Forschungsdatenmanagement als Herausforderung für Hochschulen und Hochschulbibliotheken

Ulrich Meyer-Doerpinghaus, Hochschulrektorenkonferenz
Beate Tröger, Universitäts- und Landesbibliothek Münster

Zusammenfassung:

Eines der wichtigsten neuen Handlungsfelder der Forschung, das im Zuge der Digitalisierung von Information entstanden ist, ist das Management von Forschungsdaten. Die Hochschulen müssen sich darauf einstellen, ihren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die notwendigen Strukturen und Services zur Verfügung zu stellen. Die in der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) organisierten Leitungen der deutschen Hochschulen sehen darin eine zentrale Aufgabe. Die Universität Münster geht mit gutem Beispiel voran: In enger Zusammenarbeit mit der Hochschulleitung hat die Universitäts- und Landesbibliothek damit begonnen, Strukturen und Services zur Unterstützung des Forschungsdatenmanagements aufzubauen.

Summary:

One of the most important fields of action in research which is developing along with the digitalisation of information is research data management. The universities face the challenge of offering their researchers adequate structures and services. The managing boards of the German universities organised in the German Rectors’ Conference has identified this as a key task. The Westfälische Wilhelms-Universität Münster sets a good example: The University and Regional Library of Münster works closely together with the managing board of the university in order to establish structures and services supporting research data management.

Zitierfähiger Link (DOI): http://dx.doi.org/10.5282/o-bib/2015H4S65-72
Autorenidentifikation: Meyer-Doerpinghaus, Ulrich: GND 1076492622
Tröger, Beate: GND 113442289
Schlagwörter: Forschungsdatenmanagement, Hochschulleitung, Services

1. Forschungsdatenmanagement als Herausforderung für Hochschulen

Eines der wichtigsten neuen Handlungsfelder der Forschung, das im Zuge der Digitalisierung von Information entstanden ist, ist das Management von Forschungsdaten. Dabei handelt es sich keinesfalls nur um einen neuen, zusätzlichen Aspekt von Forschung, sondern um ein übergreifendes, sämtliche Gesichtspunkte von Forschung umfassendes Thema: Digitale Forschungsdaten werden in exponentiell wachsenden Volumina produziert (Big Data) und der Anteil der digitalen im Verhältnis zu analogen Forschungsdaten ist in beständigem Wachstum begriffen. Die Daten und die Werkzeuge, mit denen sie bearbeitet werden, werden immer heterogener. In nahezu allen Wissenschaften gewinnen Forschungsdaten zunehmend an Relevanz (auch in den Geisteswissenschaften, siehe Stichwort E-Humanities), da sie neue Analyseverfahren auf Grundlage großer Datenbestände ermöglichen und auf diese Weise neue Wege der wissenschaftlichen Erkenntnis eröffnen. Da Forschungsdaten die Wiederholbarkeit und Verifizierbarkeit von Forschungsergebnissen auf eine neue Grundlage stellen, haben sie eine maßgebliche Bedeutung für die gute wissenschaftliche Praxis. Die Relevanz von Forschungsdaten reicht allerdings weit über die Wissenschaft hinaus: Sie dürften eine wichtige Rolle bei der Lösung der großen Herausforderungen (grand challenges) der Gesellschaft – wie Sicherheit, Klimaschutz oder die Bekämpfung weit verbreiteter Krankheiten – spielen.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, warum die deutschen Hochschulen sich im Handlungsfeld Forschungsdatenmanagement (künftig FDM) engagieren müssen. Um den Anschluss an internationale Entwicklungen zu halten – besonders Länder wie die Niederlande, Großbritannien oder die USA verfügen bereits über weit entwickelte Strukturen –, müssen die Hochschulen ihre Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in die Lage versetzen, die großen Potenziale, die im FDM liegen, zu nutzen. Deshalb haben sich die Präsidentinnen und Präsidenten sowie Rektorinnen und Rektoren der deutschen Hochschulen zu ihrer Verantwortung bekannt, ihren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die benötigten Infrastrukturen zur Verfügung zu stellen.1

1.1. Aufgaben und Chancen der Hochschulen beim Forschungsdatenmanagement

Dabei sind sich die Leitungen der Hochschulen darüber im Klaren, dass gerade dieser Art von Institution eine besondere Rolle im Rahmen der nationalen und internationalen wissenschaftlichen Infrastrukturen zukommt: Hochschulen können als besondere Orte für Forschungsdaten angesprochen werden. So bieten sie etwa mit ihren institutionellen Repositorien mehr Aussicht auf nachhaltige Sicherung von Forschungsdaten als Repositorien, die von projektförmigen und damit oft kurzlebigen Netzwerken vorgehalten werden. Auch gegenüber kommerziellen Anbietern wie Verlagen oder Diensten (z.B. Dropbox) bieten die Hochschulen mit ihren Repositorien ein weit höheres Maß an Verlässlichkeit und Zugriffssicherheit.

