Flexible und vielfältige Ausstattung – ein Schlüssel zur erfolgreichen Lernumgebung

Alexandra Strahl, Hochschule der Medien Stuttgart

Zusammenfassung:

Durch die steigenden Studierendenzahlen und die veränderten Anforderungen durch neue Lehr- und Lernmethoden und Lernzugänge steigt die Bedeutung von informellen Lernräumen in Hochschulen. Jedoch ist noch unklar, wie optimale Lernräume für die Bedarfe der Studierenden zu gestalten sind. Im Rahmen des Forschungsschwerpunktes „Lernwelten“ wurden im WS 2015/16 an der Hochschule der Medien (HdM) in der neu errichteten „Lernwelt“ das Nutzungsverhalten und die Nutzungspräferenzen sowie Raumpraktiken der Nutzerinnen und Nutzer im Selbstlernzentrum erforscht. In diesem Bericht werden erste Ergebnisse vorgestellt.

Summary:

Due to the increasing number of students and the changing needs of teaching, learning methods and new learning approaches, the importance of informal learning spaces in universities is increasing. However, it is still not clear how optimal learning environments have to be designed to match students’ needs. As a part of the research programme “Learning Environments” of the learning center at the Stuttgart Media University (HdM), users’ “usage patterns” preferences and space practices were explored during the winter term 2015/16. First results are presented in this report.

Zitierfähiger Link (DOI): http://dx.doi.org/10.5282/o-bib/2016H4S225-242
Autorenidentifikation: Strahl, Alexandra: GND 1117045188
Schlagwörter:
Lernräume, Lernumwelt, Bibliothek

1. Die Bedeutung von Lernräumen für die Lernorganisation

Seit kurzer Zeit hat die Forschung die hohe Bedeutung der Lernumgebung für den Bildungsprozess erkannt, und Begriffe wie „Der Raum als dritter Pädagoge“ sind in aller Munde. Auch Margret Fell weist darauf hin. Sie beschreibt „Raumdidaktik“ als „Planung und Gestaltung von materiellen Räumen, die nach pädagogisch-andragogischen Ansprüchen physikalisch, ästhetisch, funktional und extrafunktional so zu arrangieren sind, dass sie auf Bildungsprozesse einen förderlichen Einfluss haben.“ 1 Sie sieht „Bildungsräume als didaktische Stützfunktion, wenn diese günstige Konstellationen schaffen für eine am selbstgesteuerten Lernen orientierte erarbeitete Weiterbildung.“2 Weiterhin weist sie auch auf die Bildungswirkung dieser Räume hin: „[…] wenn diese als Auslöser identifiziert werden können für z.B.: Begegnung und Dialog, […] Perspektivwechsel [und sie für die] Entwicklung eines ästhetischen Bewusstseins“3 sorgen.

Es wird deutlich, dass der Raum als dritter Pädagoge wirksam wird und sich Raum und Nutzer/innen gegenseitig beeinflussen. Die Erarbeitung von Inhalten findet somit nicht isoliert von der jeweiligen Umwelt statt – es macht einen Unterschied, ob man z.B. im Garten sitzt und lernt oder in einem Büroraum. Dabei zeigen Erkenntnisse aus der Cognitive Science, dass die Ver- und Erarbeitung von Wissen in der Interaktion mit dem jeweiligen individuellen Umfeld stattfindet. Auch Fell stellt dazu fest: „Je unterschiedlicher Raumqualitäten sind, die ein Individuum erleben kann, desto ‚umfassender‘ gestaltet sich dessen kognitives Begreifen.“4 Vielfalt der Raumqualität unterstützt also kognitive Prozesse. Dies bedeutet auch, dass nicht gut gestaltete Lernumgebungen negative Einflüsse auf den Lernerfolg haben. Sie führen zu schlechterer Motivation, mangelndem Wohlbefinden, Lernängsten etc.5

Der Prozess der gegenseitigen Beeinflussung von Mensch und Raum ist für beide Richtungen gültig. Beeinflusst der Raum den Menschen und gibt Handlungsimpulse vor, so strukturiert der Mensch den Raum z.B. durch das Gruppieren von Möbeln. Die so entstehenden neuen Gegebenheiten des Raumes strukturieren wiederum neue Handlungen vor.

So wird der Zusammenhang zwischen Verhalten und Raum deutlich. Frank Wieber und Nicole Conrad weisen diesen Zusammenhang zwischen „Raum und dem Erleben und Verhalten des Nutzers“ auch nach. Albert Mehrabian weist darauf hin, wie wichtig eine anregende, „lustbetonte“ Lernumgebung für den Lernerfolg ist,6 und Rotraut Walden legt als Beurteilungskriterien des Lernraumes „Lern- und Arbeitsleistung, Wohlbefinden, Umweltkontrolle sowie Sozialverhalten“ fest.7

Diese Faktoren beeinflussen das Verhalten der Nutzer/innen. So werden auch sozial-regulative Prozesse durch den Raum beeinflusst und durch die Raumpraktiken und das Verhalten im Raum ausgedrückt. Die Nutzer/innen bewegen sich in ihrem sozialen Verhalten immer zwischen den beiden Polen: Interaktion und Autonomie. Der Grad der Interaktion wird durch die räumlichen Merkmale und die Intensität der Nutzung der vorhandenen Elemente mitbestimmt.

