Bibliotheksstrategie und Bibliotheksmanagement

Move!

UB 2020 – Change an der Universitätsbibliothek Mainz

Andreas Brandtner, Universitätsbibliothek Mainz
Stefanus Schweizer, Universitätsbibliothek Mainz

Zusammenfassung:

Die Universitätsbibliothek Mainz arbeitet intensiv daran, sich als professionelle und aktive Dienstleistungseinrichtung weiterzuentwickeln sowie strategisch stark für die Zukunft aufzustellen. Um diese Vorhaben beschleunigt und nachhaltig umzusetzen, wurde auf der Basis einer seit 2011 konsequent betriebenen Organisationsentwicklung ein breit angelegter Veränderungsprozess begonnen. Unter dem Motto „UB 2020 – Gemeinsam Zukunft gestalten“ wurde das Projekt bewusst prozessfokussiert und themenoffen gestartet. Seit Ende 2014 wurde ein Themenportfolio erarbeitet und die Projekt­organisation entwickelt. In der Folge wurden bislang fünf Teilprojekte aufgesetzt, die von einer ausgeprägten Beteiligung der Bibliotheksmitarbeiterinnen und -mitarbeiter getragen werden. Die Teilprojekte bilden verschiedene Perspektiven ab, von der Definition strategischer Ziele oder der Positionierung innerhalb der Universität bis hin zur Gestaltung innovativer Dienstleistungen. Auch die Bearbeitung der internen Themen Entwicklung der Organisationskultur bzw. Aufgabenverteilung zentral / dezentral ist erfolgsentscheidend.

Summary:

The Mainz University Library strives to further improve its services and to strategically plan ahead for the future. To achieve these goals faster as well as more effectively, we have started to implement several coordinated changes, all based on a development plan that has been consequently pursued since 2011. According to our motto „UB 2020 – Shaping the Future Together“, we deliberately conceptualized this project as a process, without pre-selecting specific areas of activity. Since late 2014, a portfolio of possible topics has been put together and the general organizational framework of the project has been developed. So far, we have come up with five sub-projects in which the library staff is heavily involved. The sub-projects cover various areas, including the definition of strategic goals, the positioning of the library within the university, and the development of new innovative services. Internal questions such as how to develop an organizational culture and how to allocate tasks within the library system will also be crucial for the success.

Zitierfähiger Link (DOI): http://dx.doi.org/10.5282/o-bib/2016H4S21-31
Autorenidentifikation: Brandtner, Andreas: GND 1023331004; ORCID http://orcid.org/0000-0003-3883-6295; Schweizer, Stefanus: GND 128840323
Schlagwörter: Universitätsbibliothek, Change-Management, Organisationsentwicklung, Organisationskultur, Strategie

1. Wo setzen wir an?
Voraussetzungen und Rahmenbedingungen

Die im Jahr 2011 bestellte Leitung der UB Mainz hat einen umfassenden Erneuerungsprozess der Bibliothek in Gang gebracht.1 Dabei stehen die gezielte Verbesserung des operativen Bereichs neben der strategischen Neupositionierung und der Bearbeitung der Organisationskultur im Vordergrund. Zuerst galt es, eine konsequente Organisationsentwicklung zu etablieren, die vor dem Hintergrund der digitalen Transformation permanent und unnachgiebig an der zukunftsorientierten Ausrichtung der Bibliothek arbeitet. Organisation wird dabei grundlegend als Prozess und (eigen-)dynamisches System begriffen, das der Logik einer nicht-trivialen Maschine folgt und wesentlich durch Komplexität bestimmt ist. Auf der Basis dieser mittlerweile etablierten Organisationsentwicklung wurde Ende 2014 ein Change-Prozess initiiert, der als Projekt die Erneuerung unterstützt. Dabei gilt für die UB Mainz: Entscheidend sind nicht die produzierten Papiere und Konzepte, sondern die konkreten und nachhaltigen Veränderungen der organisationalen Realität.

