Verhandlung von FID-Lizenzen durch das Kompetenzzentrum für Lizenzierung – Statusbericht

Ursula Stanek, Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
Kristine Hillenkötter, Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen

Zusammenfassung:

Seit Januar 2014 steht das DFG-geförderte Kompetenzzentrum für Lizenzierung als Dienstleister für Fachinformationsdienste für die Wissenschaft (FID) bereit. Nahezu alle Einrichtungen, die entweder bereits einen FID betreuen oder 2014 einen entsprechenden DFG-Antrag stellten, haben sich mit Verhandlungsaufträgen für eine Vielzahl von Produkten oder mit Interesse an der Nutzung der technischen Infrastruktur beim Kompetenzzentrum gemeldet. Es wird schwerpunktmäßig über den aktuellen Stand hinsichtlich der Verhandlung und des Abschlusses von FID-Lizenzen berichtet.

Summary:

Since January 2014 all Specialized Information Services for Research (FID) can make use of the services of the Centre of Competence (KfL) funded by the DFG. Almost all institutions which already provide an FID or intend to submit a proposal for an FID have contacted the KfL. Most institutions request negotiations for various electronic resources, some are also interested in using the technical infrastructure of the KfL. The article concentrates on the experience in negotiating FID-licenses.

Zitierfähiger Link (DOI): http://dx.doi.org/10.5282/o-bib/2015H4S95-107
Autorenidentifikation:
Hillenkötter, Kristine: GND 1066443688
Schlagwörter:
Lizenzierung; Fachinformationsdienste für die Wissenschaft

1. Das Kompetenzzentrum für Lizenzierung elektronischer Ressourcen im Kontext der DFG-geförderten „Fachinformationsdienste für die Wissenschaft“

Seit 2014 fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)1 den Aufbau eines Systems der „Fachinformationsdienste für die Wissenschaft“ (FID), das in Ergänzung zu den lokalen Informationsinfrastrukturen der Hochschulen und Forschungseinrichtungen der Versorgung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aller Fachrichtungen in Deutschland mit digitalen Medien und Informationsangeboten für den wissenschaftlichen Spitzenbedarf dient. Es löst die seit 1949 bestehende Förderung der „Sondersammelgebiete“ ab. Um die einzelnen Fachinformationsdienste zugunsten ihrer fachlichen Arbeit zu entlasten, wurde systemimmanent eine Querschnittsaufgabe für die Beschaffung und Bereitstellung kostenpflichtiger elektronischer Ressourcen definiert, die besondere fachliche Expertisen sowie infrastrukturelle Voraussetzungen erfordert.2

Zur Wahrnehmung dieser Querschnittsaufgabe unterstützt die DFG seit 2014 den Aufbau eines Kompetenzzentrums für die Lizenzierung elektronischer Ressourcen im Kontext der DFG-geförderten Fachinformationsdienste (FID); der Förderzeitraum des DFG-Projektes umfasst die Jahre 2014 bis 2016. Projektpartner sind die Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek in Göttingen (SUB Göttingen)3, die Staatsbibliothek zu Berlin (SBB)4 und die Verbundzentrale des Gemeinsamen Bibliotheksverbundes (VZG)5. Der Betrieb des Kompetenzzentrums für Lizenzierung (KfL)6 erfolgt parallel an den Standorten Göttingen und Berlin, die Koordination der Aktivitäten liegt bei der SUB Göttingen.