2. Die Lernwelt der Hochschule der Medien (HdM) als Reallabor

An der Hochschule der Medien (HdM) werden Lernräume im Forschungsschwerpunkt „Lernwelten“ unter der Leitung von Prof. Richard Stang seit 2008 intensiv beforscht. Mit dem Ende 2011 eröffneten LearnerLab, das vom Forschungsschwerpunkt mitentwickelt wurde und das einen Teil der Bibliothek am früheren Standort der Fakultät Information und Kommunikation in der Stuttgarter Stadtmitte bildete, stand seit mehreren Jahren ein geeignetes Untersuchungsumfeld für die gezielte Lernraumforschung zur Verfügung. Im Rahmen der Forschungsarbeiten wurde zunächst über mehrere Semester eine apparative Beobachtung mit Hilfe zweier Kameras, die alle 15 Minuten ein Bild des Raumes aufnahmen, durchgeführt. Apparative Beobachtungen, die automatisiert ablaufen, haben den Vorteil, dass Messfehler oder auch Fehler, die durch den Faktor „Mensch“ entstehen können, von vornherein ausgeschlossen werden können.

Als die Fakultät 2014 an den Hauptstandort der Hochschule in Stuttgart-Vaihingen umzog, konnte das LearnerLab in die Räume der ehemaligen Bibliothek im dortigen Bestandsbau einziehen und beträchtlich vergrößert werden.

Die neue Lernwelt umfasst 440 qm und wurde in drei Bereiche: „Einzellernen“, „Gruppenbereich“, und „Chill-Out-Area“ unterteilt. Die Lernwelt wurde mit Bürostühlen und Tischen, Sofas sowie ergonomischen Hockern und Sitzsäcken ausgestattet. Die gesamte Einrichtung wurde bewusst leicht und leicht beweglich ausgewählt, um den Studierenden die Möglichkeit zu Veränderung zu geben. Zusätzlich wurden den Studierenden Trennwände, mobile Monitore, Beamer und ein VIA Collage8 zur Nutzung angeboten.9

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Zugleich wurde der Raum mit Schallpegelmessern zur Ermittlung des Lärmpegels sowie mit drei 360°-Kameras, die alle 30 Minuten ein Foto des Raumes erstellen, ausgestattet. Flankierend zu diesem visuellen Untersuchungsansatz wurden eine Online-Befragung und 70 Interviews mit Nutzer/innen durchgeführt.

3. Erkenntnisinteresse

Im Hinblick auf die spärliche Erkenntnislage im Bereich der Nutzungsstrukturen in Selbstlernzentren wurde diese Untersuchung explorativ und abduktiv angelegt, d.h. das Auffinden neuer Zusammenhänge oder allgemeiner Prinzipien aus dem Datenbestand stand im Vordergrund.10 Zum einen war die Lernwelt ein Pilotprojekt, sodass ein Erkenntnisinteresse darin lag, die Bedarfe der Nutzerinnen und Nutzer zu eruieren. Zum anderen stand das Nutzungsverhalten unter den Prämissen des Selbstlernzentrums, des Raumes und der Möbel im Fokus der Untersuchung.

Die Studie sollte dabei klären, ob bestimmte Möbel präferiert werden, und wenn ja, welche, und wie die Nutzer/innen den Raum aktiv gestalten – welche Faktoren führen generell zur Umgestaltung des Raumes? Des Weiteren sollte die Frage beantwortet werden, welche Faktoren das im LearnerLab gezeigte Abschottungsverhalten, insbesondere von Kleingruppen, forcieren. Hierzu sind zu zählen: aktive, d.h. selbst erzeugte Lautstärke, passive, d.h. von anderen Anwesenden erzeugte Lautstärke, die Gruppengröße, die zu bewältigende Aufgabe, der Wunsch nach Territorialität resp. Privatheit und die vorgegebene Konfiguration des Interieurs im Raum. Welche Handlungen strukturieren welche Anordnungen des Interieurs im Raum vor, und wie strukturieren diese Anordnungen wiederum die Handlungen der Nutzer vor? Sind Zusammenhänge erkennbar?

Ein weiterer Punkt war die Frage nach zusätzlicher Betreuung in der Lernwelt durch Bibliotheks- bzw. technisches Personal. Hain weist darauf hin, dass „Methodenkompetenz der Mitarbeitenden [den] Lernerfolg [unterstützt]“11 und dass „Tagungstechnik in genügender Menge und entsprechender Qualität bereitzustellen [ist], um den Trainer und die Tagungsteilnehmer beim Lernprozess optimal zu unterstützen.“12 Bezogen auf ein Selbstlernzentrum bedeutet dies, dass es sinnvoll sein kann, kompetentes Personal zur Betreuung der Technik u.ä. zu beschäftigen.

4. Erkenntnisse über die Bedürfnisse von Nutzerinnen und Nutzern

Die Befragungsergebnisse der Interviews zeigten, dass die Möglichkeit zur Schaffung eines Territoriums (Raum-im-Raum) einen hohen Stellenwert für die Nutzerinnen und Nutzer hat. Es bestätigte sich die These von Gustave Nicolas Fischer, die besagt, dass sich verschiedene Aneignungsformen zu strategischen Verhaltensweisen verbinden und so die emotionale und soziale Anpassung an die jeweilige Aufgabe ausdrücken.13

Ein weiteres Nutzerbedürfnis ist elementarer: In der im LearnerLab der HdM durchgeführten Studie fiel auf, dass viele Nutzer/innen sowohl beim autonomen wie auch beim interagierenden Lernen die Möglichkeit zur Abschottung mittels Stellwänden nutzen.14 Antje Flade sieht als grundlegende Elemente des Verhaltens im Raum die zentralen Konzepte der Territorialität und Privatheit. Hier kommt zum einen der „personal space“ zum Tragen, der „die interpersonalen Raumdistanzen im Sozialkontakt steuert.“15 Zum anderen zeigt sich in dieser Abschottung der Wunsch nach Kontrolle. Die Tendenz, sich abzuschotten, d.h. einen Raum in einem Raum zu bauen, beruht nach Flade darauf, dass nicht nur „die Distanzen […] mehr oder weniger günstig sein können, sondern auch die Konstellation der Standorte oder Sitzplätze.“16