Ausgehend von der strategischen Grundentscheidung, die UB als hochaktiven Informations- und Informationsinfrastrukturdienstleister der Johannes Gutenberg-Universität Mainz zu etablieren, wurden seit 2011 vor allem folgende Ziele verfolgt: Das genuin zweischichtige Bibliothekssystem wurde entschieden in Richtung funktionaler Einschichtigkeit weiterentwickelt. Die bibliothekarischen Prozesse wurden von den Fachbereichen in die UB überführt und schrittweise dem State of the Art angepasst. Zudem wurden neue Aufgaben in die UB übernommen. So wurde das Universitätsarchiv als eigene Abteilung integriert, die Koordination der Universitätssammlungen erfolgt mittlerweile von der UB aus, die auch den multifunktionalen Veranstaltungsraum „Schule des Sehens“ organisiert. Ein wichtiger Baustein der Modernisierung war auch die Eingliederung des Digitalisierungs- und Fotozentrums. Als initiale Maßnahme zur strategischen Positionierung wurde ein Mission Statement erstellt, das den Grundauftrag der UB Mainz zusammenfasst.2

2. Wohin wollen wir?
Grundüberlegungen und Zielsetzungen

Auf der Basis der regulär-permanenten Organisationsentwicklung hat die UB-Leitung Ende 2014 den Change-Prozess „UB 2020“ gestartet. Dieses Vorhaben versteht sich als Teil der Organisationsentwicklung und soll dieser projekthaft zusätzliche Dynamik verleihen. Bereits in der Vorprojektphase wurde unterstrichen, dass Veränderungsprojekte gänzlich andere Herausforderungen für Organisationen mit sich bringen als klassische Entwicklungsprojekte. Bei traditionell eingesetzten Projekten werden in der Regel konkrete Ressourcen (Geld, Personal, Zeit) sowie Inhalt, Umfang und Qualität der anvisierten Projektergebnisse organisiert und damit tendenziell bekannte und berechenbare Größen verhandelt. Veränderungsprojekte sind ungleich komplexer, weil hier unvertraute und offene Bereiche wie Potenziale, Chancen, Begeisterung, Zusammenarbeit, Ängste und Konflikte in den Vordergrund treten.

„UB 2020“ ist ein Veränderungsprojekt, das top-down auf den Weg gebracht wurde und sofort komplementär eine Bottom-Up-Bewegung initiierte, die im weiteren Verlauf gesteigert wird. Es resultiert aus der Überzeugung der UB-Direktion, dass Universitätsbibliotheken in Zeiten der digitalen Transformation nur reüssieren werden, wenn sie sich zukunftsorientiert erneuern.3 Insofern ist „UB 2020“ ein Organisationsentwicklungsprojekt, das auf die langfristige Sicherung der universitären Informationsversorgung durch eine Expertenorganisation, wie sie eine Universitätsbibliothek darstellt, abzielt. Die UB Mainz soll in ihrem Bestehen gefestigt und in ihrem Aktionsniveau ausgebaut werden, um die Universität als verlässlicher und gestaltbarer Dienstleister unterstützen zu können. Dabei gehen wir von der Grundüberzeugung aus, dass die universitäre Informationsversorgung auch zukünftig von universitätseigenen Bibliotheken erbracht werden soll, um sie nicht gänzlich der kaum kalkulierbaren Entwicklung des Informationsmarkts und ihrer jeweils dominanten Player zu überlassen.