Seinem Handlungsauftrag entsprechend befasst sich das Kompetenzzentrum in erster Linie mit der Verhandlung, Lizenzierung und überregionalen Bereitstellung kostenpflichtiger digitaler Medien für die FID, die den „Grundsätze(n) für den Erwerb von Publikationen im DFG-geförderten System der Fachinformationsdienste für die Wissenschaft“7 zu folgen haben (FID-Grundsätze). Mit den in den Grundsätzen definierten „FID-Lizenzen“ ist im Kontext der überregionalen Lizenzierung ein neuer Lizenztyp entstanden, der zu den bislang in Deutschland etablierten Formen komplementär hinzutritt. Die FID-Lizenz baut auf den Erfahrungen und Standards auf, die im Kontext der DFG-geförderten National- und Allianz-Lizenzen sowie der an der Staatsbibliothek zu Berlin entwickelten Lizenzen für die Virtuelle Fachbibliothek des Sondersammelgebiets Ost- und Südostasien (CrossAsia) gewonnen, und für den speziellen Bedarfskontext der FID angepasst wurden. Die FID-Lizenzen zielen auf die Bereitstellung für einen fachlich definierten Nutzerkreis in Deutschland ab – in der Regel handelt es sich dabei um eine vom jeweiligen FID definierte Anzahl von Einzelnutzern/inne/n mit institutioneller Anbindung. Für eine solche campusunabhängige Nutzerkreisbestimmung gibt es Vorbilder bei den CrossAsia-Lizenzen,8 während alle übrigen Lizenztypen in der überregionalen Versorgung institutioneller Nutzer mit elektronischen Medien campusweit verfügbar gemacht werden (Campuslizenzen). Gleichzeitig sind für die FID-Lizenzen Standards festgelegt worden, die in den wesentlichen Anforderungen (Datenlieferungen, Rechte zum Hosting, zur Archivierung und zum Aufbau von Mehrwertdiensten sowie eine Open-Access-Klausel) den Vorgaben für die Allianz-Lizenzen folgen.9 Die Finanzierung der FID-Lizenzen erfolgt anteilig durch die DFG (zwei Drittel) und den FID (ein Drittel). Hervorzuheben ist zudem, dass die FID-Lizenzen anders als die National- und Allianz-Lizenzen ausschließlich auf die Bedienung eines von der jeweiligen Fachcommunity formulierten Bedarfes ausgerichtet sind und einem direkten Versorgungsauftrag unterliegen. Zielsetzung ist die bedarfsorientierte Versorgung von Fachcommunities mit Ressourcen des „Spitzenbedarfes“, die das Angebot von Hochschulen und Forschungseinrichtungen ergänzen. FID-Lizenzen können für alle Produkttypen abgeschlossen werden, im Zentrum des Interesses liegen jedoch Produkte mit mittlerer bis geringer Marktdurchdringung (Nischenprodukte).

Die zentrale Herausforderung für das Kompetenzzentrum liegt in der Erprobung von Lizenz- und Geschäftsmodellen für die FID-Lizenzen sowie in der Schaffung von geeigneten organisatorischen und technischen Voraussetzungen für deren überregionale Bereitstellung.

Seit Projektstart am 1. Januar 2014 agiert das Kompetenzzentrum für Lizenzierung bundesweit als zentraler Serviceprovider für die FID, um diese bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu unterstützen. Das Kompetenzzentrum handelt in der Regel auf Nachfrage durch die FID (Auftragserteilung), aber auch proaktiv (Beratungsleistungen), und vermittelt zwischen den Interessen der FID und den Verlagen. Bei der Verhandlung von FID-Lizenzen sind die Rollen zwischen KfL und FID klar definiert: Als Dienstleister kümmert sich das KfL im Auftrag der FID zentral um die Verhandlung, die Vorbereitung der Lizenzverträge und die Bereitstellung der Lizenzen. Lizenznehmer selbst ist der FID, der die Produkte auswählt, den fachlich definierten Nutzerkreis festlegt, die Lizenzverträge unterzeichnet und die Lizenzkosten begleicht.

Das Kompetenzzentrum bietet den FID ein umfangreiches Service- und Beratungsangebot für die Erwerbung und Nutzung von FID-Lizenzen an: Neben der Verhandlung, Lizenzierung und überregionalen Bereitstellung digitaler Medien gehören auch die Entwicklung geeigneter Lizenz- und Geschäftsmodelle sowie Dienstleistungen zum Management der mit den Lizenzen erworbenen Daten und zum Aufbau entsprechender Mehrwertdienste zum Serviceportfolio.10 Die Angebote des Kompetenzzentrums werden bedarfsorientiert und im direkten Kontakt mit den Fachinformationsdiensten weiterentwickelt.

Die FID werden vom KfL durch die beiden Serviceteams an der SUB Göttingen und der Staatsbibliothek Berlin bedient. Jeder FID wird jeweils von einem der beiden Teams betreut und findet dort verlässliche und kontinuierlich verfügbare Ansprechpartner/innen. Die Verbundzentrale des Gemeinsamen Bibliotheksverbundes unterstützt den Servicebetrieb mit der dafür erforderlichen technischen Infrastruktur.

Entsprechend dem Selbstverständnis des KfL sind die Leistungen des Kompetenzzentrums für die FID primär dezentral über die Webpräsenzen der FID als deren Dienstleistungen für ihre Fachcommunities sichtbar, ein zentraler Einstieg über die Webpräsenz des KfL ist jedoch möglich.11

Seit seinem Projektstart zum 1. Januar 2014 hatte das KfL Kontakt mit 26 FID, in der Regel verbunden mit Verhandlungsaufträgen für FID-Lizenzen. Zum Zeitpunkt des Vortrags im Rahmen des 104. Bibliothekartags 2015 in Nürnberg konnte das KfL auf gut anderthalb Jahre Verhandlungserfahrung im Kontext der FID-Lizenzen zurückblicken.