Weiterhin haben räumliche Merkmale einen Einfluss auf den „personal space“. So wird „in Innenräumen [eine] größere Distanz gewählt […] als in Außenräumen. […] Und [es zeigt sich,] dass man in der Ecke eines Raumes bestrebt ist, einen größeren Abstand einzuhalten, als wenn man sich in dessen […] Mitte befinde[t]“.17 Dieses Bestreben, sich abzugrenzen, basiert auf dem Grundbedürfnis des Menschen nach Selbstbestimmung, das sich auch in seinem Verhalten im Raum ausdrückt. Edward L. Deci und Richard M. Ryan gehen davon aus, dass die Bedürfnisse nach Autonomie, Kompetenz und Zugehörigkeit, aus denen sich Selbstbestimmung zusammensetzt, angeboren sind. Sie konnten zeigen, dass sich Motivationsstärke, Wohlbefinden und Leistung erhöhen, wenn das Umfeld autonome Entscheidungen, die Erfahrung der eigenen Fähigkeiten und eigenes Kompetenzerleben bei dem/der Nutzer/in zulässt.18

Flade unterscheidet Territorien im Hinblick auf „Dauer der Inanspruchnahme, persönliche Bedeutung, Ausmaß der Personalisierung, Ausmaß der möglichen Einflussnahme und hinsichtlich der Verteidigung“.19 Demnach ist die Lernwelt ein „sekundäres Territorium“, in dem Gruppen „ihre“ Territorien stärker verteidigen als Einzelpersonen.20 Sekundäre Territorien werden von Gruppen benutzt. Sie haben die Verfügungsgewalt über den Raum. Da sich in der Lernwelt jedoch viele Kleingruppen und Einzellernende aufhalten, ist ein gewisses Konfliktpotenzial zu erwarten. Diesem wird mittels der Abschottung und dem Einhalten von Distanzen entgegengewirkt. Ebenso trägt zur Konfliktvermeidung bei, dass der Einzelne eher bereit ist, seine Distanzansprüche unterzuordnen, als eine Gruppe dies gegenüber einem Einzelnen täte.

Die Funktion der Privatheit ist es vor allem, sich abzugrenzen und die Ich-Identität, auch von Gruppen, aufrechterhalten zu können. Auch hier ist das zugrunde liegende Bedürfnis der Wunsch nach Kontrolle, d.h. nach dem Gefühl, die „Dinge im Griff zu haben“. Ein Mangel an Kontrolle löst beim Einzelnen das Gefühl von Unsicherheit aus.

Hinzu kommt der Wunsch nach dem geeigneten Maß an sozialer Interaktion. Um das individuell geeignete Maß zwischen Alleinsein und Zusammensein herstellen zu können, werden Rückzugsmöglichkeiten benötigt. Diesem Bedürfnis versucht man in der Lernwelt mit den Stellwänden zu entsprechen. Jedoch bezieht sich das Bedürfnis nach Rückzugsmöglichkeit nach Flade nicht nur auf die visuellen Aspekte, sondern auch auf akustische.21 Joseph P. Forgas merkt dazu an, dass „Menschen [über] sogenannte ‚Rückzugs-Regulations-Mechanismen‘ (privacy regulation mechanisms) [verfügen], wozu auch gehört, dass wir unsere physikalische Umgebung manipulieren, um unsere sozialen Kontakte auf dem gewünschten Niveau zu halten“.22

So wurde in der Untersuchung im LearnerLab beobachtet, wie Gruppen sich die Stellwände zu ihrem Arbeitsbereich holten, diese Stellwände eng um ihren Arbeitsbereich positionierten und sich so einen geschlossenen eigenen Raum im Raum einrichteten.23 Fischer weist auf den „Raum als soziales Konstrukt“ hin.24 „Als soziale Konstrukte sind die Arbeitsräume also Geflechte von materiellen Gegenständen in Interaktion mit einer sozialen Gruppe, die ihnen je nach ihren eigenen Bedürfnissen und der Art, wie sie den Raum ausgestattet hat, spezifische Bedeutung verleiht. Der Raum ist ein Beziehungssystem, aber seine Topografie gibt nur eine vorläufige Orientierung über diese Beziehungen. Es ist die Interaktion, die die Gruppe mit ihm eingeht, die uns erkennen lässt, wie er sich in ein mehr oder weniger abhängiges, mehr oder weniger kohärentes, mehr oder weniger feindliches System verwandelt.“25

Schaut man sich die individuell durch die Gruppen gestalteten Arbeitsumgebungen an, so lassen z.B. das Schlafen auf den Loungemöbeln oder das Umfunktionieren eines ergonomischen Hockers zu einem Fußschemel das Ausmaß des Wohlbefindens in der Interaktion mit der Ausstattung der Umgebung erkennen.

5. Methodisches Vorgehen

Um die Bedarfe der Studierenden umfassend ermitteln zu können, wurde ein multimethodischer Ansatz durchgeführt. Es wurden über den Jahreswechsel 2015/16 Leitfadeninterviews mit den Nutzer/inne/n der Lernwelt und eine Online-Befragung mit allen Angehörigen der HdM – also allen potenziellen Nutzern/inne/n – durchgeführt. Des Weiteren fanden über das gesamte Semester eine apparative Beobachtung und eine Schallpegelmessung statt. Die Beobachtung diente vor allem dazu, quantitativ auszuwerten, in welcher Häufigkeit und Dauer die Nutzung stattfindet und welche Verhaltensmuster sich zeigen. Die Schallpegelmessung diente dazu, Korrelationen zwischen der vorherrschenden Lautstärke und der Anzahl an anwesenden Personen und/oder Anzahl an Gruppen im Raum aufzuzeigen.

