Veränderungsmanagement bei der Implementation einer Social-Media-Strategie

Markus Trapp, Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg

Zusammenfassung:

In diesem Vortrag wird gezeigt, dass der Einstieg in Social Media nicht nur eine externe, sondern auch eine interne Veränderung der Bibliothek darstellt. Des Weiteren wird die Frage untersucht, ob der Rückgriff auf Fachliteratur zum Veränderungsmanagement bei der Entwicklung und der Umsetzung einer Social-Media-Strategie sinnvoll ist. Exemplarisch geschieht dies durch die Vorstellung des Acht-Stufen-Modells des Change Management nach Kotter; dessen Schritt für Schritt gezeigte Anwendung wird auf die Einführung von einem Social-Media-Konzept übertragen. Abschließend wird das Social-Media-Konzept der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg vorgestellt, das der Vortragende verantwortlich im Rahmen einer Stabsstelle Social Media seit 2010 an der Bibliothek umsetzt.

Summary:

The paper shows that the introduction of social media does not only bring about external changes, but also internal changes at the library. Furthermore, it examines whether studies on change management can be of help for developing and implementing a social media strategy in a library. Kotter’s eight-step model of change management is used as an example. It is shown how his step-by-step model can be applied to the introduction of social media. Finally, the paper presents the social media concept of the Hamburg State and University Library, for which the author has been responsible since 2010 in the context of a special function unit “Social Media”.

Zitierfähiger Link (DOI): http://dx.doi.org/10.5282/o-bib/2015H4S54-64
Autorenidentifikation:
Trapp, Markus: GND 1074368940
Schlagwörter:
Bibliothek Social Media, Innovation

1. Einstieg in Social Media: externe und interne Veränderung

Eine Bibliothek, die in Social Media einsteigt, erfährt sowohl eine äußere als auch eine innere Veränderung.

Die externe Veränderung zeigt sich in der Wahrnehmung der Bibliothek durch die Nutzerinnen und Nutzer, denn diese wird durch die aktive Verwendung von Social Media stark geändert. Es findet ein Wandel in der Kommunikation nach außen statt: Weg von einseitig bespielten Verkündungskanälen der traditionellen bibliothekarischen Öffentlichkeitsarbeit (Pressemeldungen, Poster, Broschüren, statische Sektion „Aktuelles“ auf der Website etc.) hin zum Dialog mit dem Zielpublikum im Blog und in den weiteren Social-Media-Kanälen. Die Bibliothek verkündet nicht nur Neuigkeiten in eine Richtung (ohne Rückkanal), sie wird ansprechbar. Es kann rückgefragt werden, Kritik kann geübt und Anregungen können unkompliziert an die Bibliothek herangetragen werden.

Die interne Veränderung zeigt sich im Wandel der Arbeitsprozesse. Und sie zeigt sich, indem konzeptionelle Fragen zu klären sind: „Warum“, „Was“, „Wie“ und „Von wem“ wird in Social Media kommuniziert?

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2. Fachliteratur zum Change Management bei Social Media?

Im Rahmen meiner Masterarbeit im postgradualen Fernstudium an der HU Berlin (2014) „Changemanagement bei der Implementierung der Social-Media-Strategie einer wiss. Bibliothek“ habe ich die Frage untersucht, ob es Sinn macht, bei der Einführung von Social Media auf Fachliteratur zum Veränderungsmanagement zurückzugreifen. Teil der Arbeit war eine empirische Untersuchung dieser Fragestellung. Befragt wurden 20 wissenschaftliche Bibliotheken in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Das Ergebnis war: Keine der Bibliotheken hat auf Fachliteratur zum Veränderungsmanagement rekurriert. Trotz dieses von mir erwarteten Resultates habe ich daraufhin untersucht, ob Change-Management-Literatur dennoch Sinn macht. Exemplarisch gezeigt habe ich das unter anderem anhand eines „Klassikers“ der Fachliteratur, und zwar „Leading Change“ von John Kotter.1 Es ergaben sich sogar erstaunliche Parallelen zur Einführung von Social Media, die ich in der Folge auch hier aufzeigen möchte.

