Aufsätze

Bibliotheken unterstützen Open-Access-Zeitschriften: eine Bedarfsabklärung

Alice Keller, Zentralbibliothek Zürich

Zusammenfassung:

Der Aufsatz beschreibt eine Studie zur Herausgabe von Open-Access-Zeitschriften an der Universität Zürich. Er geht der Frage nach, welche Bedürfnisse Open-Access-Zeitschriften bzw. ihre Herausgeber haben und welche publikationsunterstützenden Services infolgedessen von Universitätsbibliotheken angeboten werden sollten. Die Studie umfasste zwei Teile: eine ausführliche Online-Evaluation der Zeitschriften und ihrer Funktionalitäten sowie Einzelinterviews mit den Herausgebern. Die Resultate zeigen, dass eine sehr grosse Heterogenität besteht hinsichtlich der Funktionalitäten, der technischen Plattformen, der Finanzierungsmodelle, sowie der Anbindung an Verlag oder Bibliothek. Insbesondere Zeitschriften, die weder einem Verlag noch einer Bibliothek angegliedert sind, weisen Lücken bei den Funktionalitäten und der Nachhaltigkeit auf. Insgesamt stellen die fehlenden finanziellen Ressourcen für viele Herausgeber die größte Sorge dar. Außerdem fehlen den Herausgebern Ansprechpersonen und sie fühlen sich in ihrer Publikationstätigkeit zum Teil sehr allein gelassen. Die Migration einer Open-Access-Zeitschrift auf ein durch die Bibliothek betriebenes Journal Management System stellt insbesondere für Herausgeber von nicht-affiliierten Zeitschriften (also Zeitschriften, die nicht von einem Verlag oder einer Bibliothek unterstützt werden) eine interessante Option dar, birgt aus Sicht der Herausgeber aber auch die Gefahr des Verlusts der Unabhängigkeit und bedeutet für sie zusätzlichen Arbeitsaufwand und/oder Kosten.

Summary:

The article describes research on the publication of open access journals at the University of Zurich, Switzerland. In the course of the study, the needs of open access journals, or rather the needs of their respective editors, were evaluated. Based on these perceived needs, the author discusses what kind of publishing support services academic libraries should offer. The study comprised two approaches: a comprehensive online assessment of the journals and their functionalities, and subsequent editor interviews. The results indicate that the journals are very different with regard to functionalities, technical platforms, financing models and affiliation to a library or publishing house. Journals not affiliated to a library or publishing house display fewer functionalities and lower sustainability. Lack of financial resources is seen by nearly all editors as the most pressing concern. Furthermore, editors lack relevant contacts or networks and often feel isolated in the publishing activities. The migration of an open access journal to a library-led journal management system presents an interesting option for editors of non-affiliated journals. However, editors also fear that this will lead to a loss of independence and create additional work or costs.

Zitierfähiger Link (DOI): http://dx.doi.org/10.5282/o-bib/2015H4S297-313
Autorenidentifikation:
Keller, Alice: GND 12286557X; ORCID: http://orcid.org/0000-0001-6185-2635
Schlagwörter: Bibliotheken; Open Access; Open-Access-Zeitschriften; Digitales Publizieren

1. Einführung

Die neuen Möglichkeiten des elektronischen Publizierens sowie das Aufkommen von Open Access haben für die Wissenschaft ganz neue und teilweise sehr attraktive Optionen zur wissenschaftlichen Kommunikation und Publikation eröffnet. Im Mittelpunkt dieser Studie steht die Frage, welche Rolle Universitätsbibliotheken zur Unterstützung dieser Entwicklungen im Bereich der Open-Access-Zeitschriften einnehmen können.

Für Bibliotheken stehen bei der Unterstützung des digitalen Publizierens in der Regel der Auf- und Ausbau eigener Publikationsplattformen oder die Gründung eines Universitätsverlags im Vordergrund.1 Universitätsbibliotheken sehen den Aufbau publikationsunterstützender Dienstleistungen als Möglichkeit, sich stärker im Wissenschaftsbetrieb und im Bewusstsein der Entscheidungsträger der Hochschule zu verankern.2 Bei Zeitschriften bedeutet dies meist den Betrieb einer Software für das Management von Zeitschriften, z.B. die Software Open Journal Systems (OJS) vom Public Knowledge Project (PKP) oder Digital Commons von bepress.3 Die Software OJS ist inzwischen auch an deutschsprachigen Hochschulbibliotheken zunehmend stark verbreitet.

Im Rahmen dieser publikationsunterstützenden Services übernehmen die Bibliotheken neue Rollen und sind zunehmend aktiv im verlegerischen Bereich.4 Parallel zu den Entwicklungen in Bibliotheken verändert sich auch die Rolle der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Viele lancieren zum Teil mehr oder weniger im Alleingang eigene, neue Publikationsorgane, oft ganz abseits von den Publikationsplattformen von Bibliotheken oder Verlagen, und werden so zu Selbstverlegern.