Auf diese Erfahrungen konzentriert sich der vorliegende Artikel: Er bietet zunächst eine Rückschau auf die im Jahr 2014 verhandelten Ressourcen, nimmt dann den Verhandlungsstand der aktuellen Antragsrunde 2015 in den Fokus und analysiert zusammenfassend zentrale Aspekte der bisherigen Verhandlungsergebnisse.

2. Der Blick zurück: Die Verhandlungsaufträge 2014

Der Zeitplan für die erste Verhandlungsrunde 2014 war denkbar eng gesteckt: Die ersten Verhandlungsaufträge wurden dem KfL von Einrichtungen erteilt, die bis Juni 2014 möglichst konkrete Angaben für ihre geplanten FID-Anträge benötigten. Unter diesen Bedingungen bewährte sich das Konzept des KfL, auf bestehenden Lizenzierungskontexten (National- und Allianz-Lizenzen, CrossAsia-Lizenzen) aufzubauen.

Das typische Vorgehen des KfL nach Erteilung eines Verhandlungsauftrags durch einen FID lässt sich wie folgt skizzieren: Zeigt ein FID Interesse an der Nutzung der Dienstleistungen des KfL, dies erfolgt in der Regel formlos per E-Mail, steht am Beginn die Kontaktaufnahme des entsprechenden Verhandlungsteams (SUB Göttingen oder SBB) mit dem FID zur Klärung der zentralen Rahmenbedingungen des Verhandlungsauftrags und zur allgemeinen Beratung. Schwerpunkte sind hier insbesondere die Definition der FID-spezifischen Nutzergruppe sowie die gewünschten Produkte an sich, für die z.B. auch Bestandsanalysen durchgeführt werden. Zeigt sich hierbei, dass ein bestimmtes Produkt bereits sehr weit verbreitet und somit in der Regel nicht mehr dem eigentlichen „Spitzenbedarf“ zuzurechnen ist, kann der FID den Titel aus der Auftragsliste entfernen. Nachdem der Verhandlungsauftrag auf diese Weise geschärft wurde, erfolgt die Kontaktaufnahme mit den jeweiligen Anbietern, ggf. auch die Information an betroffene Konsortien. Für die Anbieter stellt der Typus der FID-Lizenz in der Regel durch die Loslösung von einem fest definierbaren Campus völliges Neuland hinsichtlich des Lizenzmodells dar. Selbst nach zwei Antragsrunden ist festzustellen, dass jeder FID Besonderheiten in der Definition der eigenen Nutzergruppe vorsieht, sodass für die Anbieter jede Anfrage sehr individuell zu bewerten und zu kalkulieren ist.

Im ersten Projektjahr wurde das KfL für neun FID aktiv, die im Jahr 2014 einen FID-Antrag stellten, von denen vier von der DFG bewilligt wurden. Ergänzend gab es mit einem FID einen Informationsaustausch über die zum damaligen Zeitpunkt noch im Aufbau befindliche technische Infrastruktur des KfL, über die die Authentifizierung und Autorisierung der Nutzer/innen sowie die Verwaltung der Lizenzen und Nutzer/innen erfolgen sollte. Schließlich wandten sich auch drei FID mit Verhandlungsaufträgen an das KfL, die bereits in der ersten Antragsrunde 2013 bewilligt worden waren.

Der detaillierten Analyse der Verhandlungsergebnisse sei ein Hinweis auf die Schwierigkeit der Definition eines „Produktes“ vorausgeschickt. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass es im Kontext der Verhandlungen für FID-Lizenzen in der Regel um sehr kleine Pakete bzw. oft nur um einen einzigen Titel eines Verlags handelt. Im Folgenden wird unter dem Begriff „Produkt“ in der Regel ein Verhandlungsauftrag über einen oder mehrere Titel eines Anbieters verstanden. D.h. hinter einem Produkt kann sowohl ein einzelner Titel eines Verlags stehen als auch mehrere Datenbanken oder mehrere E-Book-Pakete.12

2.1. Produktanalyse 2014 im Detail

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Insgesamt wurden dem KfL für die Antragsrunde 2014 von neun FID Verhandlungsaufträge für 92 Produkte nach der oben beschriebenen Definition erteilt. Auf den ersten Blick scheinen die großen Anbieter mit 16 Produkten am geringsten vertreten zu sein. Hier zeigt sich jedoch die Problematik der Produktdefinition: Hinter 11 dieser Produkte stecken 83 einzelne Zeitschriftentitel.13 Im Gegensatz dazu überwiegen bei den kleinen und mittelgroßen Anbietern und insbesondere bei den Fachgesellschaften Einzeltitel (d.h. eine Zeitschrift eines Anbieters).