Sowohl Organisationsentwicklung als auch Change Management sind zukunftsorientierte Prozesse. Blickt man nun in die Zukunft des Informationsmarkts und damit in die Zukunft der Bibliotheken, ist unschwer zu erkennen, dass sich das Marktgeschehen durch disruptive Innovation, harte Konkurrenz und hochgradige Rasanz auszeichnet. Daraus erhellt, dass die langfristige Entwicklungsperspektive des Informationsmarkts nur äußerst spekulativ prognostizierbar ist und die Zukunft der Bibliotheken bloß kurz- bis mittelfristig überblickbar erscheint. Für die Perspektive der Organisation bedeutet das, dass ihre Umwelten schwierig durchschaubar sind und ihre Zukunft nicht berechenbar ist. Eine im Sinn neoklassischer Organisationstheorien eingesetzte mechanistische Steuerung, die in Kausalketten denkt und sich rein rationalen Operationen verpflichtet weiß, muss ihre Grenzen erkennen, wenn das Terrain unsicher wird. Folglich ist die traditionelle Planung auf das überblickbare operative Geschäft zu konzentrieren und in der Organisation eine darüber hinausgehende Aktivität in Gang zu setzen, die systemisch angelegt ist. Diese setzt darauf, die Organisation zu befähigen, eigenständig ihr spezifisches Problemlösungspotential zu entwickeln und auszubauen. Und hier hat der Veränderungsprozess anzusetzen: Denn Veränderung funktioniert nur aus dem System heraus nachhaltig, was heißt, dass der Change-Prozess selbst die Organisation zu verändern hat. Insofern steht die Gestaltung des Prozesses im Mittelpunkt; die konkreten Inhalte sind demgegenüber nachgeordnet.

Für die Organisationsentwicklung und das Veränderungsmanagement der UB Mainz resultiert daraus, dass die eingeleiteten Prozesse so zu gestalten sind, dass sie die Organisation selbst verändern und sie dazu befähigen, mit fluiden Umwelten und mit einer offenen Zukunft produktiv umzugehen. Im Zentrum dieses Aufbaus organisationaler Kompetenzen bestehen die primären Ziele in der Ausprägung eines neuen Arbeitsmodus, in der Entwicklung eines neuen Selbstverständnisses und in einer neuen Form der Zusammenarbeit. Diese Aspekte sind die entscheidenden Voraussetzungen, um zukünftige, schwierig kalkulierbare Veränderungen zu meistern. Eine Reihe von Kernthemen müssen über den gesamten Projektverlauf im Auge behalten werden, da sie für die Dynamik des Veränderungsprozesses sorgen. Sie bilden die Grundbausteine und Erfolgsfaktoren unserer Architektur des Wandels: Unser Veränderungsprozess ist klar und allgemein nachvollziehbar motiviert. Seine dringliche Notwendigkeit resultiert aus der digitalen Transformation und ihren Auswirkungen auf den Informationsmarkt. Die Entwicklung und Vermittlung von Vision und Strategie bilden das Fundament und geben die Richtung, die konsequente Arbeit an der Organisationskultur sorgt für Nachhaltigkeit. Information und Transparenz sind die unabdingbaren Voraussetzungen für Kommunikation und Partizipation. Die Beteiligung möglichst vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sichert die Akzeptanz, verbessert die Qualität und erhöht die Erfolgschancen. Unsere Change-Architektur greift damit auch auf Grundüberlegungen zurück, die der Managementprofessor und Veränderungsexperte John P. Kotter seit der Mitte der 1990er Jahre mit seinem 8-Stufen-Modell entwickelt4 und bis heute mit einer Hinwendung zur Netzwerkorganisation weitergedacht hat.5

3. Wie gehen wir vor?
Das Veränderungsprojekt

Frühzeitig haben wir uns dafür entschieden, unseren Change-Prozess von einem externen Berater begleiten zu lassen. Damit sollte die Prozessarbeit an einen professionellen Partner delegiert werden, zudem waren uns der Blick von außen und das organisationserfahrene Feedback wichtig. Bei der Wahl unseres Beraters erwies es sich als äußerst vorteilhaft, dass wir bereits über kleinere Projekte gemeinsame Prozesserfahrung machen konnten und gegenseitig Verständnis und Wertschätzung aufgebaut hatten.