Die Rolle einer Universitätsbibliothek bei der Unterstützung von Open-Access-Zeitschriften auf den Betrieb einer Software für professionelles Journal-Management zu beschränken, lässt also viele Open-Access-Zeitschriften außen vor. Die vorliegende Studie versucht diese Lücke zu füllen und die Bedürfnisse von Open-Access-Zeitschriften bzw. ihrer Herausgeber möglichst umfassend zu ermitteln und zu analysieren. Hierbei werden auch Open-Access-Zeitschriften, die in traditionellen Verlagen oder Fachgesellschaften erscheinen, berücksichtigt. Die Klärung dieser Bedürfnisse soll anschließend als Basis dienen, um die Rolle von Universitätsbibliotheken bei der Unterstützung der Publikation von Open-Access-Zeitschriften neu zu definieren.

2. Beschreibung der Studie

Forschungsfragen

In der vorliegenden Studie wurde der Frage nachgegangen, welche Bedürfnisse Open-Access-Zeitschriften bzw. ihre Herausgeber haben.5 Aufbauend auf diesen Erkenntnissen sollte geklärt werden, welche publikationsunterstützenden Services von Universitätsbibliotheken angeboten werden sollten. Um diese Fragen zu beantworten, wurden folgende Aspekte im Einzelnen analysiert:

Evaluation der Funktionalitäten von Open-Access-Zeitschriften

Technische System- bzw. Plattformwahl

Nachhaltigkeit

Kooperation mit und Unterstützung durch Verlage und/oder Bibliothek

Einstellung bzw. Commitment der Herausgeber gegenüber Open Access

Sicherstellung der digitalen Langzeitarchivierung

Probleme und Bedürfnisse der Herausgeber

Rolle der Bibliotheken aus Sicht der Herausgeber

Teilnehmende Zeitschriften

Als Stichprobe wurden Open-Access-Zeitschriften mit Verbindung zur Universität Zürich gewählt. Sie mussten zudem wissenschaftliche Inhalte und ein Peer-Review-Verfahren aufweisen.

Es zeigte sich, dass es nicht einfach war, diese Zeitschriften überhaupt ausfindig zu machen. Während die Verlags- und Gesellschaftszeitschriften in den entsprechenden Katalogen und Verzeichnissen relativ einfach zu finden sind, fehlt insbesondere bei den selbstständigen Zeitschriften und Neugründungen ein zentraler Nachweis. Außerdem ist es nicht möglich, in der Elektronischen Zeitschriftenbibliothek (EZB) oder im Directory of Open Access Journals (DOAJ) nach herausgebenden Institutionen zu suchen. Des Weiteren musste geklärt werden, wie die Verbindung zur Universität Zürich definiert werden sollte. Schließlich wurden alle Zeitschriften berücksichtigt, deren Herausgeber oder Mitherausgeber mit der Universität Zürich affiliiert sind oder deren herausgebende Gesellschaft einen Bezug zur Universität aufweist. Insgesamt gelang es, vierzehn Zeitschriften zu identifizieren, die für die Studie geeignet waren (Tabelle 1).

Zeitschrift

URL

Altrelettere (ital. Literatur)

http://www.altrelettere.uzh.ch/index.html

Asiatische Studien – Études Asiatiques

http://www.degruyter.com/view/j/asia

Bfo-Journal (Kunst und Architektur)

http://bauforschungonline.ch/bfo-journal.html

Common – Journal für Kunst & Öffentlichkeit

http://commonthejournal.com/

Electronic Journal of Islamic and Middle Eastern Law

http://www.ejimel.uzh.ch/index.html

Foucaultblog

http://www.fsw.uzh.ch/foucaultblog/

Geographica Helvetica

http://www.geographica-helvetica.net/

Ibidem (Doktorandenprogramm Romanistik)

http://www.phil.uzh.ch/elearning/blog/ibidem/

Journal für Psychoanalyse

http://www.psychoanalyse-journal.ch/

Journal of Research Projects – East Asian Art Section

Nicht online zugänglich

kids + media

http://www.kids-media.uzh.ch

Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft

http://www.ngzh.ch/publikationen/vierteljahrsschrift

Zeitschrift für Rezensionen zur germanistischen Sprachwissenschaft 

http://www.degruyter.com/view/j/zrs

Zeitschrift Schreiben

http://www.zeitschrift-schreiben.eu/

Alle in Tabelle 1 beschriebenen Zeitschriften sind wissenschaftliche Publikationsorgane mit Peer-Review und Open-Access-Zugang. Gemeinsam ist ihnen auch, dass sie keine Autorengebühren (APC = Article Processing Charge) verlangen, wobei dies keine Bedingung für die Auswahl der Zeitschriften war.6 Ansonsten sind sie sehr unterschiedlich: bei einigen handelt es sich um langjährige Verlags- oder Gesellschaftszeitschriften, andere hingegen sind Neugründungen, lanciert von engagierten Einzelpersonen. Zum Zeitpunkt der Studie waren noch nicht alle frei zugänglich im Web; bei einigen musste mit einer Testversion gearbeitet werden. Dieses große Spektrum bedeutet, dass die Studie eine sehr breite Übersicht über die verschiedenen Bedürfnisse von Open-Access-Zeitschriften bieten kann.