Kotters systematischer Ansatz zum Veränderungsmanagement baut auf einem 8-Stufen-Modell auf, das sich auch sehr gut auf die konzeptionelle Einführung von Social Media in die Strategie von Bibliotheken anwenden lässt. Um es verkürzt zu sagen: Eine Bibliothek, die glaubt, in der Welt der sozialen Medien mit der Einrichtung eines Facebook- und Twitter-Accountes reüssieren zu können, die das Personal zusätzlich zu den bisherigen Aufgaben quasi nebenher mit Inhalten der Bibliothek „befüllt“, wird zwangsläufig scheitern. Ohne eine ausführliche Konzeptionierung, die auf durchgehend von der Leitung der Bibliothek unterstützter Vorbereitung, Motivation und Verankerung des Erreichten fußt, ist das Scheitern vorprogrammiert.

Die acht Schritte, von denen laut Kotter keiner ausgelassen werden darf, um vermeintlich schneller ans Ziel zu gelangen, lassen sich schematisch so darstellen:

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Stufe 1: Ein Gefühl für die Dringlichkeit erzeugen

Wer den Status quo durchbrechen und das Unternehmen verändern möchte, muss allen betroffenen Personen klar machen, wie dringlich der angestrebte Wandel ist. Überträgt man diese Forderung auf das Vorgehen bei der Einführung einer Social-Media-Strategie, muss der Belegschaft verdeutlicht werden, warum es unbedingt notwendig ist, dass die Bibliothek sich auf dieses neue Themengebiet begibt. Auch wenn es ein Klassiker ist, den alle Social-Media-Expertinnen und -Experten zum Nachweis der Notwendigkeit anführen: Bibliotheken müssen die Nutzerinnen und Nutzer dort abholen, wo sie sind. Viele rufen heute immer seltener von sich aus Webseiten auf, um zu sehen, was es Neues gibt. Sie bewegen sich vielmehr in ihren sozialen Netzwerken. Was dort als Neuheit geteilt wird, gelangt in den Aufmerksamkeitshorizont der interessierten Nutzerschaft. Es reicht also gegenwärtig nicht mehr aus, eine Aktuelles-Sektion auf der Website mit neuen Dienstleistungen der Bibliothek zu befüllen. Diese Nachrichten müssen aktiv in die sozialen Netze getragen werden (egal ob via Facebook, Twitter, Google Plus oder wie die Social-Media-Dienste der Zukunft heißen werden). Wichtig: Dies muss mittels einzeln verlinkbarer Webseiten, wie sie etwa durch ein in die Homepage eingebundenes Blog leicht erzeugt werden, initial von der Bibliothek angestoßen werden, auf dass die Nutzerinnen und Nutzer diese Nachrichten in ihren Kreisen teilen und so zu einer Verbreitung des bibliothekarischen Angebotes beitragen.

Zusammenfassend lässt sich zum ersten der acht Schritte sagen: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden nur aktiv und motiviert an der Umsetzung einer Social-Media-Strategie der Bibliothek mitwirken, wenn sie verstehen, dass dieser Wandel kein schickes Nice to have ist („Wir sind jetzt auch auf Facebook“), sondern dass eine dringend notwendige strukturelle Neuorientierung der Kommunikation mit dem Zielpublikum maßgeblich für die zukünftige Bekanntheit und damit Nutzung bibliothekarischer Angebote sein wird.