Analysiert man die in Auftrag gegebenen Produkte entsprechend der Produkttypen, wird deutlich, dass der Schwerpunkt der Verhandlungstätigkeit des KfL 2014 im Bereich der Zeitschriften lag. Bei fast 75% der Zeitschriftenprodukte handelte es sich um Einzeltitel. Datenbanken und E-Books bzw. E-Book-Pakete waren demgegenüber eindeutig in der Minderzahl.

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Da in der Antragsrunde 2014 vor allem naturwissenschaftliche SSG einen FID-Antrag stellten, lag dementsprechend der Schwerpunkt der Produkte bei den großen international agierenden Verlagen mit naturwissenschaftlichem Fokus. Da viele dieser Verlage bereits durch bestehende Konsortialverträge gut in der deutschen Bibliothekslandschaft etabliert sind, war die Bereitschaft der Anbieter, sich auf das neue Lizenzmodell einzulassen, gering. Insbesondere die Gefahr möglicher Umsatzeinbußen wurde als zu hoch eingeschätzt, um ein finanziell noch attraktives Angebot abzugeben. Zum Teil verwiesen die Anbieter auch auf ihre komplexen Hierarchien und Betriebsstrukturen, die es unmöglich machten, im erforderlichen Zeitrahmen ein Angebot zu erstellen.

Das andere Extrem der ersten Verhandlungsrunde stellten die Fachgesellschaften dar. Hier gestaltete sich oft schon die Kontaktaufnahme so problematisch, dass nur in den wenigsten Fällen ein positives Ergebnis erreicht werden konnte, und dies z.T. erst nach Unterstützung durch den FID, über den persönliche Kontakte bestanden.

Das kooperative Mittelfeld stellten die mittelgroßen Verlage dar, deren Marktdurchdringung in Deutschland noch nicht besonders groß ist. Hier wurde die FID-Lizenz überwiegend als Chance begriffen, sich stärker im deutschen Wissenschaftsbereich zu etablieren.

Im Ergebnis konnten in den vier bewilligten FID-Anträgen 23 Produkte von 15 Anbietern erfolgreich verhandelt und zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden. Heruntergebrochen auf die Produkttypen handelte es sich um ein E-Book-Produkt, sieben Datenbanken und 15 Zeitschriften-Produkte (mit 86 Zeitschriftentiteln).14 Dem gegenüber standen 16 Produkte, die zwar vom KfL verhandelt wurden, die jedoch aufgrund der fehlenden DFG-Bewilligung des FID-Antrags nicht weiter verfolgt wurden.

Losgelöst von den Antragsrunden 2014 und 2015 wurden drei FID betreut, die schon in der allerersten Antragsrunde 2013 einen erfolgreichen FID-Antrag gestellt hatten. Die Erfahrungen und Ergebnisse der Verhandlungsaufträge dieser FID flossen in die Auswertung des folgenden Abschnitts ein.

3. Der aktuelle Stand (Mai 2015): Die Verhandlungsaufträge 2015

Ergänzend zu den eben erwähnten bewilligten drei FID haben sich aus der aktuellen Antragsrunde 2015 13 FID mit Verhandlungsaufträgen an das KfL gewandt; der fachliche Schwerpunkt lag in diesem Jahr bei den geisteswissenschaftlichen und regionalen SSG.

3.1. Produktanalyse 2015 im Detail

Insgesamt wurden von den 16 FID Verhandlungen für 105 Produkte in Auftrag gegeben. In der Auswertung wird deutlich, dass die Schwerpunkte dieser Verhandlungsrunde sowohl hinsichtlich der Anbieter als auch der Produkttypen im Vergleich zum Vorjahr deutlich anders gelagert waren.

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Produkte großer, international agierender Anbieter wurden auch in der zweiten Verhandlungsrunde häufig nachgefragt, was angesichts des breiten und großen Titelspektrums wenig verwundert. Demgegenüber spielten Publikationen von Fachgesellschaften kaum eine Rolle.

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Hinsichtlich der Produkttypen lag der Schwerpunkt nicht mehr so prominent bei den Zeitschriften, sondern streute stärker über die anderen Produkttypen E-Books, Volltextdatenbanken und bibliographische Datenbanken. Hinter den 39 Zeitschriften-Produkten standen zudem in der Regel kleinere Pakete, nicht mehr so oft nur ein Einzeltitel.

Bei fast einem Drittel der in Auftrag gegebenen Produkte handelte es sich um Aggregatorprodukte, sowohl für Zeitschriften als auch insbesondere für E-Books. Auf diese Besonderheit soll daher etwas ausführlicher eingegangen werden.

