Aus der Deutschen Forschungsgemeinschaft

In der Herbstsitzung des Ausschusses für Wissenschaftliche Bibliotheken und Informationssysteme (AWBI), die am 12./13.11.2015 stattgefunden hat, standen folgende Themen im Fokus:

Fachinformationsdienste für die Wissenschaft

2015 konnte die dreijährige Überführungsphase der Sondersammelgebiete zu Fachinformations­diensten für die Wissenschaft abgeschlossen werden. Der AWBI hat sich in seiner Sitzung eingehend mit den Anträgen der dritten Phase, die sich vor allem auf Fachinformationsdienste in den Geistes- und Sozialwissenschaften sowie Geowissenschaften als auch auf Forschungsregionen bezogen, befasst und sich für die Förderung von weiteren 21 Fachinformationsdiensten mit einem Volumen von insgesamt 21,2 Millionen Euro ausgesprochen. In den Fachinformationsdiensten werden spezialisierte Literatur- und Informationsangebote aufgebaut. Anders als die früheren „Sondersammelgebiete“ an Bibliotheken in Deutschland bezwecken die Fachinformationsdienste nicht mehr das möglichst vollständige Sammeln und Archivieren von Veröffentlichungen, sondern berücksichtigen die unterschiedlichen Interessen der Forschung in den einzelnen Disziplinen; hinzu treten weitere Serviceleistungen. Zu den Ergänzungsangeboten der Fachinformationsdienste zählen vor allem das Bereitstellen forschungsrelevanter Materialien, die über die bibliothekarische Grundversorgung hinausgehen – beispielsweise durch eine neue Form von Lizenzverträgen, die den überregionalen Zugriff auf digitale Ressourcen erlauben. Ermöglicht werden aber auch weitere fachspezifische Dienstleistungen, die im engen Austausch mit der jeweiligen Forschungscommunity entwickelt werden können.

Text und Data Mining

Eine Task Force der Allianz-Initiative „Digitale Information“ der Wissenschaftsorganisationen befasst sich mit dem Thema Text und Data Mining im Sinne der Nutzung von Software zur Analyse digital vorliegender Inhalte. Die Anforderungen der Wissenschaft an Text und Data Mining wurden zum einen im Rahmen einer Umfrage, zum anderen in einem Workshop eruiert, deren Ergebnisse dem AWBI nun vorlagen.1 Ziel der Initiative ist es, Verhandlungen über Lizenzverträge im Sinne der Wissen­schaft gestalten zu können. Die Umfrage und der Workshop haben ergeben, dass sich Text und Data Mining als Forschungsmethode in vielen Bereichen bereits durchgesetzt hat. Daher wünschten sich auch mehr als die Hälfte aller Befragten den vollen Umfang denkbarer Nutzungsszenarien, wie beispielsweise Content automatisiert herunterladen und aktualisieren zu können/dürfen und institutsübergreifend mit anderen Beteiligten eines Projektes zu teilen. Die Anforderungen seitens der Wissenschaft an Text und Data Mining betreffen alle Aspekte der Umsetzung (rechtlich, finanziell, technisch).

Digitalisierung von Findmitteln zu Archivgut des 20. Jahrhunderts

Seit 2007 fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft die Retrokonversion archivischer Findmittel. Bisher war eine Förderung nur dann möglich, wenn die Findmittel mit allen Einträgen direkt online gestellt werden konnten. Um insbesondere der zeitgeschichtlichen Forschung entgegenzukommen, hat sich der AWBI dafür ausgesprochen, auch die Retrokonversion archivischer Findmittel zu fördern, bei denen unter 10 % der Erschließungsinformationen – nicht der Quellen – aufgrund personenschutz-, archiv- oder urheberrechtlichen Gründen nicht während der Projektlaufzeit frei zugänglich gemacht werden können. Die Freischaltung der gesperrten Titel sollte nach Wegfall der Schutz­fristen möglichst automatisiert über die eingesetzten Workflowsysteme erfolgen. Die Retrokonversion der nicht direkt im Open Access zugänglichen Findmitteleinträge muss in Eigenleistung geschehen und ist als solche im Antrag anrechenbar.

Infrastrukturen für Forschungssoftware

Der AWBI hat mit Interesse die Ergebnisse eines Workshops von Knowledge Exchange zum Thema Research Software Sustainability zur Kenntnis genommen. In vielen Phasen wissenschaftlichen Arbeitens wird oft spezialisierte Software zur Generierung, Verarbeitung oder Analyse von Daten benötigt und von Forschenden entwickelt. Davon ausgehend, dass Forschungsergebnisse und Forschungsdaten im Open Access zur Verfügung stehen, sollten diese auch mit der ursprünglich eingesetzten Software nachvollzogen und reproduziert werden können. Forschungssoftware sollte zudem als eigenes wissenschaftliches Produkt angesehen werden, was für eine zukünftige Nach­nutzung jedoch entsprechende Infrastrukturen erfordert, wie sie bereits für digitale Publikationen und Forschungsdaten existieren bzw. weiter ausgebaut werden. In diesem Zusammenhang müssten auch Fragen zu Kosten und Finanzierung sowie Verantwortlichkeiten geklärt werden. Im Rahmen eines Rundgesprächs zur Nachhaltigkeit von Software in Wissenschaft und Forschung wird sich auch die DFG weiterhin mit diesem Thema befassen.

Kooperation deutscher Bibliotheken mit dem Center of Research Libraries, USA (CRL)

Das CRL hat die Initiative „Global Resources Collections Initiative“ zur Kooperation von Bibliotheken in den Vereinigten Staaten, Kanada, Großbritannien und Deutschland gestartet, um abgestimmt Digitalisierungs- und Lizenzierungsaktivitäten umzusetzen. Im Vordergrund stehen dabei folgende Punkte:

Digitalisierung von Primärquellen und Materialien aus nicht-westlichen Ländern (Retro­digitalisierung)

Archivierung von fremdsprachigen (nicht-englischen) Internet-Ressourcen und Materialien aus nicht-westlichen Ländern für die Forschung

Organisation des Hostings digitalisierter und archivierter Quellen

Gemeinsame Verhandlungen mit Verlagen zur Lizenzierung wichtiger nicht-englischsprachiger Datenbanken, ebenfalls zur wissenschaftlichen Nutzung in den vier Ländern

Der AWBI hat sich dafür ausgesprochen, deutschen Bibliotheken über die Förderprogramme der Gruppe LIS, insbesondere im Programm Erschließung und Digitalisierung, die Teilnahme an der Initiative zu ermöglichen. Anträge, die im Rahmen dieser Initiative eingereicht werden, werden vergleichend mit allen anderen Anträgen des jeweiligen Programms begutachtet. Eine eigene Förderlinie bzw. Budgetplanung ist aus Sicht des AWBI nicht erforderlich.

Deutsche Forschungsgemeinschaft, Gruppe „Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und Informationssysteme (LIS)“

Zitierfähiger Link (DOI): http://dx.doi.org/10.5282/o-bib/2016H1S60-62

1 Ergebnisse der Umfrage „Bedarf und Anforderungen an Ressourcen für Text und Data Mining“ unter http://dx.doi.org/10.5281/zenodo.32583. Zusammenfassung Workshop und Umfrageergebnisse „Bedarf und Anforderungen an Ressourcen für Text und Data Mining“ unter http://dx.doi.org/10.5281/zenodo.32584.