Die Befragungs - und Erhebungszeiträume werden in Abbildung 2 dargestellt:

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Wie hier zu sehen, wurde die Lernwelt sechs Wochen vor den Erhebungen eröffnet, die Teilnehmenden hatten also zuvor Gelegenheit, die Lernwelt zu erkunden und einen persönlichen Eindruck zu gewinnen. Die Auswertung erfolgte sowohl quantitativ als auch qualitativ, um ein umfassendes Bild über die Nutzungsstrukturen zu erhalten. In einem weiteren Schritt ist angedacht, die Ergebnisse miteinander zu triangulieren, um die Aussagen der Interviewteilnehmer und die Bilder aus der apparativen Beobachtung zueinander in Bezug zu setzen.

Da zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Beitrags noch nicht alle Auswertungen vorliegen, kann auf die Ergebnisse der apparativen Beobachtung und die Schallpegelmessung an dieser Stelle nicht eingegangen werden.

5.1. Online-Befragung potenzieller Nutzerinnen und Nutzer

Es wurde ein Online-Fragebogen an alle potenziellen Nutzerinnen und Nutzer der Lernwelt – die Angehörigen der HdM – verschickt. Es wurden bewusst alle Hochschulangehörigen, also nicht nur die Kernzielgruppe der Studierenden, angesprochen, da die Lernwelt auch von Dozent/inn/en und Mitarbeiter/inne/n genutzt wird. Da davon auszugehen ist, dass diese Nutzergruppen anders gelagerte Bedürfnisse haben als die Hauptzielgruppe, wurden sie ebenfalls befragt.

Diese Methode wurde eingesetzt, da sie unkompliziert durchführbar und kostengünstig ist. Mit dem Fragebogen wurde erhoben, wie die Qualität der Lernwelt und ihrer Gestaltung eingeschätzt wird. Des Weiteren wurde nach Nutzungshäufigkeit und -dauer sowie nach positiven und negativen Aspekten sowie nach Wünschen gefragt. Die Fragen berücksichtigten außerdem die Sozialform, d.h. ob in Einzelarbeit oder in Kleingruppen in der Lernwelt gearbeitet wird. Von ca. 4.000 Angehörigen reagierten 1.056 Personen auf die Einladung zur Online-Befragung. 855 Studierende kannten die Lernwelt zum Zeitpunkt der Befragung und 651 hatten schon einmal in der Lernwelt gearbeitet. Die Rücklaufquote von 26,4 % kann als sehr gut bezeichnet werden, da angesichts der zahlreichen Online-Befragungen, die an der HdM durchgeführt werden, generell nicht mit einer hohen Beteiligungsrate zu rechnen ist. Die Antworten wurden sowohl quantitativ als auch qualitativ ausgewertet, wobei die qualitativen Angaben inhaltsanalytisch nach Mayring bewertet wurden.26

5.2. Leitfadeninterviews mit Nutzerinnen und Nutzer

Die Online-Befragung wurde durch Leitfadeninterviews begleitet. Diese Interviews fokussierten vor allem die Perspektive und die Problemstellungen, die sich aus den Anforderungen und aus der Rolle „Studierende/r“ ergeben. Im Unterschied zur Online-Befragung ermöglichen die offene Gesprächsführung und die damit zusammenhängende Erweiterung von Antwortspielräumen, den Bezugsrahmen der Befragten ebenfalls zu erfassen. Schnell, Hill und Esser verweisen darauf, dass dies „einen Einblick in die Relevanzstrukturen und die Erfahrungshintergründe des Befragten“ zulasse.27

Insgesamt 70 Nutzer/innen der Lernwelt wurden interviewt. Es wurden drei Einzelinterviews und fünf Interviews mit Kleingruppen mit zwei bis sechs Mitgliedern in allen drei Zonen geführt. Diese Zusammensetzung der durchgeführten Interviews entstand durch das Ansprechen der Nutzer/innen in realen Lernsituationen. Hierbei wurden die Studierenden in der jeweils aktuellen Konstellation ihrer Sozialform und Arbeitsweise angesprochen, d.h. einzeln arbeitende Personen wurden einzeln befragt, Kleingruppen wurden als Gruppe befragt. Beachtet wurde dabei lediglich eine Gleichverteilung auf die Geschlechter und auf die Verteilung in den drei Zonen.

5.3. Ziele des Interviews

Zunächst wurde nach der Besuchsdauer und -häufigkeit gefragt, um die Auslastung der Lernwelt abschätzen zu können, Besucherspitzen zu erfassen und die Bedarfe für die Möblierung zu klären. Eine weitere Frage betraf die Sozialform, in der in der Lernwelt gearbeitet wird. Auch diese Information sollte zur Optimierung der Ausstattung herangezogen werden, und gleichzeitig sollte erforscht werden, ob sich eher Kleingruppen oder Einzellernende in der Lernwelt aufhalten. Eine weitere Frage zielte darauf ab, ob bestimmte Plätze und/oder Möbel gemieden oder bevorzugt werden. Auch dies diente der Optimierung der Möblierung bzw. dem Eruieren von Schwächen des Raumes. Im Anschluss wurde nach der Art der Tätigkeit gefragt. Arbeiten die Lernenden analog oder digital? Wiederum stand hier die Anpassung der Ausstattung im Fokus. Im weiteren Verlauf wurde auch nach Frustrationserlebnissen gefragt. Diese Frage erlaubte zum einen eine psychosoziale Entlastung, da die Nutzer/innen einen echten Ansprechpartner vor sich hatten. Zum anderen wurden in den so ermittelten Frustrationspotenzialen Probleme der Raumgestaltung offensichtlich.