Die Vorteile von Aggregatorprodukten aus Sicht der FID liegen auf der Hand: In ihnen werden in der Regel nicht nur zahlenmäßig viele Ressourcen gebündelt, sondern sie stammen zudem auch von einer Vielzahl von Verlagen. Mit der Einbindung eines solchen Produkts in sein Portfolio kann ein FID daher eine bedeutende Anzahl unterschiedlicher Ressourcen anbieten.15 Allerdings können Aggregatoren sehr oft nicht die Anforderungen der DFG für FID-Lizenzen erfüllen, weil sie selbst nicht über die entsprechenden Rechte z.B. hinsichtlich des Archivierens und des Hosting verfügen. Da die Richtlinien jedoch in fachlich begründeten Fällen Ausnahmen zulassen, erhielt das KfL 2015 dennoch zahlreiche Verhandlungsaufträge für Aggregatorprodukte.

In der Praxis waren die Erfahrungen recht unterschiedlich. Auf der einen Seite handelte es sich bei den gewünschten Produkten um Aggregatoren wie z.B. Casalini, die mit ihrer Plattform Torrossa für eine Vielzahl italienischer Verlage als Dienstleister fungieren, die über keine eigene Online-Plattform verfügen.16 Hier war die Erfüllung der DFG-Anforderungen meist kein Problem. Auf der anderen Seite standen große Volltextdatenbanken beispielsweise von Ebscohost,17 die die für die FID relevanten Rechte nicht einräumen können (z.B. keine Archiv- und Hostingrechte, keine Datenlieferung und damit oft auch keine Mehrwertdienste).

Welche Schlüsse lassen sich nach diesen zwei Verhandlungsrunden im Hinblick auf die unterschiedlichen Definitionen von Nutzergruppen und von Lizenzmodellen ziehen und wie bewähren sie sich in der Praxis?18

Hinsichtlich der Nutzergruppen lassen sich die Definitionen in drei Kategorien einteilen:

Spezifischer Nutzerkreis, d.h. der FID benennt eine Liste von Institutionen oder Instituten, aus denen die berechtigten Nutzerinnen und Nutzer kommen.
Mit dieser Nutzergruppendefinition können die Anbieter gut umgehen, insbesondere wenn nicht nur die erwartete Anzahl Berechtigter, sondern auch die Kriterien der Berechtigung vorgegeben werden (z.B. nur Professorinnen und Professoren, akademischer Mittelbau, etc.). Spielarten dieser Kategorie können bis hin zu campusweiten Lizenzen gehen, wobei in diesen Fällen die Finanzierbarkeit alleine durch den FID oft nicht möglich ist.

Virtueller Nutzerkreis, d.h. die berechtigten FID-Nutzer/innen können keiner bestimmten Institution zugeordnet werden. Dieser Fall tritt z.B. ein, wenn die FID-Community mit der Mitgliedschaft in einer Fachgesellschaft verknüpft wird bzw. wenn der FID selbst als eine Art Fachgesellschaft fungiert. Da für die Anbieter die Anzahl der bestehenden Lizenzen und der jeweiligen Lizenzierungskontexte (lokale Einzellizenzen, konsortiale Paketlizenzen, etc.) eine Rolle spielt, ist die Fachcommunity bei dieser Definition für die Anbieter praktisch nicht greifbar, was eine Kalkulation in der Regel kaum möglich macht.

Nationallizenz, d.h. alle Nutzerinnen und Nutzer aus wissenschaftlichen Einrichtungen in Deutschland sind berechtigt, auf die Inhalte der FID-Lizenz zuzugreifen. Da sehr viele Anbieter die Nationallizenzen bereits kennen oder schon Nationallizenzen abgeschlossen haben, ist diese Nutzergruppendefinition den meisten Anbietern gut zu vermitteln. Angesichts der Größe der potentiellen Nutzerschaft ist dieses Modell jedoch nur in wenigen Fällen umsetzbar, da es nur selten zu finanziell vertretbaren Angeboten kommt.

Ob für ein bestimmtes Produkt ein attraktives Angebot abgegeben wird, hängt jedoch nicht nur von der Definition und Größe der jeweiligen Nutzergruppe eines FID ab, sondern auch von der Kombination mit dem entsprechenden Lizenz- bzw. Geschäftsmodell. Zum Teil äußert der FID hier sehr konkrete Wünsche, zum Teil müssen sich KfL und FID nach den von den Anbietern angebotenen Modellen richten. Für alle Beteiligten stellen die Lizenzmodelle des Kaufs (v.a. bei Datenbanken oder Archiven) oder der Subskription (v.a. bei laufenden Zeitschriften) den üblichen Fall dar. Das Lizenzmodell der Nationallizenz kann ebenfalls durchaus als etabliert bezeichnet werden, auch wenn die Anzahl der erfolgreich verhandelten FID-Lizenzen nach diesem Modell sehr gering ist. Besonders interessant für den FID-Kontext sind jedoch vor allem nutzungs- und bedarfsorientierte Modelle. Diese greifen in besonderem Maße die Anforderungen der DFG an die FID auf, indem sie nämlich der Fachcommunity abhängig vom fachspezifischen Bedarf die erforderlichen Ressourcen zur Verfügung stellen.