Von besonderer Bedeutung für den Erfolg des Projekts ist die Aktivierung der Bottom-Up-Komponente, also die extensive Beteiligung der Belegschaft sowohl in der Breite als auch in der Tiefe. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind explizit zur aktiven Beteiligung eingeladen. Deswegen wurden bereits in der Vorprojektphase unterschiedliche Personenkreise aktiviert, um einerseits Anlass, Dringlichkeit und Ziele des Veränderungsprozesses zu vermitteln und andererseits mögliche Inhalte einzusammeln. Begonnen haben wir mit einem Konzept-Workshop, um den Lenkungsausschuss als zentrales Gremium des Projekts zu initiieren. Die Mitglieder tauschten sich dabei über Veränderungserfahrungen, Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren sowie Stakeholder aus und begannen somit, ein gemeinsames Verständnis von „UB 2020“ aufzubauen. Bei der darauf folgenden zweitägigen Klausurtagung der Führungskräfte wurden die Prinzipien der Change-Architektur vorgestellt und diskutiert sowie Themenvorschläge erarbeitet und bewertet. Der eigentliche Start-Workshop erweiterte den Teilnehmerkreis des Lenkungsausschusses um UB-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter ohne Führungsaufgaben aus allen Arbeitsgebieten, sodass ein möglichst breites Erfahrungsspektrum der Bibliothek zusammengeführt wurde. In intensiven Gruppenarbeiten wurde hier nun das konkrete Themenportfolio generiert und die Projektstruktur festgelegt. Schließlich wurden über Priorisierungen fünf konkrete Teilprojekte eingesetzt und die Projektteams sowie die Projektleitungen nominiert. Angesichts der durchschnittlichen Größe der Teilprojekte waren damit bereits etwa dreißig Personen aktiv in „UB 2020“ involviert. Die fünf Teilprojekte wurden sowohl auf grundlegende Themen (Strategische Ziele / Entwicklung der Organisationskultur / Positionierung und Präsentation der UB) als auch auf praktische Maßnahmen (Innovative Dienstleistungen / Aufgabenverteilung zentral / dezentral) ausgerichtet. Als Querschnittsaufgabe wurde die Projektkommunikation installiert, die die Kommunikation des Organisationsentwicklungsprozesses in der UB Mainz, in der Universität Mainz und universitätsextern zu unterstützen hat.

Damit war die Vorprojektphase abgeschlossen und folgende Ausgangssituation hergestellt: Dem Projekt „UB 2020“ steht ein Lenkungsausschuss (zehn Mitglieder) unter Vorsitz des UB-Direktors, der als Auftraggeber fungiert, vor. Es wird von einem Gesamtprojektleiter koordiniert. Die Teilprojektleiterrunde stimmt sich zudem regelmäßig ab. Mitte 2016 wurde ein Feedbackgremium, das sogenannte Sounding Board, institutionalisiert, das die Verankerung in der Organisation verdeutlichen und fördern soll. Darin sind ca. zwanzig UB-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter sowie jeweils eine Vertreterin oder ein Vertreter der Teilprojekte und die Gesamtprojektleitung repräsentiert. Im zweiten Jahr des Projekts sind somit bereits ca. fünfzig Personen, das heißt, rund ein Viertel der Belegschaft direkt mit „UB 2020“ befasst. Die Gesamtbelegschaft wird über E-Mails, die Projektseite im Intranet, in der einmal jährlich stattfindenden UB-Vollversammlung und nicht zuletzt von den Kolleginnen und Kollegen informiert, die bereits im Projekt mitarbeiten (s. Abbildung 1).

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4. Wo stehen wir?
Aktuelle Ergebnisse