Im weiteren Interviewverlauf wurde die Betreuungssituation (s.u. Kap. 6.7) angesprochen. Mit dieser Frage sollte generell der Bedarf seitens der Studierenden geklärt und eruiert werden, inwieweit das vorhandene Angebot ihre Wünsche bereits abdeckt. Gleichzeitig wurde erfragt, ob sich die Studierenden weitere Betreuungsangebote, z.B. durch das Didaktikzentrum, wünschen. An diesen Punkt schloss sich eine allgemeine Frage nach Wünschen zur Lernwelt an. Auch diese diente der Bedarfsermittlung und auch der Anregung, um etwaige Defizite im Konzept aufzudecken.

Insgesamt diente dieses Interview dazu, die Akzeptanz der neu eröffneten Lernwelt einordnen zu können. Diese Informationen sind für den weiteren Steuerungsprozess der Lernwelt von hoher Bedeutung.

6. Nutzungsstrukturen

6.1. Qualität und Gestaltung der Lernwelt

In der Online-Befragung beantworteten 631 Studierende die Frage nach der Einschätzung der Qualität der Lernwelt. Dabei konnte in einer 5-poligen Ratingskala von „Sehr schlecht“ über „Teils/Teils“ bis hin zu „Sehr gut“ geantwortet werden. Die Verteilung der Ergebnisse (in Prozent) zeigt Abbildung 3.

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52,1 % der Befragten befanden die Qualität der Lernwelt als „gut“ oder „sehr gut“. Demgegenüber schätzten 9,5 % die die Qualität der Lernwelt als „schlecht“ oder „sehr schlecht“ ein. Zu beachten ist allerdings auch, dass 38,4 % die Mitte („teils/teils“) wählten. Dies zeigt, dass über ein Drittel der Nutzer/innen sowohl positive wie auch negative Aspekte der Qualität der Lernwelt wahrgenommen haben.

Gefragt nach ihrer Einschätzung der Gestaltung der Lernwelt konnten die Studierenden anhand einer vierstufigen Ratingskala ihre Abschätzung vornehmen. Die Ergebnisse werden in Abbildung 4 visualisiert.

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4 % der Studierenden gaben an, dass die Gestaltung der Lernwelt „überhaupt nicht gelungen“ sei. Demgegenüber sahen 65,3 % der Befragten die Gestaltung als „gelungen“ oder „sehr gelungen“ (10,4 %) an. Es zeigt sich, dass eine Mehrheit die Gestaltung der Lernwelt als attraktiv gestaltet empfindet. Bezogen auf den von Walden geforderten „Wohlfühlfaktor“ bedeutet dies, dass sich über die Hälfte der Nutzer/innen in der Lernwelt wohlfühlt.

6.2. Sozialform im Wandel

Wie die Ergebnisse der Online-Befragung zeigen, wird in der Lernwelt vorwiegend in Gruppen gearbeitet. 47,9 % der Befragten gaben an, dass sie „öfters in Gruppen, selten allein“ arbeiten. Lediglich 5,1 % der Befragten gaben an, „ausschließlich alleine“ in der Lernwelt zu arbeiten. 26,5 % der Befragten gaben an, „nur in Gruppen“ in der Lernwelt zu arbeiten. Dies deckt sich mit den Ergebnissen der Interviews. Von den 70 Befragten gaben alle an, Gruppenarbeiten in der Lernwelt zu erledigen. 14 Personen (20 %) gaben an, auch Einzelarbeit in der Lernwelt zu verrichten. Hier zeigt sich eine Veränderung zu den Ergebnissen in der Untersuchung zum LearnerLab. Dort war die Verteilung von Einzel- und Gruppenarbeit noch gleichmäßig (50/50 %) und es wurde auch noch stärker analog gearbeitet.

6.3. Zeitliche Dimension der Nutzung

Die Ergebnisse zur Nutzungshäufigkeit des Fragebogens werden ebenfalls von den Interviews bestätigt. Im Fragebogen gaben 36,7 % an, durchschnittlich ein- bis zweimal pro Woche die Lernwelt aufzusuchen. Von den interviewten Personen gab knapp ein Drittel (31,4 %) an, durchschnittlich ein- bis zweimal in der Woche in der Lernwelt zu sein.

Zur durchschnittlichen Nutzungsdauer gaben im Interview die meisten Befragten (65,7 %) an, ihre Hohlstunden und die Pausen in der Lernwelt zu verbringen. Dieses deckt sich wiederum mit den Angaben aus der Online-Befragung (43,8 %). Ferner zeigte sich in beiden Befragungen, dass nur sehr wenige Studierende mehr als vier Stunden am Stück in der Lernwelt verbringen. Im Fragebogen gaben 12,8 % eine solche Nutzungsdauer von vier Stunden oder mehr an, im Interview gaben dies 12,9 % der Befragten an. Bei einer Nutzungsdauer von über vier Stunden und über 10 % der Nutzer/innen, die diesen Zeitraum in der Lernwelt verbringen, ist es wichtig, in der Gestaltung die notwendigen Pausen, den Wechsel von Sitzmöbeln aus ergonomischen Gründen und die Möglichkeit zur Bewegung mit anzubieten. Auch hier ist die Vielfalt der angebotenen Möbel eine Lösungsmöglichkeit.

6.4. Vielfalt und Flexibilität des Interieurs

Zudem wurde im Fragebogen nach positiven Aspekten zur Möblierung gefragt, die von den Befragten in einem Freitextfeld angegeben werden konnten. Es zeigt sich, dass 44,1 % die Vielfalt der Möbel positiv beurteilen und 19,8 % heben die Mobilität der Möbel als positiven Aspekt hervor.