Stufe 2: Eine Führungskoalition aufbauen

Der Bibliotheksleitung kommt die Aufgabe zu, das Veränderungsprojekt von Anfang an zu unterstützen und eine mit der Umsetzung beauftragte Führungsmannschaft zusammenzustellen. In kleineren Bibliotheken kann das auch bedeuten, dass die Führungsmannschaft aus nur einer Person besteht. Die braucht dann erst recht die Rückendeckung durch die Leitung. Kotter weist darauf hin, dass in Belegschaften oft ein großes Widerstandspotential gegen Neuerungen herrscht, dem durch wohl überlegte Planungen gegengesteuert werden muss.2

Wenn Kotter davon spricht, dass das größte Problem beim Veränderungsmanagement die Schlangen sind, also Menschen, die genügend Misstrauen säen können, um jede Art von Teamarbeit zu töten,3 dann mag das ein sehr drastisches Bild sein. Wer aber schon einmal mit der Aufgabe, Neuerungen in einer Institution umzusetzen, betraut war, kennt diese Widerstände. Außerdem – um vom etwas unschönen Bild der Schlangen, das ja immer auch mit Hinterlist verbunden wird, wegzukommen – kann es dem Personal einfach nur durch Unkenntnis an Einsicht in die Dringlichkeit und Sinnhaftigkeit des Unterfangens fehlen (häufig noch vorherrschendes Vorurteil: Social Media sei Spielerei, Zeitverschwendung oder gar unseriös). Umso wichtiger ist es, die mit der Projektaufgabe betrauten Führungsperson(en) aufgrund deren Fachkenntnis und deutlich im Auftrag der Leitung des Hauses agierend zu installieren. Mit entsprechender Unterstützung „von oben“ wird das Social-Media-Team bzw. der oder die -Beauftragte auch motivierter und vor allem nachhaltiger gegen Widerstände in der Bibliothek wirken können.

Stufe 3: Vision und Strategie entwickeln

Allen Beteiligten im Unternehmen muss eine klar erkennbare Vision vermittelt werden, wenn Veränderungen angestrebt sind. Wem nicht klar ist, warum der Wandel erfolgen soll und wohin dieser das Unternehmen führen wird, der verweigert sich früher oder später. Über den Nachweis der Dringlichkeit zum Handeln hinaus müssen eine Vision und eine Strategie für die Umsetzung des Wandels entwickelt werden. Eine gute Vision hilft dabei, natürlichen Widerstand zu überwinden und das zu tun, was notwendig ist und was auf alle motivierend wirkt.4

Übertragen auf das Feld Social Media kann die Vision einer Bibliothek zum Beispiel lauten: Wenn Menschen auf der Suche nach Informationen verstärkt Suchmaschinen wie Google & Co. konsultieren und deshalb weniger auf Bibliotheksangebote zurückgreifen, müssen wir dafür sorgen, dass die Bibliothek mit ihren Angeboten in den Trefferlisten von Google & Co. auftaucht und wieder entsprechend mehr bibliothekarische Nutzung stattfindet. Wenn Menschen verstärkt in ihren sozialen Netzen Wissen teilen und schaffen, muss die Bibliothek als Ort der Bewahrung und Schaffung von Wissen unverzichtbarer Teil dieses Netzes werden. Die Strategie, diese Vision zu realisieren, liegt dann folgerichtig in der Einrichtung bibliothekarischer Web 2.0-Angebote wie Blogs, Wikis und entsprechender Social-Media-Accounts, die gezielt zur Kommunikation und Vernetzung mit der bestehenden und – als klares Ziel der Vision – noch auszuweitenden wissenschaftlichen Community eingesetzt werden.