Mit Blick auf die Bearbeitung und Beschreibung von Daten können sich Hochschulen im Verhältnis zu großen Forschungseinrichtungen, die sich vermehrt auf Big Data konzentrieren, gerade beim oft sehr aufwändigen Management von Long Tail-Daten einbringen. Im Unterschied zu den großen außeruniversitären Forschungseinrichtungen, die vor allem Fachkulturen aus den Natur- und Ingenieurwissenschaften sowie der Medizin repräsentieren, findet sich in Hochschulen das gesamte Fächerspektrum (auch der Geistes- und Sozialwissenschaften) vertreten, wodurch sich besondere Möglichkeiten des interdisziplinären Arbeitens gerade auch mit Bezug auf FDM ergeben. Zudem lassen sich an Hochschulen Forschungsdaten auch in die Lehre integrieren, was zur Entwicklung neuer Methoden der Visibilisierung und Vermittlung von Forschungsdaten herausfordert. Und schließlich sind gerade an Hochschulen besondere Kompetenzen im Bereich FDM (vor allem an Bibliotheken, Rechenzentren und E-Learning-Zentren) vorhanden, die zum Vorteil des gesamten Wissenschaftssystems eingebracht werden können.

Aus Sicht der Hochschulleitungen ist das FDM zudem auch deshalb von großem Interesse, da es besondere Potenziale für die Profilbildung der Hochschule birgt: Eine Hochschule, die Strukturen für das FDM aufbaut und das Open Data-Ideal zum Teil ihres Leitbildes macht, ist für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler besonders attraktiv, zumal auf diese Weise Kooperationen und Verbünde (gerade im internationalen Kontext) aufgebaut und verstärkt werden können.

1.2. Maßnahmen der Hochschulleitungen zur Stärkung des Forschungsdatenmanagements

Eine Hochschule, die sich verstärkt beim FDM engagieren will, wird im ersten Schritt eine Bestandsaufnahme machen, um auf dieser Grundlage den Bedarf zu definieren. So erhält die Hochschulleitung ein Bild davon, wer sich mit FDM befasst, wie FDM betrieben wird und mit welchen Kooperationspartnern dabei agiert wird. Eine solche Erhebung wird nicht zuletzt auch Defizite und Herausforderungen ans Tageslicht bringen, z.B. die unbeabsichtigte Abgabe von Rechten an Dritte, Datenübergabe an private Anbieter oder eigenständige technische Lösungen auf Fakultätsebene.

Von wesentlicher Bedeutung ist, dass die Standortbestimmung wirklich alle Akteurinnen und Akteure sowie Handlungsebenen der Hochschule in den Blick nimmt: die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Fachbereiche und Fakultäten, die Informationsdienstleistungszentren der Hochschule (vor allem die Bibliothek und das Rechenzentrum) sowie die zuständigen zentralen Stellen (z.B. zuständige Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten, Chief Information Officer, Rechtsexpertinnen und -experten, Forschungs- und Kommunikationsabteilung, Hochschularchive). Da die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler FDM in Netzwerken betreiben, die die Grenzen der eigenen Hochschule deutlich überlappen, sollte die Standortbestimmung auch dokumentieren, an welchen Verbünden, Kooperationen und Netzwerken die eigene Hochschule beteiligt ist.

Was ist an der Hochschule im Einzelnen zu tun? Aus Sicht der Hochschulleitungen stellt sich der Prozess idealtypisch wie folgt dar:

1. Orientierung geben: Nicht nur sollten an den Hochschulen Forschungsdatenpolicies diskutiert und abgestimmt werden. Die Hochschulleitungen sollten auch einen sicheren Handlungsrahmen (z.B. für das Verhalten in Netzwerken) vorgeben bzw. die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beauftragen, entsprechende Vorgaben selbst zu bestimmen.

2. Datenkultur stärken und Anreize schaffen: Die Hochschulleitungen sollten die Vorteile darstellen, die sich für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ergeben, die ihre Daten offenlegen, und entsprechende Anreize schaffen.