Strategische Ziele

Von essentieller Bedeutung für den Start und die Ausrichtung des Projekts war die intensive Diskussion der Strategie der UB Mainz. So wurde gleich zu Projektbeginn mit der Entwicklung einer Strategie begonnen, um einen Gesamtrahmen für „UB 2020“ herzustellen. Das Teilprojekt „Strategische Ziele“, das der UB-Direktor geleitet hat, beschäftigte sich mit folgenden Bereichen der Organisationspyramide: der Vision, den strategischen Leitlinien, den strategischen Zielen, den strategischen Maßnahmen und der Überarbeitung des 2013 verabschiedeten Mission Statement. Beschreibt das Mission Statement den Grundauftrag der UB, so benennen die strategischen Leitlinien die zentralen Elemente der mittelfristigen strategischen Ausrichtung. Da die UB Mainz ihre hauptsächliche Mission als Dienstleistungseinrichtung der Universität wahrnimmt, um die Forschenden, Lehrenden und Studierenden mit Information und Informationsinfrastruktur zu versorgen, stellt sie in ihrer ersten Strategieperiode (2016–2020) ihre primären Nutzerinnen und Nutzer ins Zentrum ihres Handelns. Folglich widmen sich die ersten fünf Leitlinien der Nutzerorientierung. In der abschließenden sechsten Leitlinie wird die Ausprägung von Exzellenzbereichen ausgesprochen, die jenseits der Nutzerorientierung stattfinden soll. Dies erscheint für die zukunftssichere Entwicklung der Bibliothek insofern unbedingt geboten, als eine radikale Nutzerorientierung in einem reinen Gegenwartsbezug denkt und somit strukturell blinde Flecken in Bezug auf die zukünftigen Perspektiven beinhaltet. Um dem entgegenzuwirken, dient die Ausrichtung auf Exzellenzbereiche als pragmatisches und methodisches Regulativ. Für den Zeitraum 2016–2020 haben wir folgende strategische Leitlinien formuliert und daraus dann strategische Ziele abgeleitet (s. Tabelle 1).

Die strategischen Ziele ihrerseits sind in einer Strategie-Scorecard mit eindeutig zugeordneten strategischen Messgrößen verbunden, die den jeweiligen Zielerreichungsgrad überprüfbar machen. Zudem ist ein Katalog der strategischen Maßnahmen angeschlossen, der die Brücke von der strategischen zur operativen Ebene schlägt. Dieser Katalog benennt die einzelnen Maßnahmen unter Angabe von inhaltlicher Verantwortlichkeit, ausführendem Team, zeitlichem Rahmen und aktuellem Durchführungsstatus. So wie alle anderen Strategiedokumente sind auch die strategischen Maßnahmen im UB-Intranet veröffentlicht; sie werden monatlich aktualisiert.

Nachdem bereits ein Großteil der strategischen Arbeit für die kurz- und mittelfristige Ausrichtung geleistet war, wandte sich das Teilprojekt der Erstellung der Vision zu, also der Spitze der Organisationspyramide, die die langfristige Perspektive benennt. Unsere stark über Bildentwürfe und -auslegungen geleitete Visionsarbeit führte schließlich zu einer Formulierung, die die grundlegende Herausforderung für die UB Mainz auf den Punkt bringt: „Wir setzen Maßstäbe im Engagement für unsere Nutzerinnen und Nutzer sowie in der Entwicklung unserer Services.“

Strategische Leitlinien

Strategische Ziele

1. Wir richten unsere Produkte und Services zukunftsorientiert auf unsere Nutzerinnen und Nutzer hin aus.

1.1. Alle Abteilungen und Standorte gestalten ein gemeinsames Produkt- und Serviceangebot der UB.

1.2. Unsere Angebote entsprechen dem State of the Art und berücksichtigen innovative Entwicklungen auf dem Informationsmarkt und dem Dienstleistungssektor.

2. Wir orientieren unsere Arbeitsweise und unser Handeln konsequent an den Bedürfnissen unserer Nutzerinnen und Nutzer.

2.1. Wir etablieren kundenorientierte Prozesse.

2.2. Wir handeln stets serviceorientiert.

3. Wir erheben systematisch und kontinuierlich die Bedarfe unserer Nutzergruppen.

3.1. Wir etablieren Strukturen und Prozesse zur Bedarfsermittlung und Nutzerforschung.

3.2. Wir evaluieren und bewerten alle Angebote regelmäßig.

4. Wir gestalten unsere Lern- und Kommunikationsorte attraktiv und nach abgestimmten Standards.

4.1. Wir entwickeln unsere Standorte übergreifend nach Standards und berücksichtigen dabei die unterschiedlichen Fachkulturen.

4.2. Wir gestalten unsere Standorte attraktiv und orientieren uns an den gängigen Qualitätsstandards.

5. Wir stellen Daten, Informationen und Literatur digital und nutzerfreundlich zur Verfügung.

5.1. Wir bieten die verschiedenen Segmente unseres Bestands zunehmend digital an.

5.2. Wir richten unser digitales Angebot an den Anforderungen der unterschiedlichen Fachkulturen aus.

5.3. Wir stellen nachhaltige Lösungen zur Nutzung von Daten, Informationen und Literatur in digitalen Arbeitsumgebungen bereit.