Stufe 4: Die Vision des Wandels kommunizieren

In der letzten der vier unter dem Oberbegriff „Auftauen des Status quo“ zusammengefassten Stufen gilt es, den Wandel in das Unternehmen hinein zu kommunizieren. Wer Veränderung will, muss rechtzeitig mitteilen, warum, durch wen und wie das erfolgen soll. Aus Sicht der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gilt: Wer sich nicht frühzeitig informiert – und damit einbezogen – fühlt, ist dem Wandel gegenüber nicht aufgeschlossen und wird sich ihm im schlimmsten Fall verweigern. Somit müssen alle zur Verfügung stehenden Kanäle (Informationsveranstaltungen, Intranet, Leitfäden, Mailing etc.) genutzt werden, den Wandel zu kommunizieren. Dabei stellt Kotter vor allem zwei Dinge heraus: Auch wenn, oder gerade weil es sich dabei um eine Top-down-Kommunikation handelt, ist es von zentraler Bedeutung, auf Feedback aus der Belegschaft einzugehen und Zweifel am Vorhaben argumentativ zu zerstreuen. Und nicht zuletzt muss die Vision von der Führungskoalition vorgelebt werden. Übertragen wir das wieder auf die Einführung von Social Media, ist es eben nicht damit getan, dem Haus gegenüber knapp zu kommunizieren, dass die Bibliothek jetzt bald auch in den sozialen Medien vertreten sein werde. Motive und geplante Schritte für diesen Weg müssen frühzeitig bekannt gemacht werden. Zweifel der Sorte – um nur ein gerne dem Netz gegenüber angebrachtes Vorurteil zu nennen – „Was sollen wir als seriöse Bibliothek denn in einem Umfeld, in dem Fotos von Katzen und Essen geteilt werden?“ müssen ernst genommen und mit nachvollziehbaren Argumenten beantwortet werden, die zeigen, warum Social Media durchaus ein ernst zu nehmendes Betätigungsfeld für eine moderne Bibliothek ist. Und eine Führungsmannschaft, die Social Media selbst noch nicht vorleben kann, wird es schwer haben, den Rest des Kollegiums von einer Mitarbeit auf diesem Feld zu überzeugen. Notfalls – sollte keine vorgelebte Social-Media-Erfahrung in der Bibliothek vorhanden sein – kann zwar auf Best-Practice-Beispiele vergleichbarer Bibliotheken hingewiesen werden, doch die Motivation, den Argumenten von Vorgesetzten oder Kolleginnen und Kollegen zu folgen, ist sicherlich höher, wenn diese das, was sie im Rahmen des Wandels propagieren, auch selbst praktizieren.

Stufe 5: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf breiter Basis befähigen

Wer einen Wandel im Unternehmen herbeiführen will, möchte „neue Verhaltensweisen einführen“. Dies ist die Überschrift der Zusammenfassung der Schritte fünf bis sieben (s. Abb. 1). Das Personal wird Veränderungen nur aktiv mittragen können, wenn es fachlich dazu in der Lage ist. Zusätzlich müssen strukturelle Hindernisse zur Umsetzung beseitigt werden und gegebenenfalls Systeme, die der Vision des Wandels nicht entsprechen, geändert werden. Kotter spricht von der zentralen Aufgabe des Empowerment.5 Hieraus lassen sich wieder konkrete Aufgabenstellungen für die Einführung von Social Media in Bibliotheken ableiten: Auf der einen Seite müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch innerbetriebliche Schulungen bzw. Workshops für die neue Aufgabe fit gemacht werden. Und andererseits müssen die Strukturen im Haus an das neue Medien- und Kommunikationsumfeld angepasst werden. Galt bis dato die Devise, dass nach außen nur kommuniziert wird, was mit der Direktion im Wortlaut abgesprochen wurde, muss man sich konzeptionell eine zeitgemäßere Vorgehensweise überlegen. Es kann heutzutage nicht mehr jeder Blogartikel, oder jeder Status-Update auf Facebook oder Twitter mit der Direktion abgesprochen werden. Vielmehr muss ein Konzept erarbeitet werden, was und in welcher Form von wem wo kommuniziert wird. Ganz wichtig: Die dafür zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen die dazu notwendigen Zeitressourcen zur Verfügung haben. Es ist nicht damit getan, Frau Maier oder Herrn Müller die Social-Media-Aufgaben „mal so eben“ nebenher mit bewältigen zu lassen. Wenn Mitarbeiter nur deshalb dazu ausgewählt wurden, weil in ihren Stellenanteilen durch Umstrukturierungen am ehesten Zeitressourcen zur Verfügung stehen, eitressourcen zur Verfügung stehen, sie aber keinerlei praktische Erfahrung mit Social Media haben, wird das Vorhaben genauso scheitern, wie im Falle einer zwar persönlich vorhandenen Erfahrung und Befähigung, aber mangelnder zeitlicher Ressourcen oder im Raum stehender Unsicherheit, was wie kommuniziert werden soll und darf.