3. Strategie entwickeln: Eine Standortbestimmung sollte alle Handlungsebenen der Hochschule betrachten und dabei auch die Verbünde, Kooperationen und Netzwerke der Hochschule mit in den Blick nehmen. Bei der Strategieentwicklung sollten insbesondere die großen Potenziale des FDM für die gesamte Positionierung der Hochschule berücksichtigt werden.

4. Umsetzung organisieren: Die Hochschulleitungen sollten entscheiden, wie die in der Institution an verschiedenen Orten bestehenden Strukturen und Aktivitäten zu einer abgestimmten institutionellen Gesamtstruktur zusammengeführt werden können und welche zusätzlichen Strukturen noch aufgebaut werden müssen. Den Planungen sollte ein klares Konzept für die Governance zugrunde gelegt und insbesondere der Kommunikationsbedarf nicht unterschätzt werden.

5. Infrastrukturen ausbauen: Für den Auf- und Ausbau von Forschungsdateninfrastrukturen sollten die Bedarfe der Wissenschaftlerin bzw. des Wissenschaftlers leitend sein. Gerade die Nutzung fachbezogener und übergreifender Lösungen ist empfehlenswert. Ein besonders wichtiger Aspekt der Infrastrukturen ist die Bereitstellung von Dienstleistungsangeboten an der jeweiligen Hochschule.

6. Kompetenzen weiterentwickeln: Alle Akteurinnen und Akteure an der Hochschule sollten ihre Kompetenzen bzgl. des FDM weiterentwickeln. Das gilt einerseits für die Lernenden, Lehrenden und Forschenden in allen Phasen ihres akademischen Lebens, andererseits für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der zentralen Dienstleistungseinrichtungen.

1.3. Die Gestaltung des politischen Rahmens

Schließlich sei auf die Frage nach der Gestaltung des politischen Rahmens eingegangen, auf den das FDM im nationalen Kontext angewiesen ist. Die FDM-Landschaft stellt sich in Deutschland gegenwärtig als eine Vielzahl von bottom up-Initiativen dar, die allerdings nicht immer gut koordiniert sind und oft auch keine nachhaltigen Vorteile für das Wissenschaftssystem entfalten. Dagegen bedarf es einer verstärkten Koordination der Akteurinnen und Akteure im nationalen Rahmen, um die gesamte Wissenschaft auf den neuen Weg mitzunehmen und ein abgestimmtes und effizientes Zusammenwirken zu ermöglichen. Hier ist vor allem die Politik gefragt, die insbesondere Anreize für institutionen- und länderübergreifende Initiativen schaffen sollte.

Einer besonderen Förderung bedarf dabei das Personal. Entgegen der weit verbreiteten Meinung, dass die wissenschaftlichen Informationsinfrastrukturen vor allem aus IT-Strukturen bestehen, sei an dieser Stelle betont, dass auch Personal und Dienste zu jenen Strukturen gehören. Deshalb ist die Vermittlung von Informationskompetenz ein zentraler Baustein der wissenschaftlichen Informationsinfrastrukturen. So erscheint es notwendig, dass die Verantwortlichen in Politik und Hochschulen beim Auf- und Ausbau der wissenschaftlichen Informationsinfrastrukturen immer auch die notwendige Qualifizierung des Personals mitbedenken und für die Finanzierung entsprechender Maßnahmen Sorge tragen.

Zugleich wird es vor allem darum gehen, alternativ zu den gängigen Instrumenten der Projektfinanzierung nach Wegen zu suchen, die einen nachhaltigen Auf- und Ausbau von Infrastrukturen für das FDM ermöglichen. Entweder sollten den Grundhaushalten der Hochschulen entsprechende Mittel zusätzlich zur Verfügung gestellt werden oder es müssten in Kooperation von Bund und Ländern strukturbildende Initiativen initiiert werden, die z.B. aus einem langfristig verfügbaren Fonds gespeist werden könnten. Schließlich sollten auch die bestehenden Hindernisse und die (ebenso hinderlichen) Unklarheiten des Urheberrechts beseitigt werden, um den freien Austausch von digitalen Informationen auch beim FDM zu ermöglichen. Hier sind wissenschaftsfreundliche und klare Regelungen erforderlich, in Deutschland derzeit vor allem eine Schrankenregelung.