6. Wir entwickeln Exzellenzbereiche auf Basis unserer Chancen am Informationsmarkt und der strategischen Ausrichtung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

6.1. Wir schaffen einen organisatorischen Rahmen für entwicklungsbetonte Arbeitsfelder.

6.2. Wir arbeiten als Teil inneruniversitärer und hochschulübergreifender Kooperationsstrukturen.

Entwicklung der Organisationskultur

Dem Teilprojekt „Entwicklung der Organisationskultur“ kommt insofern eine besondere Relevanz zu, als die Organisationskultur wohl als letztlich entscheidender Faktor jedes Unternehmens anzusehen ist.6 Obwohl die Änderung der Organisationskultur ein vielschichtiges und schwieriges Unterfangen ist, scheint die Kulturarbeit aus Sicht der UB Mainz dennoch lohnenswert und unerlässlich. Um einen guten Ausgangspunkt zu finden, haben wir besondere Sorgfalt auf die Analyse unserer Organisationskultur verwandt. Dabei orientierten wir uns an dem Competing Values Framework, einem Modell der Organisationskulturstile, das vier Kulturtypen identifiziert. Auf Basis eines Quadranten-Systems (s. Abbildung 2) sind auf der horizontalen Achse die individualisierte bzw. standardisierte Ausprägung und auf der vertikalen Achse die gleichwertige bzw. rangorientierte Ausprägung dargestellt und in die verschiedenen Kulturen – Ideenkultur, Projektkultur, Strukturkultur und Familienkultur – übersetzt.

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Im Teilprojekt „Entwicklung der Organisationskultur“ wurde die Ist-Kultur – getrennt nach Zentralbibliothek mit tendenziell großen Abteilungen und Bereichsbibliotheken mit tendenziell kleinen Teams – bestimmt (s. Abbildung 3, in Rot) und in Beziehung zu der erarbeiteten Soll-Kultur (s. Abbildung 3, in Grün) gesetzt. Das Ergebnis unserer Diagnose lässt sich wie folgt visualisieren:

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Für Bibliotheken vielleicht wenig überraschend wurde für beide Bereiche eine ausgeprägte Strukturkultur konstatiert. In der Zentralbibliothek wird speziell die Familienkultur noch als stark ausgeprägt angesehen, in den Bereichsbibliotheken die Projektkultur. Im Hinblick auf die Ideenkultur wurden in allen Bereichen Defizite verzeichnet. Als Konsequenz ist festzuhalten, dass die Organisationskultur der UB in Richtung auf die Merkmale „gleichwertig“ und „individualisiert“ weiterentwickelt werden soll. Erste Maßnahmen werden vorbereitet.

Innovative Dienstleistungen – Aufgabenverteilung zentral / dezentral

Neben der Beschäftigung mit den allgemeinen Aspekten Strategie und Organisationskultur wurden auch konkrete Themen in den Fokus von „UB 2020“ genommen und in zwei, mittlerweile abgeschlossenen Teilprojekten behandelt. So wurde das Teilprojekt „Innovative Dienstleistungen“ aufgesetzt, da die Hauptfunktion der UB Mainz in ihrer Nutzungsorientierung liegt. Seine Aufgaben lagen in der Identifizierung von attraktiven, innovativen und nachhaltigen Dienstleistungen für die primären Nutzergruppen, der Sichtung und Analyse vorhandener Materialien zur Feststellung des Nutzerbedarfs und in Überlegungen zur künftigen Ausgestaltung der Bedarfsanalysen. Darüber hinaus legte es die zweischichtige bzw. funktional einschichtige Verfasstheit der UB Mainz nahe, frühzeitig das Teilprojekt „Aufgabenverteilung zentral / dezentral“ zu starten, das sich mit der zentralen bzw. dezentralen Verteilung der Aufgaben beschäftigte.