Stufe 6: Schnelle Erfolge erzielen

Je mehr Verweigerer im Unternehmen sich dem Wandel entgegenstellen, desto wichtiger sind schnelle Erfolge. Erste für alle sichtbare positive Auswirkungen helfen, das notwendige Momentum aufzubauen, um aus „abwartenden Beobachtern“ „Unterstützer“ und aus „zurückhaltenden Unterstützern“ „aktive Teilnehmer“ zu machen.6 Der schnelle Erfolg darf nicht dem Zufall überlassen werden.

Hier lauern vielleicht die größten Stolpersteine bei der Übertragung auf die Aufgabe, die Bibliothek in die Welt der Social-Media-Kommunikation zu überführen. Das Monitoring ist natürlich Pflicht, also die Messung des Erfolges und die genaue Beobachtung, was mit den im Web veröffentlichten Nachrichten der Bibliothek geschieht. Wer aber unter schnellen Erfolgen eine rasch ansteigende Zahl von Blog-Leser/inne/n oder den schnellen Anstieg der Follower-Zahlen in sozialen Netzwerken wie Twitter oder Facebook versteht, könnte enttäuscht werden bzw. nicht schnell genug die in der Strategieplanung beabsichtigten Erfolge vorweisen. Im Social-Media-Umfeld ist zum Start auch Geduld angebracht. Man muss erst einmal eine Zeitlang in diesem Bereich unterwegs sein, um wahrgenommen zu werden und entsprechende Resonanzen zu erzeugen, die man als Erfolge verbuchen kann. Außerdem sagt die reine Followerzahl (= Zahl der Anhänger/innen in den jeweiligen Netzwerken) noch relativ wenig über Qualität und Verbreitungschancen der bibliothekarischen Nachrichten und Vernetzungsbestrebungen aus. Selbst wenige Dutzende Follower können schon ein Erfolg sein, wenn diese wiederum selbst zahlreiche Follower haben. Ist unter den zu Anfang naturgemäß noch in relativ geringer Zahl vorhandenen Anhänger/inne/n des Social-Media-Accounts der Bibliothek aber ein/e Multiplikator/in mit wiederum möglichst vielen eigenen Anhänger/inne/n, kann jedoch ein rascher Einstieg ins virale Marketing gelingen. Aber auch schon erste positive Rückmeldungen Einzelner können schnelle Erfolge sein, die Zweifler/inne/n verdeutlichen, dass das Change Management in Richtung Social Media sich positiv auf die Wahrnehmung der Bibliothek, und damit auch auf die Sichtbarmachung der eigenen Arbeit, auswirkt.

Stufe 7: Erfolge konsolidieren, weitere Veränderungen einleiten

Der insgesamt siebte Schritt ist gleichzeitig der letzte aus der Phase der Einführung neuer Verhaltensweisen. Hier wird die Warnung ausgesprochen, dass Erfolge zwar essentiell sind, um das Momentum zu erhalten, aber das Feiern solcher Siege könne tödlich sein, wenn die Dringlichkeit verloren gehe.7 Auch wenn Kotter hier wieder mit sehr dramatischen Bildern arbeitet und vom Widerstand die Rede ist, der nur wartet, bis der Sturm vorüber ist, sind diese Bedenken nicht von der Hand zu weisen. Ferner bietet sich dieser Prozessabschnitt dazu an, die wachsende Glaubwürdigkeit dazu zu nutzen, alle Strukturen und Verfahren zu verändern, die entweder nicht zusammenpassen oder nicht der Vision des Wandels entsprechen. Personal, das diese Vision der Veränderung umsetzen kann, wird entweder eingestellt, befördert oder entwickelt. In dieser Stufe bietet sich die Chance, den Prozess mit neuen Projekten und Themen wieder zu beleben.