Für den Auf- und Ausbau des Forschungsdatenmanagements im nationalen Rahmen sind gleichwohl die Initiativen der einzelnen Hochschulen von großer Bedeutung. Es kommt darauf an, solche Initiativen zu beobachten und auf dieser Grundlage gute Beispiele zu beschreiben, die andere Hochschulen als Orientierungsgröße nutzen können. In diesem Sinne seien im Folgenden die bereits in Angriff genommenen und geplanten Aktivitäten der Universitäts- und Landesbibliothek Münster im Handlungsfeld FDM näher dargestellt.

2. Forschungsdatenmanagement als Herausforderung für Hochschulbibliotheken – das Beispiel der Universitäts- und Landesbibliothek Münster

Die Universitäts- und Landesbibliothek (ULB) Münster ist ein gleichzeitig typisches und untypisches Beispiel des Umgangs mit dem Thema FDM. Die Westfälische Wilhelms-Universität Münster ist eine der größten Universitäten in Deutschland mit rund 5.000 wissenschaftlich Beschäftigten und rund 42.000 Studierenden. Sie ist über 218 zum Teil unter Denkmalschutz stehende Gebäude in der ganzen Stadt verteilt. Nicht zuletzt diese räumliche, aber vor allem natürlich die fachliche Diversität einer Volluniversität führt zu einer großen Komplexität verschiedenster Daten und Datentypen und zu entsprechend disparaten Vorgehensweisen beim Thema FDM. Dies ist sicher nicht untypisch für viele Universitäten. Auf der anderen Seite aber existiert – und das ist in seiner tatsächlich gelebten Praxis vielleicht nicht so etabliert in anderen Hochschulen – in Münster eine seit mittlerweile knapp 20 Jahren sehr erfolgreiche institutionalisierte Kooperation zwischen der ULB, dem Zentrum für Informationsverarbeitung und der Universitätsverwaltung im sogenannten IKM-Verbund.

2.1. Die Befragung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler

Diese etablierte Zusammenarbeitsstruktur erleichterte die Übernahme des Themas FDM in das eigene Aufgabenspektrum. Gleichzeitig nahm sich das Rektorat des Kontextes an und beauftragte den IKM-Verbund und das Forschungsdezernat der Universität mit der Entwicklung und Etablierung eines adäquaten FDM. Damit war das so wichtige Thema FDM politisch in der Universität etabliert – ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu einem erfolgreichen Umgang mit Forschungsdaten einer großen Hochschule.

Zur Grundlage des gesamten weiteren Verfahrens wurde in einem zweiten Schritt eine Befragung aller im weiteren Sinne wissenschaftlichen Beschäftigten der Universität durchgeführt: Etwa 6.000 Personen wurden gebeten, ihre Einschätzung, Erfahrungen und bisherigen Umgangsgepflogenheiten mit Forschungsdaten zu berichten. Die Rücklaufquote lag mit 17 % in einem verwertbaren Umfang. Inhaltliche Grundlage der Münsteraner Befragungen waren vorausgegangene ähnliche Erhebungen an der Humboldt-Universität zu Berlin und beim Arbeitskreis Forschungsdaten der Leibniz-Gemeinschaft.

Die Themen der Befragung waren in Münster neben den üblicherweise erhobenen Eckdaten der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (Zugehörigkeit zu Fachbereichen etc.) unter anderem die Arten der vorhandenen Forschungsdaten, deren Aufbewahrung und Zugänglichmachung, die Bedeutung von Richtlinien und Vorgaben zum Umgang mit Forschungsdaten, der Wissensstand und Beratungsbedarf der Befragten und nicht zuletzt die Bereitschaft, eine universitätseigene Forschungsdaten-Plattform zu nutzen. Die Antworten der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler waren für die weiteren Überlegungen wegweisend.

2.2. Die Befragungsergebnisse

So war das genannte Spektrum der Forschungsdaten – wenig überraschend bei einer Volluniversität – sehr breit gestreut: Es reichte von experimentellen Daten über quantitative Messdaten, Statistiken und Algorithmen hin zu qualitativen Daten aus Beobachtungen, Umfrageantworten und hin zu Gen-Daten. Und auch die Antworten auf die Frage nach den vorliegenden Datentypen waren erwartbar breit gestreut.

Spannender waren die Aussagen zum Thema „Wo speichern Sie Forschungsdaten?“. Hier zeigte sich die überwiegende Mehrheit der Nennungen bei der Antwort „lokal auf meinem dienstlichen Rechner“, aber ein gutes Drittel gab auch den privaten Rechner als Speicherort an (Mehrfachnennungen waren möglich). Etwa die Hälfte der Antwortenden nutzt den Server des universitären Instituts.