Im Zeitschriftenbereich können nutzungsbasierte Modelle beispielsweise durch den Kauf von Artikelkontingenten umgesetzt werden. Auf diese Weise kann ein FID ein großes Angebot an Inhalten für einen überschaubaren Preis anbieten; bezahlt werden nur jene Artikel, die von der FID-Community auch genutzt werden. Diese Umsetzung ist jedoch auch mit vielen Fragen verbunden, z.B. wie flexibel das Modell bei sehr großer bzw. sehr geringer Nachfrage ist oder wie sich die DFG-Anforderungen im Falle solcher Kontingentmodelle umsetzen lassen. Derartige Lizenzen wurden erstmalig in der Verhandlungsrunde 2015 beim KfL in Auftrag gegeben und konnten auch erfolgreich verhandelt werden. Da die Begutachtung der betreffenden FID-Anträge noch nicht abgeschlossen ist, steht der Praxistest dieser Angebote jedoch noch aus.

Im E-Book-Bereich hat sich die nutzerorientierte Erwerbung – oder „patron driven acquisition“ (PDA) bzw. „demand driven acquisition“ (DDA) – in den letzten Jahren erfolgreich etabliert, wobei hierbei zwischen den Aggregatorangeboten und den verlagsbasierten Angeboten zu unterscheiden ist. Für die E-Book-Aggregatoren gilt das bereits oben Gesagte, dass die DFG-Anforderungen in der Regel nicht erfüllt werden können (wobei dies nicht zwingend einen Verhandlungsabbruch bedeuten muss). Diese Hürde nehmen demgegenüber die verlagsbasierten Angebote, da deren Anbieter über die erforderlichen Rechte verfügen. Hier stellt sich jedoch die Frage, ob der Verlag eine ausreichende Menge fachlich relevanter E-Books anbietet, sodass das verlagsspezifische PDA-Modell finanziell attraktiv umgesetzt werden kann.

Nachdem einige Schlaglichter auf Besonderheiten der Produkte, der Nutzerkreisdefinition und der Lizenzmodelle geworfen wurden, werden im Folgenden die Ergebnisse der Verhandlungen des KfL im laufenden Jahr ausgewertet.

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Mit Stand Mitte Mai war die Anzahl der Produkte, für die noch kein konkretes Angebot vorlag oder bei denen sogar nur die Kontaktaufnahme zum Anbieter gelungen war, noch recht hoch; hierbei handelte es sich meist um sehr späte Meldungen des FID.

Für fast die Hälfte der beauftragten Produkte konnten die Verhandlungen durch das KfL positiv abgeschlossen werden. Dies bedeutet, dass ein Angebot zustande kam und der Verhandlungsspielraum so weit wie möglich zu Gunsten des FID ausgereizt wurde – es bedeutet leider nicht, dass alle Angebote vom FID auch zu finanzieren sind.

Ein Drittel der Verhandlungsaufträge fällt in die Kategorie „Verhandlungen negativ abgeschlossen“. Da sich die FID-Lizenzen erst etablieren müssen, sind die Gründe für den negativen Ausgang einer Verhandlung besonders interessant. Diese sollen daher im Folgenden genauer analysiert werden.stanek-hillenktter6.jpg

Bei einem Drittel der betroffenen Produkte erhielt das KfL trotz mehrfacher Anfragen keine Antwort auf seine Bitte um ein Angebot bzw. Benennung eines Ansprechpartners oder einer Ansprechpartnerin; über die Gründe hierfür können nur Mutmaßungen angestellt werden. Demgegenüber ist es für alle Seiten einfacher, wenn die Anbieter die Angebotsabgabe explizit ablehnen, was immerhin bei neun Produkten der Fall war. Sechs Produkte waren entweder kostenfrei verfügbar oder schieden aufgrund gerade in Verhandlung befindlicher Allianz-Lizenzen aus. Und schließlich zeigt eine Gruppe von Sonderfällen die Vielfältigkeit des Lizenzgeschäfts. In einem Fall werden zum Beispiel die laufenden Inhalte des gewünschten Titels nur gedruckt herausgegeben, lediglich die Archivjahrgänge werden online über JSTOR angeboten. In einem anderen waren die drei gewünschten Zeitschriften nur im Rahmen eines Pakets von 130 Titeln verfügbar.