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Es gab jedoch auch negative Aussagen zur Möblierung. So gaben 31,4 % der Befragten an, dass zu wenige Stühle vorhanden seien, und 19,8 % bemängelten, dass es zu wenig Tische gebe. Auffällig ist ebenfalls, dass – wenn man die absoluten Zahlen betrachtet – 111 Personen positive Aspekte anmerkten, während 283 Personen etwas zu bemängeln fanden. In Bezug auf die Möblierung wurden 271 Wünsche im Fragebogen geäußert. Viele negative Nennungen wurden in den Wünschen aufgegriffen. Knapp die Hälfte der genannten Wünsche (47,6 %) entfiel auf „mehr Stühle oder Tische“. Einzelne Aussagen zu den Wünschen beziehen sich auf bequemere Sofas, Sitzsäcke oder Terrassenmöbel für den Außenbereich. Im Interview bestätigte sich der dringende Wunsch nach mehr Möblierung. 32,9 % äußerten diesen Wunsch. Dies lässt den Schluss zu, dass im Sinne von Territorialität und sozialen Distanzen noch Potenzial zur Mehrbestückung vorhanden ist. Allerdings sind dieser Mehrbestückung durch die Arbeitsplatzverordnung (vgl. DIN 4543) Grenzen gesetzt.

6.5. Bedeutung der Ausstattung

Die Lernwelt verfügt über drei mobile Monitore, die den Nutzer/innen ohne großen Aufwand zur Verfügung stehen. Diese Monitore sind für Kleingruppen, die gemeinsam nicht auf einen kleinen Laptop-Monitor schauen wollen, von hoher Bedeutung. Um zu erfahren, ob die drei verfügbaren Monitore ausreichend sind, wurde darauf ein besonderes Augenmerk gelegt.

Im Fragebogen wurden die mobilen Monitore von 20,2 % der Befragten als positiver Aspekt genannt. Auch die technische Ausstattung (15,3 %) und die mobilen Trennwände (14,5 %) waren für die Befragten von positiver Bedeutung. Negativ angemerkt wurde jedoch, dass zu wenige Steckdosen (43,2 %) und Trennwände (19,5 %) vorhanden seien. Die Wünsche an die Lernwelt spiegeln dies wider: 17,5 % wünschen sich mehr mobile Monitore und mehr Stellwände (13,6 %). Die Wünsche nach mehr Monitoren zeigen das Bedürfnis nach mehr Autonomie und besserer Interaktion mit den anderen Kleingruppenmitgliedern, da sie den digitalen Workflow enorm erleichtern. Der Wunsch nach Trennwänden drückt das Bedürfnis nach mehr Privatheit, Umweltkontrolle und Territorialität aus. Dieses Bedürfnis kann offensichtlich durch die Verwendung der Trennwände befriedigt werden.

6.6. Bedeutung der Konzeption

30,5 % der Studierenden gaben als positiven Aspekt an, dass die Lernwelt für Gruppenarbeit gut konzipiert und geeignet sei. 14,5 % beurteilten die Flexibilität der Möbel sehr positiv und 22,1 % fanden die gesamte Konzeption „an sich“ sehr gut. Als negativ wurde von 29,4 % angemerkt, dass es zu wenig Arbeitsplätze bzw. zu viel ungenutzte Fläche gäbe.

Auch die Belüftung des Raumes wurde negativ beurteilt. So empfanden 17,3 % die Luft in der Lernwelt „stickig“ und „schlecht“. Die Belüftung der Lernwelt konnte in der Konzeption des Raumes aufgrund der baulichen Gegebenheiten nicht neu gestaltet werden. Jedoch wird nun nach neuen Lösungen für dieses Nutzungsproblem gesucht. Des Weiteren gaben 15,9 % an, dass es in der Lernwelt zu laut sei. Auch diese Information fließt in die weitere Konzeption und Steuerung der Lernwelt ein.

Diese Ergebnisse spiegeln sich in den Antworten der Interviewten wieder, die nach Frustrationsgründen gefragt wurden. In den Interviews gaben 48,6 % an, dass es sie frustriert, wenn kein Arbeitsplatz in der Lernwelt frei ist. 42,8 % störten sich an zu wenigen Steckdosen und 35,7 % gaben an, dass sie die Belüftung der Lernwelt als Ärgernis empfinden. 34,3 % gaben an, dass es in der Lernwelt zu laut sei. Als Wunsch wurde im Fragebogen von 19,3 % ein besseres Raumklima bzw. eine bessere Belüftung angegeben. Im Interview äußerten 10 % der Befragten diesen Wunsch.

Des Weiteren wurden im Interview 70 Personen gefragt, welche Möbel sie bevorzugen resp. eher meiden würden. Die Abbildungen 9 und 10 zeigen die Ergebnisse. Es zeigt sich, dass ein Tisch in Arbeitshöhe und ein Bürostuhl von 77,1 % der Interviewten bevorzugt würden.

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Ein weiteres Kriterium der Platzwahl ist die Verfügbarkeit von Steckdosen. 24,2 % gaben an, dass sie einen Arbeitsplatz mit Steckdosen bevorzugen. Über eine Steckdose zu verfügen, macht die Nutzer/innen unabhängig von dem Ladestatus des Akkus des Gerätes. Dies erhöht das Gefühl der Autonomie und der Selbstbestimmung der Nutzer/innen, die Stromversorgung am Arbeitsplatz wird daher als wertvoll angesehen. Diese Ergebnisse decken sich mit den Interviewangaben, welche Möbel bei freier Wahl gemieden würden. Grafisch aufbereitet zeigt dies Abbildung 10.

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Werden die Loungemöbel zum Chillen von 35 % der Befragten genutzt, so würden 57,1 % diese meiden, wenn sie freie Wahl des Arbeitsplatzes hätten. Ebenso lehnen 22,9 % die ergonomischen Hocker, welche mit einem nach außen gewölbten Fuß versehen sind und somit den Effekt eines Sitzballes haben, um das dynamische Sitzen zu unterstützen, ab. Diese Hocker werden auch in den Frustrationsgründen von 18.6 % genannt.