Ebenfalls sehr erhellend waren die Ergebnisse im Blick auf die Aufbewahrungsdauer der Daten. Hier gaben bei den Geistes- und Sozialwissenschaften ebenso wie bei der Mathematik mehr als 60 % als Antwort „mir unbekannt“ an; bei den Bereichen Wirtschaft und Recht waren es mit knapp 60 % nur unwesentlich weniger.

Die Abfrage des Zwecks der Aufbewahrung von Forschungsdaten (auch hier waren Mehrfachnennungen möglich) ergab eine deutliche Mehrheit, nämlich 85 % der Antwortenden, bei der Replizierbarkeit der Ergebnisse und ebenso bei der eigenen Re-Analyse. Eine solche Re-Analyse durch andere Forscher wurde nur noch von 42 % genannt; ein gutes Viertel der Antworten betonten darüber hinaus Übungszwecke für die Lehre. 2 % der Befragten wiesen auf Aufbewahrungsvorschriften hin.

Interessant ist hier auch das Intervall bei der Erstellung von Sicherungskopien: Knapp 40 % antwortete „unregelmäßig“, 12 % sagten „mir unbekannt“, aber immerhin knapp 19 % sichern „täglich“ und gut 11 % „wöchentlich“.

Nicht ohne Brisanz ist die öffentliche Zugänglichmachung der eigenen Forschungsdaten. Knapp drei Viertel der Befragten gab dazu an, ihre Daten nicht allgemein zugänglich zu machen, gut 17 % veröffentlichen über eine Verlagspublikation und nur gut 4 % nutzen ein universitäres (Instituts-)Repository. Auf die Frage nach den Gründen für die Nicht-Zugänglichmachung antwortete die Hälfte mit dem Hinweis auf rechtliche Einschränkungen und knapp die Hälfe mit der Aussage, die Daten eigneten sich nicht für eine solche Zugänglichmachung. Aber auch die fehlende Plattform für eine entsprechende Veröffentlichung nannten knapp ein Viertel der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, und 17 % wiesen auf „Zeitmangel“ hin. Nur 1 % sprach von der „Angst vor Ideendiebstahl“.

In diesem Kontext ist das Nutzungsinteresse an einem universitären Datenarchiv relevant. Mit der Begründung „Datenschutzbedenken“ und „zu hoher Aufwand“ verneinten 56 bzw. 32 % ein solches Interesse. Aber nur 12 % gaben an, bereits ein anderes geeignetes Archiv zu nutzen.

Ein weiterer Fragekomplex bezog sich auf die eigenen Kenntnisse beim Thema FDM. Knapp die Hälfte, nämlich 47 % der Geistes- und Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler und 48 % der Befragten aus den Fachbereichen Wirtschaft und Recht bekundeten „geringe“ oder „sehr geringe“ Kenntnisse. Und mit 42 % auch fast ebenso viele Naturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler kreuzten eine dieser beiden Kategorien an.

Die sich hier logisch anschließende Frage nach dem jeweiligen Beratungsbedarf zeigte an erster Stelle die Unsicherheiten bei Rechtsthemen: Gut die Hälfte wünschten sich entsprechende Beratungs- und Schulungsangebote. Aber auch technische Aspekte stehen mit 48 % Nennungen an der Spitze der genannten Unsicherheiten. 30 % erhoffen sich darüber hinaus Beratungen bei Drittmittelvorhaben. 16 % haben keinen Beratungsbedarf.

2.3. Zusammenschau der Befragungsergebnisse

Eine Zusammenschau aller Befragungsergebnisse ergibt folgendes Bild: Hochschulen haben es mit sehr heterogenen Datenquellen in ebenso heterogenen Datenformaten zu tun, deren Aufbewahrung bislang vorwiegend lokal und auf externen Trägern erfolgt. Hintergrund dieses Vorgehens ist die vielfach fehlende Zeit, oft aber sind es auch vermeintlich oder tatsächlich fehlende Lösungsangebote. Die Zugänglichkeit der Daten zeigt sich nach wie vor als eher gering – dafür genannte Ursachen sind vor allem rechtliche Hürden. Aber auch hier erscheint das Kriterium Zeitmangel; selten wird von der Sorge vor Ideendiebstahl gesprochen. Richtlinien und Vorgaben zum Umgang mit Forschungsdaten sind oft nicht bekannt, aber laut Aussage der Befragten, die Kenntnisse darüber haben, auch oft gar nicht vorhanden oder von geringer Praxisrelevanz.

