Sozialform wurde die Arbeit in Kleingruppen gewählt, da sich das inhaltlich, motivatorisch und organisatorisch anbietet. Die jeweils zwei bis drei Gruppenmitglieder können Defizite gegenseitig kompensieren, mittels Kommunikation Lösungsideen entwickeln und sich motivieren. Größere Gruppen wurden vermieden, da sonst oft additiv gearbeitet wird und wesentliche Erkenntnisse nur noch in Teilen bei den Einzelnen ankommen. Mit der Aufteilung in zehn Kleingruppen konnte andererseits aber auch sichergestellt werden, dass nicht zu viele Einzelanfragen an die betreuende Person entstehen.

Dadurch, dass bei der medial gestützten Rallye die expositorischen Teile mit Hilfe von Screencasts und Ähnlichem in die individuelle Verantwortung der Lernenden gegeben werden, soll für die Bibliothekarin mehr Zeit und Energie für individuelle Kontakte frei bleiben. Das ist jedenfalls ein Effekt, der bei besonders handlungsorientiert geplanten Unterrichtsstunden oft beobachtet werden kann: Die Vorbereitung ist aufwändig, es gibt dann aber viel Raum für individuelle Betreuung während der Durchführung.
Die Rückmeldung an die Lernenden erfolgt in der App mittels direktem Feedback und Punktevergabe. Die Bibliothekarin oder die Lehrkraft kann hinterher leicht eine automatisierte Auswertung erhalten und ggf. Fragen oder das ganze Konzept anpassen. Sollten einzelne Klassen oder einzelne Schüler/innen deutlich vom Erwarteten abweichen, kann der Lehrkraft eine Rückmeldung und Einschätzung gegeben und evtl. gemeinsam über mögliche Konsequenzen nachgedacht werden.

6. Effekte des Lernens mit Medien

Das Lernen mit Medien kann sich auf verschiedene Aspekte des Lernens positiv auswirken.9 Es sollte vorab jeweils sorgfältig geprüft werden, ob das verwendete Medium die gewünschten Effekte voraussichtlich erzielen kann. Im Folgenden sind die im vorliegenden Projekt beobachteten Effekte kurz dargestellt:


Motivation

a. Neuigkeitseffekt: Smartphones werden von den Lernenden eher dem positiv bewerteten Freizeitbereich zugeordnet, wurden aber bisher im Unterricht eher als Störfaktoren angesehen.

b. Die Mediothek wird als Ort moderner Technik und nicht nur vermeintlich veralteter Medien wahrgenommen.

c. Spielerischer Wettbewerbscharakter: Direkte Rückmeldung und leichter Punktvergleich sowohl untereinander als auch klassenübergreifend können anspornen.


Lerndauer (in Summe aller Gruppenmitglieder)

a. Die Lerndauer ist vorher festgelegt, aber Lernende, die mehr oder weniger Erklärungen benötigen als der Durchschnitt, können auch in den expositorischen Teilen ihr eigenes Tempo wählen und insgesamt mehr oder weniger tief in die Thematik einsteigen. Das heißt, einige können in der vorgegebenen Zeit deutlich mehr lernen und müssen nicht auf andere „warten“.


Anschaulichkeit

a. Ist nicht wesentlich verändert gegenüber dem vorherigen didaktischen Konzept. Die Erklärungstexte und Tutorials sind den früheren PowerPoint-Vorträgen sehr ähnlich, es können bei den Fragen allerdings noch mehr Bilder zur Veranschaulichung eingesetzt werden.


Problemorientierung

a. Ist nicht verändert gegenüber vorher. Die bisherige Methode (Exploration mittels Aufgaben) wurde nur auf ein anderes Medium übertragen.


Kooperation

a. A. Unveränderte Arbeit in Kleingruppen in den Erkundungsphasen.

b. In den expositorischen Teilen ist mehr Gelegenheit zum Austausch und für gegenseitige Erklärungen, das hätte vorher in den Plenumsvorträgen eher gestört.

c. Das Bibliothekspersonal kann sich in der vorhandenen Zeit noch stärker auf den Aufbau einer individuellen, unterstützenden Beziehung fokussieren.