6.7. Weiterführende Betreuung

In der Lernwelt wurde testweise ein Mitarbeiter zur technischen Betreuung eingesetzt, da in den vorhergehenden Befragungen im LearnerLab der Wunsch danach geäußert worden war. Der Mitarbeiter sollte den Nutzer/innen bei technischen Fragen zur Seite stehen, und bei Bedarf fehlende Adapter u.ä. zur Verfügung stellen.

In den Interviews war weiterhin von Erkenntnisinteresse, wie die Studierenden die Betreuungssituation wahrnehmen und ob sich die Teilnehmer weitergehende Betreuung, z.B. durch das Didaktikzentrum oder andere übergeordnete Institutionen vorstellen könnten. Es zeigte sich, dass die vorhandene Betreuungsperson für technische Fragen größtenteils nicht wahrgenommen wurde. 78,6 % fanden die technische Unterstützung einer Betreuungsperson gut. Jedoch lehnten 81,4 % eine weitergehende Betreuung ab.

7. Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Ergebnisse der vorgestellten Untersuchung die Ergebnisse einer früheren Studie zum (kleineren) LearnerLab28 bestätigen und ergänzen. Die Daten erweitern die bisherigen Erkenntnisse dahingehend, dass die Raumgröße und die Beschaffenheit des physikalischen Raumes keinen messbaren Einfluss auf das Verhalten der Studierenden haben. Die neue Lernwelt ist mit 440 qm deutlich größer als das LearnerLab mit 60 qm. Auch in ihrer Beschaffenheit unterscheiden sich beide Räume deutlich voneinander. Die Qualität der Lernwelt wird als „gut“ eingeschätzt. Da aber auch 38,4 % der Befragten mit „teils/teils“ antworteten, sollen in einer Folgestudie die Qualitätskriterien detaillierter abgefragt werden. Damit könnten die Bedürfnisse der Nutzer/innen spezifischer erfasst werden. Die Gestaltung der Lernwelt wurde ebenfalls positiv beurteilt. Dies drückt sich vor allem in der Wertschätzung der Vielfalt und Flexibilität des Interieurs aus.

Es zeigt sich im Vergleich zu der Studie im LearnerLab, dass sich die Sozialform der Nutzer/innen zur Gruppenarbeit hin verstärkt. Es werden in der Lernwelt mehr Kleingruppen angetroffen als Einzelarbeiter. Dies lässt zwei Schlussfolgerungen zu: Zum einen ist es denkbar, dass sich die Lehr- und Lernformen gewandelt und die Studierenden somit mehr Gruppenarbeiten zu erledigen haben. Zum anderen ist es auch denkbar, dass die Studierenden – abhängig von den gestellten Aufgaben im Studium – verschiedene Räume innerhalb der Hochschule aufsuchen und nutzen. So könnte es sein, dass die in Einzelarbeit Lernenden sich in die Bibliothek zurückziehen. Die Lernwelt wird hingegen stärker für Gruppenarbeit bevorzugt. Dies soll in einer weiteren, anschließenden Untersuchung geklärt werden.

Bei der Frage nach der Nutzungsdauer der Lernwelt gaben die Studierenden an, vor allem Hohlstunden und Pausen dort zu verbringen. Dies hat vor allem pragmatische Gründe. Die Lernwelt bietet neben Strom weitere technische Unterstützung, die das Überbrücken dieser Leerlaufzeiten mit einer sinnvollen Tätigkeit ermöglicht. Ähnlich verhält es sich mit der Nutzungshäufigkeit. Diese scheint zu großen Teilen im Stundenplan der Studierenden begründet zu sein.

Die Vielfalt und die hohe Beweglichkeit der Möbel wurden als positive Aspekte angegeben. Dies ist ein Zeichen dafür, dass der Anspruch der Studierenden hinsichtlich der Individualisierung und Personalisierung auch in der Lernumgebung Einzug gehalten hat. Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Punkt ist die Tatsache, dass sich auch ergonomische Aspekte widerspiegeln. Bei der Stuhl- und Tischwahl spielen individuelle ergonomische Bedürfnisse der Nutzer/innen eine Rolle. Darauf scheint das Wechseln der Möbel (z.B. vom Bürostuhl zur Lounge) hinzuweisen. Die Beliebtheit der Lernwelt scheint gerade deshalb so hoch zu sein. Wenn auch nicht alle Möbel gleich stark genutzt werden, so hat doch jedes Möbel seine Berechtigung. Die Vielfalt wird als ein großer Vorteil gesehen und der Wechsel von Sitzmöglichkeiten ist aus ergonomischer Sicht sinnvoll.

Mit der Digitalisierung der Arbeit hat auch der Bedarf an technischem Equipment bei Studierenden zugenommen. Auch spielt die Sozialform „Gruppenarbeit“ eine Rolle. Um z.B. alle Gruppenmitglieder an einem View teilhaben zu lassen, ist ein großer Monitor oder ein Beamer unerlässlich. In dem Wunsch nach mehr Stellwänden werden die Bedürfnisse nach Privatheit und Kontrolle sichtbar: die Personalisierung des Raumes, das Abschotten, der Wunsch ungestört zu sein, einen eigenen Raum zu haben. Die Stellwände werden genutzt, um sich die Raumaneignung zu erleichtern und um das Bedürfnis nach einer eigenen „Wohlfühlatmosphäre“ zu befriedigen.

In Bezug auf die Wahl der Möbel zeigt sich, dass zumeist ein Tisch auf Arbeitshöhe und ein Bürostuhl von den Studierenden bevorzugt werden. Dies ist insofern nicht verwunderlich, da dies eine erlernte, vertraute Arbeitsumgebung ist, die möglicherweise das Einstimmen auf das jeweilige Vorhaben erleichtert. Weitere Gründe scheinen pragmatischer Natur zu sein. Die Aussagen zu den „gemiedenen Möbeln“ lassen folgende Rückschlüsse zu: Die Loungemöbel laden zum Entspannen ein – diese sind in den Mindsets der Nutzer/innen nicht mit Arbeiten verknüpft. Jedoch könnte eine Ursache für die geringe Akzeptanz der Loungemöbel auch darin gesehen werden, dass Sitz- und Tischhöhe dieses Möbelangebotes sehr niedrig sind und somit längeres Arbeiten am Laptop in dieser geneigten Haltung zu Rückenschmerzen führt.