Generell belegt die Erhebung ein hohes Interesse der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Thema Forschungsdaten und FDM. Allerdings wurde deutlich, dass der Wissensstand laut Selbsteinschätzung der Befragten vielfach nicht sehr ausgeprägt ist. Es zeigte sich aber auch ein wachsendes Problembewusstsein dem Thema gegenüber und die Bereitschaft, sich hier informieren und beraten zu lassen.

2.4. Schlussfolgerungen für die Universität Münster

Die Auswertung dieser Befragungsergebnisse gab die Marschrichtung für die sich anschließenden Schritte der Universität beim Thema FDM vor. Das als nächstes anzustrebende Ziel ist die Verabschiedung einer FDM-Policy durch die Universitätsleitung. Diese Policy muss – so zeigen bereits erfolgreich verabschiedete Vorbilder anderer Hochschulen – auch die klare Benennung des letztlich für die jeweiligen Forschungsdaten Verantwortlichen beinhalten: „Jede/r Wissenschaftler/in selbst!“

Auf der Policy aufsetzend soll die Institutionalisierung des Themas an der Universität Münster erfolgen – eine Institutionalisierung, die den gesamten Lebenszyklus der Daten umfassen wird. Dafür sind nicht zuletzt klare Rollen und Aufgaben der einzelnen Akteure festzulegen. Die ULB sieht sich hier durchaus als eine Art Geschäftsstelle für das Thema an der Universität. Gleichzeitig müssen technische Angebote über den gesamten Daten-Lebenszyklus hinweg aufgebaut werden. Sie gilt es eng zu verweben mit dem korrespondierenden Aufbau von Beratungsangeboten – ebenfalls über den gesamten Daten-Lebenszyklus hinweg. Hierzu gehört neben den Aspekten wissenschaftspolitischer und rechtlicher Rahmenbedingungen und Anforderungen (z.B. zu Fragen des Datenschutzes) nicht zuletzt auch der Blick auf die Nutzungsmöglichkeiten bestehender fachlicher Primärdatenplattformen und Werkzeuge, zu denen sich universitäre Angebote eher subsidiär aufstellen. Insgesamt hat sich hier ein großes neues Aufgabenfeld für die universitären und bibliothekarischen Angebote im Kontext der Informationskompetenz entwickelt. Dies gilt nicht zuletzt auch für entsprechende Schulungen von Studierenden, die bereits frühzeitig im Blick auf ihre späteren Forschungsaktivitäten für das Thema sensibilisiert und informiert werden sollen. Und noch ein weiteres deutlich expandierendes bibliothekarisches Aufgabenspektrum bringt das FDM mit sich: die intensive Beratung bei Drittmittelanträgen zu diesen Themenstellungen.

Die letzte und vielleicht die größte Herausforderung beim Umgang mit Forschungsdaten steht der Universität Münster aber noch bevor: die Abschätzung und Umsetzung der finanziellen und personellen Konsequenzen des Themas. Hierzu gilt es, Berechnungsgrundlagen zu schaffen. Eckdaten dabei sind eine Bereitstellung zentraler Mittel in Verbindung mit einer Einwerbung von Drittmittelanteilen und eine monetäre Einbeziehung der Forschenden als Kostenverursacher.

Für die ULB allerdings hat die Entwicklung auch vor diesem Verfahrensabschluss längst begonnen: Das Aufgabenspektrum für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter etwa in den Kontexten digitaler Dienste, Informationskompetenz und Fachreferat hat sich drastisch gewandelt und erweitert. Die Auswahl neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird maßgeblich verändert ebenso wie die Personalentwicklung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Haus. FDM ist in Münster bereits in der bibliothekarischen Praxis angekommen.

1 Hochschulrektorenkonferenz: Management von Forschungsdaten – eine zentrale strategische Herausforderung für Hochschulleitungen. Empfehlung der 16. Mitgliederversammlung der HRK am 13. Mai 2014 in Frankfurt am Main. http://www.hrk.de/uploads/tx_szconvention/HRK_Empfehlung_Forschungsdaten_13052014_01.pdf (24.10.2015). Für November 2015 ist die Verabschiedung einer weiteren Empfehlung zum FDM durch die HRK-Mitgliederversammlung vorgesehen. Diese soll vor allem einen Managementleitfaden für Hochschulleitungen und einen weiteren „Appell an die Politik“ enthalten.