Flexibilität

a. Unterrichtsstunden können leichter dann sinnvoll genutzt werden, wenn es inhaltlich und terminlich gut passt (auch kurzfristige, sonst ungenutzte Vertretungsstunden).

b. Die Durchführung ist weniger von bestimmten Personen und

c. nicht von stationären EDV-und Raumkapazitäten abhängig.


Effizienz

a. Leichte automatisierte Korrektur bzw. Feedback über die Lernergebnisse.

b. Leichte Erstellung von nach Schwierigkeitsgrad oder inhaltlich differenzierten Rallye-Versionen.

c. Die erstellte Wissensbasis kann auch unabhängig von Einführungen genutzt werden.

d. Potenzial der einfachen Entwicklung weiterer ähnlicher Stunden.

e. Weniger Kopierkosten.


Bei der konkreten Umsetzung und Erstellung der App wurde deutlich, dass einer der Hauptvorteile darin liegt, dass den Lernenden individuell bei jeder einzelnen Frage sofort eine Rückmeldung und ggf. Tipps für Verbesserungen und korrigierte Antworten gegeben werden können. Solch detailliertes Feedback und Ergebnissicherung ist bei einer durchschnittlichen Klassengröße von 25 Schüler/inne/n in der „klassischen“ Unterrichtsform nicht einmal annähernd möglich.
Ein weiterer positiver Effekt betrifft das Durchhaltevermögen der Schüler/innen bei der Beantwortung der Fragen. Während bei der „klassischen“ Form mit Fragenzetteln viele Schüler/innen mit fortschreitender Dauer immer weniger zur Mitarbeit motiviert waren, wurde bei der Durchführung mit der App der umgekehrte Effekt beobachtet. Je mehr Punkte gesammelt wurden, desto höher schien die Motivation für fast alle Teilnehmer/innen zu werden.
Es stellte sich noch folgender unerwarteter inhaltlicher Nebeneffekt ein: Die Apps ­BIPARCOURS und „Actionbound“ bieten an, die genaue Auswertung der jeweiligen Gruppenleistung an die E-Mail-Adresse eines Gruppenmitglieds zu senden. Das kann ein willkommener Anlass sein, die Schüler/innen für das Thema „Umgang mit persönlichen Daten“ zu sensibilisieren.
Für die erstellende Bibliothek kann es außerdem sehr hilfreich sein, dass sie mit Hilfe der Auswertungs- und Bewertungsfunktionen der App ein detailliertes Feedback auf ihre Angebote erhalten und die Interessen und Leistungsfähigkeit ihrer Zielgruppen genauer einschätzen kann.
Ein weiterer Vorteil eines Bildungsangebots für mobile Endgeräte ist es, dass sich die (Schul-)Bibliothek als Motor und Experimentierfeld für BYOD-Konzepte der Schule profilieren kann. Im schulischen Diskurs und den Lehrerkollegien besteht zurzeit ein großes Interesse an diesem Thema.
Die Entwicklung des vorliegenden App-Projektes war unter anderem der Anstoß dafür, die Anschaffung von Tablets und die längst überfällige Einführung von W-LAN für die Schulbibliothek wieder in den Vordergrund zu rücken. Dieser Effekt scheint sich bei ähnlichen Projekten oft einzustellen.

7. Organisations-/ Zeitplan

Es empfiehlt sich, bereits zu Beginn eines Projektes mit einem neuen Medium einen genauen Zeit- und Organisationsplan zu erstellen. Folgende Fragen sollten dabei bedacht werden:

Wann müssen welche Arbeiten unbedingt spätestens erledigt sein?

Wann stehen welche technischen oder räumlichen Ressourcen zur Verfügung?

Wann steht welches Personal zur Verfügung?

Wann sind Partner kontaktierbar?

Gibt es Notfallpläne (z. B. keine Endgeräte oder W-LAN verfügbar)?