Interessant ist, dass eine weiterführende Betreuung abgelehnt wird. Ein Grund dafür könnte sein, dass Studierende befürchten, durch zusätzliche Unterstützung könnten verfügbare Plätze wegfallen. Zudem scheint es für zusätzliche Unterstützung in der Lernwelt keinen Bedarf zu geben. Diese wird eher als Überangebot wahrgenommen, wie eine typische Aussage der Studierenden zeigt: Sie wüssten schließlich, wo die jeweiligen Institutionen zu finden seien, wenn sie sie bräuchten.

Die Ergebnisse der apparativen Beobachtung und der Schallpegelmessung werden im Herbst 2016 vorliegen. Der erste Einblick in die Beobachtungsergebnisse weist darauf hin, dass die Personalisierung des Raumes beim Lernen eine große Rolle spielt, und sich das Abschottungsverhalten der Nutzer/innen verstärkt.

Abschließend lässt sich sagen, dass sich die nutzerzentrierte Konzeption auszahlt. Es zeigt sich, dass die hohe Flexibilität der Einrichtung einen positiven Effekt auf die Bedürfniserfüllung von Territorialität und Privatheit hat – und somit, wenn auch nur indirekt, auf die Organisation des Lernens der Studierenden.

Literaturverzeichnis

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1 Margret Fell, „Andragogische Grundüberlegungen zu einer lernförderlichen Gestaltung von umbauten Bildungsräumen“, in Lernräume – Gestaltung von Lernumgebungen für Weiterbildung, hrsg. Andreas Diettrich, Wolfgang Wittwer und Markus Walber (Wiesbaden: Springer VS, 2015), 43.

2 Ebd., 43.

3 Ebd., 45.

4 Ebd., 43.

5 Ebd., 50.

6 Albert Mehrabian, Räume des Alltags – Wie die Umwelt unser Verhalten bestimmt, Reihe Campus 1015 (Frankfurt am Main: Campus-Verlag, 1987), 132 ff.

7 Rotraut Walden, Architekturpsychologie – Schule, Hochschule und Bürogebäude der Zukunft (Lengerich: Pabst Science Publisher, 2008), 17.

8 Das VIA Collage ist ein drahtloses Präsentationssystem, an dem mehrere Nutzer gleichzeitig an einem Dokument u.ä. arbeiten können.

9 Einen anschaulichen Eindruck von der Einrichtung der neuen Lernwelt gibt das Video von Simon Kazanli, „HdM LearnerLab – Die neue Lernwelt der Hochschule der Medien, Stuttgart,“ zuletzt geprüft am 26.10.2016, https://vimeo.com/88077478.

10 Der erkenntnistheoretische Begriff der Abduktion (nach C. S. Peirce) definiert die Hypothesenbildung als ersten Schritt des wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses. Ziel ist es, ausgehend von Fakten oder Daten mittels kreativem Schluss auf allgemeine Zusammenhänge oder Prinzipien zu stoßen, welche die Daten erklären können, und neue Zusammenhänge zu entdecken. Zur Induktion grenzt sich dieses Verfahren dadurch ab, dass nicht von bekannten auf ähnliche Fälle geschlossen wird. Ein abduktiver Schluss kann durch Evidenzen widerlegt werden.

11 Wolfgang Hain, „Gelungene Räume für gelungenes Lernen und gelungenes Arbeiten,“ in Raum + Lernen – Raum + Leistung, hrsg. Claudia Dehn (Hannover: Expressum-Verlag, 2008), 107.

12 Ebd.

13 Gustave Nicolas Fischer, Psychologie des Arbeitsraumes (Frankfurt am Main, New York: Campus-Verlag, 1990), 98.

14 Richard Stang und Alexandra Strahl, „Flexible Lernraumgestaltung für Studierende: das LearnerLab der Hochschule der Medien,“ in Lernarchitekturen und (Online-) Lernräume, hrsg. Rolf Arnold, Markus Lermen und Dorit Günther (Baltmannsweiler, 2016), 165–182.

15 Antje Flade, Architektur – psychologisch betrachtet (Bern: Huber, 2008), Kindle Edition, Kapitel 4.4: „Räumliches Verhalten und Territorialität“.

16 Ebd.

17 Ebd.

18 Edward L. Deci und Richard M. Ryan, „The ,What’ and the ,Why’ of Goal Pursuits: Human Needs and the Self-Determination of Behavior,“ Psychological Inquiry 11, No. 4, 2000: 227–268.

19 Flade, Architektur – psychologisch betrachtet, Kapitel 4.4.

20 Ebd.

21 Ebd., Kapitel 4.5: „Privatheit“.

22 Joseph P. Forgas, Soziale Interaktion und Kommunikation (Weinheim: Beltz, Psychologie-Verlags-Union, 1999), 287.

23 Vgl. Richard Stang und Alexandra Strahl, „Flexible Lernraumgestaltung“.

24 Fischer, Psychologie des Arbeitsraumes, 98.

25 Ebd., 100.

26 Philipp Mayring, Qualitative Inhaltsanalyse, 11. Auflage (Weinheim: Beltz, 2010).

27 Rainer Schnell, Paul B. Hill und Elke Esser, Methoden der empirischen Sozialforschung, 7. Auflage (München, Wien: Oldenbourg, 2005), 379.

28 Richard Stang und Alexandra Strahl, „Flexible Lernraumgestaltung“.