Übersetzt in das Aufgabenfeld Social Media gilt es zu berücksichtigen, dass man einen bestimmten Anteil an Mitarbeiter/inne/n und Führungskräften womöglich nie ganz vom Sinn des Unterfangens wird überzeugen können. Die werden eventuell „zurückschlagen“ und den eingeschlagenen Weg wieder verlassen wollen, wenn man sich zu früh auf ersten Social-Media-Erfolgen ausruht. Zudem besteht die Gefahr, dass man in der Leitungsebene der Bibliothek die Aufwände falsch einschätzt und glaubt, dass mit der Einrichtung eines Blogs oder eines Accounts in Facebook oder Twitter die Hauptarbeit ja getan sei, und dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nun weniger auf diesem Gebiet zu tun hätten, obwohl dann ja die Arbeit erst richtig losgeht. In ersten Planungen als zu gering eingeschätzte Aufwände können in dieser stabilisierenden Phase gegebenenfalls noch durch Verstärkung des Social-Media-Teams korrigiert werden.

Stufe 8: Neue Ansätze in der Kultur verankern

Bei der Beschreibung des achten und letzten Schrittes, gleichzeitig auch der letzten der drei Phasen der Veränderung, warnt Kotter vor der Gefahr der Selbstgefälligkeit. Wer sich zu früh zurücklehnt und sich auf Erfolgen ausruht, ohne die konsistente Fortführung des Wandels voranzutreiben, riskiert, den mühsam aufgebauten Veränderungsansatz wieder zu verlieren. Um den Fortbestand der Veränderung in der Unternehmenskultur zu sichern, braucht es ein Empowerment – eine Übertragung von Verantwortung – auf breiter Basis. Dazu gehört die Einrichtung flacher Hierarchien und eine gewisse Risikobereitschaft. Wenn sich die Leitung auf das Leadership konzentriert, kann sie einen Großteil der Managementaufgaben an niedrigere Hierarchiestufen delegieren.8 Das Unternehmen verschafft sich so verbesserte Handlungsspielräume.

Wer eine Social-Media-Strategie erfolgreich verfolgt, darf sich keine Selbstgefälligkeit leisten. Ein Ausruhen auf ersten Erfolgen im Social Web, ohne auf die sich immer schneller ändernden digitalen Kommunikationsgepflogenheiten zu reagieren, gefährdet den Erfolg des aufgebauten Wandels. Die gewonnenen Einsichten in die Notwendigkeit zu Veränderungen müssen nachhaltig in der Bibliothek verankert werden. Wenn Kotter davon spricht, dass der Wandel typischerweise mit einer einzigen kompetenten Person beginnt,9 hat er – immerhin bereits im Jahr der Erstausgabe 1996 – ein Szenario vorweggenommen, das gut dazu passt, wie Social Media bis dato oft in Bibliotheken Einzug gehalten hat: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die entweder privat oder beruflich schon erste Erfahrungen mit Social Media gemacht haben, können als Beispiel für die ersten Schritte der Bibliothek auf diesem Gebiet dienen und gleichsam vertrauenerweckendes und motivierendes Vorbild für ihre Kolleginnen und Kollegen sein.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich das 8-Stufen-Modell des Change Managements nach Kotter sehr gut eignet, um bei der Einführung einer Social-Media-Strategie in Bibliotheken eingesetzt zu werden.