3.2. Kosten- und Geschäftsmodelle

Die Preisgestaltung für die FID-Lizenzen befindet sich noch im experimentellen Stadium. Bezugsgrößen und Parameter der Preisbildung sind der Listenpreis für eine Campuslizenz, die Verbreitung des Produktes in Deutschland und die Anzahl definierter Einzelnutzer/innen im FID-Nutzerkreis. In der Regel multipliziert der Anbieter den Preis für eine Campuslizenz mit einem bestimmten Faktor, der wiederum in Relation zum Verbreitungsgrad in Deutschland steht. Einige Anbieter legen der Kalkulation einen Preis pro FID-Nutzer/in zugrunde. Im Detail erhält das KFL jedoch selten Einblick in die konkrete Kalkulation eines Angebots. Lediglich aufgrund informeller Gespräche ist bekannt, dass einzelne Anbieter die Abweichungen von ihren üblichen Lizenzbedingungen (z.B. Datenauslieferung oder Mehrwertdienste) jeweils in die Berechnung des FID-Angebots einfließen lassen.

Aus Sicht des KfL wäre es wünschenswert, im Austausch mit den Anbietern Kalkulationsmodelle zu entwickeln, die auf Produkte für andere FID mit vergleichbarer Nutzergruppendefinition übertragbar wären. Lediglich ein Anbieter hat diesen Versuch in den vergangenen anderthalb Jahren unternommen. Leider konnten sich das KfL und der Anbieter aber nicht auf ein finanziell vertretbares Modell einigen; die Kosten der vom Anbieter vorgeschlagenen Rechnung waren vom FID nicht zu finanzieren.

Es ist nur begrenzt möglich, verallgemeinernde Aussagen über die Kosten einer FID-Lizenz zu machen. Die extremsten Beispiele der Verhandlungsrunde 2015 waren, im Vergleich zum Listenpreis, der Faktor 0,8 am einen Ende der Skala, und der Faktor 100 am anderen Ende. Im Regelfall liegen die Kosten für eine FID-Lizenzen jedoch über denen einer lokalen Lizenz, was die Träger der FID vor Herausforderungen stellt, da die Einrichtung schließlich ein Drittel der Kosten als Eigenleistung übernehmen muss. Vor diesem Hintergrund planen einige FID zukünftig Beteiligungsmodelle für die von ihnen angebotenen FID-Lizenzen, d.h. die Einrichtungen, aus denen die berechtigten FID-Nutzer/innen kommen, beteiligen sich an den Lizenzkosten. Dies böte sich insbesondere für hochpreisige Produkte an. Alternativ kann bei extrem spezialisierten Produkten die Einschränkung auf eine bestimmte Gruppe der berechtigten Nutzer/innen kostendämpfend wirken.

3.3. Freischaltung der ersten FID-Lizenzen und Inbetriebnahme der technischen Plattform des KfL

Im Mai bzw. Juni 2015 konnten die ersten durch das KfL verhandelten FID-Lizenzen, deren Lizenzmodell eine Campus-Freischaltung der berechtigten Einrichtungen umfasste und die dem Nationallizenz-Modell folgten, freigeschaltet und den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zur Verfügung gestellt werden. Es handelte sich um Zeitschriften für den FID Mathematik,19 betreut vom KfL-Projektteam der SUB Göttingen, und Zeitschriften für den FID Erziehungswissenschaften und Bildungsforschung, 20 betreut vom Projektteam der SBB. Parallel dazu erfolgten die abschließenden Programmierarbeiten und Tests für die durch das KfL aufgebaute technische Infrastruktur. Am 1. September 2015 konnte die technische Plattform des KfL in Betrieb genommen werden;21 über sie ist auf Wunsch des FID die Anmeldung und Verwaltung der Nutzer, die Pflege der Produkteinträge sowie die Authentifizierung möglich. Damit ist ein großer Meilenstein im Arbeitsprogramm des KfL erreicht – bereits jetzt beginnen jedoch schon die Planungen für Weiterentwicklungen des Dienstleistungsspektrums des KfL.

Literaturverzeichnis

Hillenkötter, Kristine: Aufbau des „Kompetenzzentrums für die Lizenzierung elektronischer Ressourcen“ im Kontext der DFG-geförderten „Fachinformationsdienste für die Wissenschaft“. Bibliothekartag 2014. Vortragsfolien: http://nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn:nbn:de:0290-opus-15704.