Gerade diese beiden konkreten Teilprojekte haben sich angeboten, auf schnelle Erfolge abzuzielen. Diese Quick Wins sollen die Sichtbarkeit des Veränderungsprozesses erhöhen und seine Wirksamkeit veranschaulichen. Denn nicht nur die breite Beteiligung, sondern auch die rasche Implementierung einzelner Maßnahmen ist ein wichtiger Faktor für die Akzeptanz des Projekts. Im Rahmen des Teilprojekts „Innovative Dienstleistungen“ wurden folgende Vorhaben definiert, die zeitnah realisiert werden können: Vorstellung von Dienstleistungen im Format der Coffee Lecture, Einholung von Nutzerfeedback mit Pinnwänden bzw. Whiteboards und Etablierung einer strukturierten Kommunikation mit neuberufenen Professorinnen und Professoren. Als Ergebnis des Teilprojekts „Aufgabenverteilung zentral / dezentral“ wurden fachspezifische Austauschforen zwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Zentralbibliothek und der Bereichsbibliotheken eingerichtet (vor allem zu Benutzungsfragen) und die Aufstellungen einheitlicher elektronischer Infobildschirme in allen Bibliotheksbereichen vorbereitet.

5. Wie geht es weiter?
Ausblicke

Nach mehr als eineinhalb Jahren Projektlaufzeit sind die beiden Teilprojekte „Innovative Dienstleistungen“ und „Aufgabenverteilung zentral / dezentral“ mittlerweile erfolgreich beendet, das Teilprojekt „Strategische Ziele“ steht kurz vor seinem Abschluss. Zudem ist evident, dass sich das Teilprojekt „Entwicklung der Organisationskultur“ einem Thema widmet, das als Daueraufgabe fester Teil der Organisationsentwicklung sein muss und nicht im Rahmen eines Projekts abschließend behandelt werden kann. Hier wird zu überlegen sein, wann und in welcher Form die explizite Arbeit an der Organisationskultur vom Projekt „UB 2020“ in die formelle Organisation transferiert wird.

Das Teilprojekt „Positionierung und Präsentation der UB“ ist eben angelaufen, da es erst aktiv gesetzt werden konnte, sobald valide Ergebnisse der Strategie-Gruppe vorlagen, auf denen es aufbaut. Ziel dieses Teilprojekts ist es, das Handlungsumfeld der UB Mainz zu analysieren (Interessengruppen, Wettbewerb, Akteure, Trends, UB-Angebote, aktueller und künftiger Bedarf der Nutzergruppen, Position / Wahrnehmung der UB usw.) und Handlungsoptionen zur Positionierung und Präsentation der UB zu formulieren.

Neu gestartet wird das Teilprojekt „Interne Kommunikation“. Es übernimmt die Aufgabe, die interne Kommunikation der UB flächendeckend und systematisch zu dokumentieren, zu evaluieren und Vorschläge zu ihrer weiteren Optimierung einzubringen. Gerade die interne Kommunikation ist ein Schlüsselfaktor für Organisationen und für die erfolgreiche Umsetzung von Veränderungsprozessen. Auch steht die Frage auf unserer Agenda, wie wir innerhalb der UB eine Wertediskussion in Gang bringen können, um Werte explizit in der Organisation zu verankern. Die gemeinsame Entwicklung eines Wertekanons erscheint uns insofern wichtig, als sie die Umsetzung der Strategie unterstützt, den Veränderungsprozess stimuliert, die positive Ausprägung der Organisationskultur nachhaltig fördert und zur Corporate Identity beiträgt.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Change-Prozess „UB 2020“ auf der Basis unserer Organisationsentwicklung als Projekt ins Laufen gekommen ist. Dabei wurde die strategische Ausrichtung geklärt, die Organisationskultur wird bearbeitet und zusätzliche Dynamik ist entstanden. Gerade in der gegenwärtigen Situation des rasanten und nicht vollständig kalkulierbaren Wandels scheint es für Bibliotheken besonders wichtig, in Bewegung zu kommen und zu bleiben, um Agilität und Flexibilität zu steigern: Move!8

Literaturverzeichnis

Brandtner, Andreas. „Wandel – Krise – Transformation: Herausforderungen für Universitätsbibliotheken am digitalen Informationsmarkt.“ In Vernetztes Wissen. Online. Die Bibliothek als Managementaufgabe: Festschrift für Wolfram Neubauer zum 65. Geburtstag, herausgegeben von Rafael Ball und Stefan Wiederkehr, 63–76. Berlin, Boston: De Gruyter, 2015.