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3. Social-Media-Konzept der Staats- und Universitätsbibliothek (SUB) Hamburg

Die SUB Hamburg war die erste Bibliothek in Deutschland, die dem Thema Social Media einen so hohen Stellenwert eingeräumt hat, dass sie eigens dafür eine Stabsstelle eingerichtet hat. Im Jahr 2010 hatte ich die Ehre, diese Stelle anzutreten und ein Konzept für die Bibliothek zu erarbeiten, das in der Folge von der Direktion beschlossen und seither bei uns im Haus umgesetzt wird. Dieses Konzept möchte ich Ihnen in der Folge vorstellen.

Vorneweg sei erklärt, dass ein wichtiger Gedanke bei der Konzeption war, wie man verhindert, dass die Social-Media-Expertin oder der Social-Media-Experte zum Nadelöhr für das wird, was nach außen kommuniziert wird? Sprich, wie schafft man es, dass nicht nur nach außen kommuniziert wird, was dieser Person oder dem Social-Media-Team auffällt. Dies ist gerade in einer großen Bibliothek von nicht zu unterschätzender Bedeutung, denn gerade große Häuser mit einer großen Belegschaft und vielen Projekten sind darauf angewiesen, dass alle im Haus wichtige Informationen zur Kommunikation an das Zielpublikum an das Social-Media-Team weitergeben werden. Deshalb ist ein erster Punkt des Konzeptes: Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind aufgerufen, interessante Nachrichten bzw. Projekte an das Social-Media-Team zu melden.

Dreh- und Angelpunkt unserer Social-Media-Kommunikation ist das Stabi-Blog. Es wurde 2006 ins Leben gerufen. Hier schreiben 12 bis 15 Kolleg/inn/en aus unterschiedlichen Abteilungen der Bibliothek. Das Blog ist als zentraler Nachrichtenkanal der SUB prominent auf der Website eingebunden. Und zwar nicht nur als Link, sondern mit den einzelnen Überschriften der aktuellsten Blogartikel. Viele interessieren sich nämlich nicht unbedingt für ein Blog als solches, sondern sie wollen Neuigkeiten erfahren. Diese Neuigkeiten werden dann zusätzlich in den weiteren Social-Media-Kanälen der Bibliothek (Facebook, Twitter, usw.) geteilt.

Da immer mehr Menschen weg von reinen Besuchen einer Website hin zur Nutzung sozialer Medien gehen, um sich – statt selbst Webseiten aufzurufen – von ihrem Netzwerk informieren zu lassen, welche interessanten Inhalte es online gibt (und gleichzeitig mit dem eigenen Netzwerk selbst gefundene Informationen zu teilen), hebt das Konzept der SUB Hamburg darauf ab, dass sich die Bibliothek diesem geänderten Informations- und Rechercheverhalten anpassen und dem Zielpublikum entsprechende Angebote machen muss. Dies soll unter Einbeziehung des Wissens der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, möglichst ressourcenschonend und ohne größere organisatorische Veränderungen – unter Ausnutzung schon bewährter Verfahren – im Regelbetrieb umgesetzt werden. Im Folgenden werden zusammenfassend die Ziele der Social-Media-Aktivitäten der SUB Hamburg aufgelistet:

Nutzerinnen und Nutzer dort abholen, wo sie sind:

Statt zu jammern, dass gerade jüngere Nutzerinnen und Nutzer nicht mehr auf die Dienste der Bibliothek zurückgreifen, sondern nur noch im Internet recherchieren, muss die Bibliothek dafür Sorge tragen, dass sie dort auf die bibliothekarischen Angebote stoßen, wo sie sich bewegen.

Sichtbarmachen der Arbeit:

Viele Nutzerinnen und Nutzer haben gar keine Vorstellung davon, wie breit und wie rasch sich die Angebotspalette der modernen Bibliotheken geändert hat. Die sozialen Netzwerke bieten eine hervorragende Gelegenheit, hier Aufklärungsarbeit zu leisten.