Hillenkötter, Kristine: FID-Lizenzen in die Praxis bringen: Anforderungen und Herausforderungen. Bibliothekartag 2015. Vortragsfolien: http://nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn:nbn:de:0290-opus4-16714.

Stanek, Ursula: Ein halbes Jahr Kompetenzzentrum für Lizenzierung – ein Praxisbericht. Vortragsfolien: http://nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn:nbn:de:0290-opus-16030.

1 www.dfg.de (01.10.2015).

2 Vgl. Deutsche Forschungsgemeinschaft: Merkblatt 12.10. Fachinformationsdienste für die Wissenschaft, 2012. http://www.dfg.de/formulare/12_10/index.jsp (01.10.2015).

5 www.gbv.de (01.10.2015).

6 Vgl. www.fid-lizenzen.de (01.10.2015).

7 Vgl. Deutsche Forschungsgemeinschaft: Merkblatt 12.101. Grundsätze für den Erwerb von Publikationen im DFG-geförderten System der Fachinformationsdienste für die Wissenschaft, 2012. http://www.dfg.de/formulare/12_101/index.jsp (01.10.2015).

8 Die Virtuelle Fachbibliothek CrossAsia an der Staatsbibliothek zu Berlin bietet Einzelnutzern in Deutschland seit Jahren den zentralen Zugang zu lizenzpflichtigen digitalen Medien mit Fachbezug zu Ost- und Südostasien. Vgl. http://crossasia.org/ressourcen/databasesearch.html (01.10.2015).

9 Vgl. Merkblatt 12.101 (wie Anm. 7), sowie sowie Deutsche Forschungsgemeinschaft: Merkblatt 12.181. Grundsätze für den Erwerb DFG-geförderter überregionaler Lizenzen (Allianz-Lizenzen), 2015. http://www.dfg.de/formulare/12_181/12_181_de.pdf (01.10.2015).

10 Zum Dienstleistungsspektrum und den Angeboten des KfL vgl. http://www.fid-lizenzen.de/ueber-fid-lizenzen/beratungs-und-serviceangebote (01.10.2015).

11 Weitere Informationen zu den Rahmenbedingungen, dem Aufbau und dem Dienstleistungsspektrum des KfL vgl. Hillenkötter, Kristine: Aufbau des „Kompetenzzentrums für die Lizenzierung elektronischer Ressourcen“ im Kontext der DFG-geförderten „Fachinformationsdienste für die Wissenschaft“. Bibliothekartag 2014. Vortragsfolien: http://nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn:nbn:de:0290-opus-15704, sowie Hillenkötter, Kristine: FID-Lizenzen in die Praxis bringen: Anforderungen und Herausforderungen. Bibliothekartag 2015. Vortragsfolien: http://nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn:nbn:de:0290-opus4-16714. Desweiteren sei hingewiesen auf die in Vorbereitung befindliche Aufsatzpublikation: Hillenkötter, Kristine, u.a.: Das Kompetenzzentrum für Lizenzierung im FID-Kontext (Arbeitstitel). Bibliothek. Forschung und Praxis 1 (2016) (voraussichtlicher Erscheinungstermin).

12 Diese Definition entwickelte sich im KfL erst gegen Ende des ersten Verhandlungsjahres. Um für den Vortrag bzw. den vorliegenden Artikel eine Vergleichbarkeit der Verhandlungen der beiden Jahre 2014 und 2015 herstellen zu können, wurden die Verhandlungsaufträge 2014 nach dieser neuen Definition ausgewertet. Insofern weichen die hier genannten Zahlen von jenen des Vortrags auf dem Bibliothekartag in Bremen 2014 ab: Stanek, Ursula: Ein halbes Jahr Kompetenzzentrum für Lizenzierung – ein Praxisbericht. Vortragsfolien: http://nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn:nbn:de:0290-opus-16030.

13 Die restlichen fünf Produkte großer Verlage verteilen sich zu annähernd gleichen Teilen auf die Produkttypen E-Books und Datenbanken.

14 Die Produktübersicht ist auch zu finden unter http://www.fid-lizenzen.de/angebote (01.10.2015).

15 Beispielsweise erhielt das KfL einen Verhandlungsauftrag, bei dem es um 41 Zeitschriften von 21 Verlagen ging, die jedoch durch einen Aggregator gebündelt und angeboten werden.

16 http://www.torrossa.it/ (01.10.2015).

17 https://ebscohost.com/ (01.10.2015).

18 Sowohl zu Nutzergruppendefinition als auch zu Lizenzmodellen vgl. auch Hillenkötter, Kristine: FID-Lizenzen in die Praxis bringen (wie Anm. 11).

Stanek/Hillenkötter, Verhandlung von FID-Lizenzen