8. Potenzial

Aufgrund der bisherigen Erfahrungen sehe ich ein großes Potenzial in der Nutzung der App ­BIPARCOURS bzw. „Actionbound“ für weitere (bibliothekarische) Unterrichtsinhalte. Neben einem zweiten Teil der Einführung in die Bibliotheksbenutzung zu Fragen der Systematik und Katalogrecherche sind noch viele weitere Ideen für Unterrichtsinhalte denkbar, die mit Hilfe der App möglichst selbsttätig und medial unterstützt von den Schüler/inne/n erarbeitet werden könnten. Vorstellbar sind Module zur gezielten Internetrecherche, zur Suche nach Informationsquellen, zum Thema Datensicherheit, zu Urheber- und Bildrechten, zum Umgang mit Sachbüchern und zur Erkundung und Auswahl von Belletristik. Zu einigen eher allgemeingültigen Themen gibt es bereits Tutorials, die man ohne weitere eigene Erarbeitung als Wissensbasis verlinken könnte, was den personellen Aufwand bei der Erstellung einer App erheblich reduziert. Es wäre außerdem denkbar, eine Einführung für neue Mitglieder des Lehrerkollegiums zu produzieren, die außer den grundlegenden Benutzungsmodalitäten besonders auf die Serviceangebote der Mediothek für Lehrende hinweist. Mittelfristig könnte ein Ziel sein, dass die Schüler/innen bei der Arbeit mit den Apps ihre eigene Wissensbasis gemeinsam erstellen in Form eines Wikis oder Ähnlichem.
Aufgrund des großen Potenzials für weitere Module und Anwendungen, die sich nach der gründlichen Vorarbeit einer ersten Projektplanung sicher deutlich leichter realisieren lassen, erachte ich den erhöhten Aufwand für eine sorgfältige Vorplanung bei der Ersterstellung einer App-Rallye für lohnenswert. Die Bibliothek kann sich außerdem mit dieser Erfahrung als starker Partner für BYOD-Konzepte in der Schule einbringen.
Vom didaktischen Konzept bin ich jedenfalls überzeugt: Informationskompetenz für Lernende und Lehrende stärken durch Selbermachen und Ausprobieren!

Literaturverzeichnis

Deeg, Christoph. Gaming und Bibliotheken. Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2014. Open Access verfügbar: Zuletzt geprüft am 04.12.2016. http://www.degruyter.com/viewbooktoc/product/205480.

Holderried, Angelika und Birgit Lücke. Handbuch Schulbibliothek. Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag, 2012.

Keller-Loibl, Kerstin. Handbuch Kinder- und Jugendbibliotheksarbeit. Bad Honnef: Bock + Herchen, 2009.

Kerres, Michael. Mediendidaktik: Konzeption und Entwicklung mediengestützter Lernangebote, 4. Auflage. München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2013.

Wolf, Sabine und Karsten Schuldt. Praxisbuch Schulbibliotheken. Schwalbach/Ts.: Debus Pädagogik, 2013.

1 Angelika Holderried und Birgit Lücke, Hrsg., Handbuch Schulbibliothek (Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag, 2012), 151.

2 Christoph Deeg, Gaming und Bibliotheken, (Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2014), Open Access verfügbar unter, zuletzt geprüft am 04.12.2016, http://www.degruyter.com/viewbooktoc/product/205480.

3 Ebd., 128.

4 „Schulmediothek.de – Das Portal rund um das Thema Schulmediothek,“ zuletzt geprüft am 21.06.2016, http://schulmediothek.de/index.php?id=297.

5 Michael Kerres, Mediendidaktik: Konzeption und Entwicklung mediengestützter Lernangebote, 4. Auflage (München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2013), 305 ff.

6 Kerstin Keller-Loibl, Handbuch Kinder- und Jugendbibliotheksarbeit (Bad Honnef: Bock + Herchen, 2009), 97.

7 Kerres, Mediendidaktik, 352.

8 Sabine Wolf und Karsten Schuldt, Praxisbuch Schulbibliotheken (Schwalbach/Ts.: Debus Pädagogik, 2013), 109 f.

9 Kerres, Mediendidaktik, 77 ff.