Erweiterung des Nutzerkreises:

Gut gemachte Social-Media-Arbeit führt nicht nur dazu, dass die vorhandenen Nutzerinnen und Nutzer das Angebot der Bibliothek besser kennen lernen, sondern sie führt vor allem dazu, dass neues Publikum auf das Angebot der Bibliothek überhaupt erst aufmerksam wird.

Steigerung der Zugriffe auf das E-Medien-Angebot:

Gleiches gilt für diesen Punkt: Es gilt sowohl den vorhandenen Nutzerinnen und Nutzern zu kommunizieren, dass es neue Angebote und neue Zugangswege zu den E-Medien gibt, als auch die neue Nutzerschaft auf dieses Angebot hinzuweisen. Beides erhöht im positiven Falle die Zugriffszahlen auf das E-Medien-Angebot.

Direkte Kommunikation mit Nutzerinnen und Nutzern:

Darin liegt ein zentraler Pfeiler der Social-Media-Arbeit. Nicht nur die Bibliothek kann gezielt einzelne Nutzergruppen ansprechen, sondern jede/r Einzelne kann direkt die Bibliothek ansprechen mit Fragen, Hinweisen oder Kritik. Wichtige Funktion einer positiv wahrgenommenen Kommunikation ist hier selbstverständlich, dass zeitnah auf Reaktionen des Publikums eingegangen wird.

Förderung der Recherchekompetenz:

Eine Bibliothek, die sich aktiv im Social-Media-Umfeld bewegt, kann auf diesem Wege die Nutzerschaft auch auf die Vorteile von Social Media im Rahmen der Recherche hinweisen. In der SUB Hamburg geschieht dies im Rahmen der Informationskompetenz-Schulungen, wo seit dem Jahr 2014 regelmäßig auch ein Vertiefungsmodul „Social Media für die Recherche“ für Angehörige der Universität Hamburg (Studierende und Dozent/inn/en) angeboten wird.

Literaturhinweise

Doppler, Klaus u.a.: Unternehmenswandel gegen Widerstände: Change Management mit den Menschen, 2. Aufl, Frankfurt am Main: Campus, 2011.

Georgy, Ursula; Schade, Frauke: Praxishandbuch Bibliotheks- und Informationsmarketing, 1. Aufl., Berlin: de Gruyter, 2012. (Dort insbes. Trapp, Markus : „Markenkommunikation im Web 2.0“, S. 443–456).

Kotter, John P.: Leading Change: Wie Sie Ihr Unternehmen in acht Schritten erfolgreich verändern, München: Vahlen, 2011.

Trapp, Markus: Veränderungsmanagement bei der Implementation einer Social-Media-Strategie. In: Hans-Christoph Hobohm; Konrad Umlauf (Hg.): Erfolgreiches Management von Bibliotheken und Informationseinrichtungen. Hamburg: Dashöfer, 2015, Kap. 3.6.4, S. 1–18.

Trapp, Markus: Das Social-Media-Konzept der SUB Hamburg. Vortrag Universität Hamburg, März 2012 (Video Lecture2Go, Dauer: 20 Min.). https://lecture2go.uni-hamburg.de/veranstaltungen/-/v/13394 (12.10.2015).

„Was machen die da? Markus Trapp, Stabsstelle Social Media“ (Online-Interview Mai 2014). http://wasmachendieda.de/2014-05-20/markus-trapp-stabstelle-social-media/ (12.10.2015).

1 Kotter, John P.: Leading Change: Wie Sie Ihr Unternehmen in acht Schritten erfolgreich verändern, München: Vahlen, 2011.

2 Vgl. Kotter (wie Anm. 1), S. 5.

3 Ebd., S. 52.

4 Ebd., S. 61.

5 Ebda., S. 87.

6 Ebda., S. 104.

7 Ebda., S. 111.

8 Ebda., S. 142.

9 Ebda., S. 138.