Brandtner, Andreas. „Unfreeze and Move! Veränderungsdynamik und Organisationsentwicklung an der Universitätsbibliothek Mainz.“ o-bib 3, Nr. 1 (2016): 17–31. Zuletzt geprüft am 29.11.2016. https://www.o-bib.de/article/view/2016H1S17-31.

Cameron, Kim S. und Robert E. Quinn. Diagnosing and Changing Organizational Culture: Based on the Competing Values Framework. Reading / Mass. u.a.: Addison-Wesley, 1999.

Kotter, John P. „Leading Change: Why Transformation Efforts Fail.” Harvard Business Review 73, Nr. 2 (1995): 59–67.

Kotter, John P. Leading Change. Boston / Mass.: Harvard Business School Press, 1996.

Kotter, John P. Accelerate: Building Strategic Agility for a Faster-Moving World. Boston / Mass.: Harvard Business Review Press, 2014.

Lewin, Kurt. „Frontiers in Group Dynamics.” Human Relations 1 (1947): 5–41.

Schein, Edgar H. Unternehmenskultur: Ein Handbuch für Führungskräfte. Frankfurt am Main, New York: Campus, 1995.

Schein, Edgar H. und Gerhard Fatzer. Führung und Veränderungsmanagement. Bergisch Gladbach: Edition Humanistische Psychologie, 2009.

1 Vgl. Andreas Brandtner, „Unfreeze and Move! Veränderungsdynamik und Organisationsentwicklung an der Universitätsbibliothek Mainz,“ O-bib – Das offene Bibliotheksjournal 3, Nr. 1 (2016): 17–31, https://www.o-bib.de/article/view/2016H1S17-31.

2 Vgl. „Mission Statement der Universitätsbibliothek Mainz,“ zuletzt geprüft am 31.07.2016, http://www.ub.uni-mainz.de/mission-statement/.

3 Vgl. Andreas Brandtner, „Wandel – Krise – Transformation: Herausforderungen für Universitätsbibliotheken am digitalen Informationsmarkt,“ in Vernetztes Wissen. Online. Die Bibliothek als Managementaufgabe: Festschrift für Wolfram Neubauer zum 65. Geburtstag, hrsg. Rafael Ball und Stefan Wiederkehr (Berlin, Boston: De Gruyter, 2015), 63–76.

4 Vgl. John P. Kotter, „Leading Change: Why Transformation Efforts Fail,” Harvard Business Review 73, Nr. 2 (1995): 59–67; John P. Kotter, Leading Change (Boston / Mass.: Harvard Business School Press, 1996).

5 Vgl. John P. Kotter, Accelerate: Building Strategic Agility for a Faster-Moving World (Boston / Mass.: Harvard Business Review Press, 2014).

6 Vgl. Edgar H. Schein, Unternehmenskultur: Ein Handbuch für Führungskräfte (Frankfurt am Main, New York: Campus, 1995); Edgar H. Schein und Gerhard Fatzer, Führung und Veränderungsmanagement (Bergisch Gladbach: Edition Humanistische Psychologie, 2009).

7 Dieses Modell der Kulturstile ist eine Entwicklung der ComTeam AG und durch das Competing Values Framework von Kim S. Cameron und Robert E. Quinn inspiriert; vgl. Kim S. Cameron und Robert E. Quinn, Diagnosing and Changing Organizational Culture: Based on the Competing Values Framework (Reading / Mass. u.a.: Addison-Wesley, 1999).

8 Zur Begrifflichkeit vgl. das dreistufige Modell sozialer Veränderung (Unfreezing, Moving und Freezing) von Kurt Lewin, „Frontiers in Group Dynamics,“ Human Relations 1 (1947): 5–41.