Teil 1: Evaluation der Zeitschriften

Das Ziel der Online-Evaluation war die Beurteilung der vorhanden Funktionalitäten, der Online-Informationen, der Navigation, der Nachhaltigkeit sowie der Sichtbarkeit der Journals. Wissenschaftlicher Inhalt und Reputation waren nicht Teil der Studie, da die Zeitschriften ein so breites Feld hinsichtlich Fachgebiet und Zielpublikum abdecken und somit diesbezüglich kaum vergleichbar sind.

Zur Evaluation der Zeitschriften wurden Kriterien eingesetzt, die u.a. auch vom Directory of Open Access Journals (DOAJ) oder zur Zeitschriftenauswahl bei Thomson Reuters verwendet werden.7 Weitere nützliche Hinweise lieferten die Checklisten im Handbook of Journal Publishing.8 Darüber hinaus konnte die Autorin auf eigene Kenntnisse und Erfahrungen aus dem Verlagswesen zurückgreifen.

Teil 2: Interviews mit Herausgebern

Im Anschluss an die Zeitschriftenevaluationen wurden Interviews mit den Herausgebern aller vierzehn Zeitschriften durchgeführt. Während der Interviews wurden einerseits Unklarheiten in der technischen und funktionalen Beurteilung der Zeitschrift ausgeräumt; andererseits galt es, zusätzliche Hintergrundinformationen zur Zeitschrift und zur Motivation der Herausgeber zu sammeln.

Die Fragen bezogen sich im Einzelnen auf die Prozesse bei der Manuskripteinreichung und -begutachtung sowie bei der Redaktion und Bearbeitung der Texte. Weitere Fragen betrafen die finanziellen und personellen Ressourcen, Administration und Technik, Zukunftspläne der Herausgeber, Einstellung gegenüber Open Access, Sorgen und Bedürfnisse. Das Interview endete mit der Nachfrage, was bzw. welche Hilfestellung die Herausgeber von ihrer Bibliothek erwarten.

Zeitschriftenherausgeber sind erfahrungsgemäß sehr vielbeschäftigte Personen, und es war von Anfang an klar, dass man sie nur für ein Interview gewinnen konnte, wenn auch sie davon profitieren würden. Entsprechend war es wichtig, bereits bei der ersten Kontaktaufnahme einige diskrete Vorschläge zu machen, wie sie ihre Zeitschrift verbessern könnten. Solche Tipps (z.B. „Haben Sie sich schon mal überlegt, Creative-Commons-Lizenzen einzusetzen?“) waren für die Herausgeber von großem Interesse und haben sofort ihre Neugierde an der Studie geweckt.

3. Resultate und Diskussion

Die Studie lieferte zwei Sets von Resultaten: die Ergebnisse aus den Online-Evaluationen der Zeitschriften und die Einsichten aus den Interviews. Zum Schutz der Personen und ihrer persönlichen Arbeit werden die Namen der Zeitschriften, der Verlage sowie der Herausgeber nicht angegeben.

3.1. Evaluation der Zeitschriften

Die Zeitschriftenevaluationen wurden online auf der Website der Zeitschrift durchgeführt. Bei zwei neuen Zeitschriften musste mit Testinstallationen gearbeitet werden. Zu einer Zeitschrift allerdings lagen auch noch keine Testseiten vor, so dass sich die Evaluation nur auf dreizehn Titel bezieht.

Insgesamt wurden 29 Kriterien zur Beurteilung der Zeitschriften eingesetzt. 22 Kriterien beziehen sich auf die Funktionalitäten, Sichtbarkeit, Navigation und wichtige Informationen zur Zeitschrift. Sie werden im nachfolgenden Text gesamthaft als „Funktionalitäten“ bezeichnet. Vier weitere Kriterien beziehen sich auf die Nachhaltigkeit der Zeitschrift. Zwei Kriterien beschreiben die Verbindung zu Verlag und/oder Bibliothek. Das letzte Kriterium bezieht sich auf die technische Umsetzung der Onlinezeitschrift. Die digitale Langzeitarchivierung wird in zwei Rubriken als Kriterium geführt. Die Resultate sind in Tabelle 2 gezeigt.

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Funktionalitäten

Der erste Abschnitt in Tabelle 2 (Zeilen 1–22) bezieht sich auf die Funktionalitäten und zeigt, wie häufig oder selten diese vorkommen. Die Verteilung ist nicht gleichmäßig, sondern es zeichnet sich ein Gefälle ab: einige Funktionalitäten sind bei fast allen Zeitschriften zu finden (z.B. Herausgeberschaft erklärt (Tabelle 2, Zeile 1)), während andere nur vereinzelt vorkommen (z.B. Metriken auf Artikelebene (Tabelle 2, Zeile 21)).

Betrachtet man dieses Gefälle, so könnte man die Kriterien auf Zeilen 1–7 in Tabelle 2 als Basisfunktionalitäten bezeichnen, die bei den meisten Open-Access-Zeitschriften an der Universität Zürich vorkommen. Auffallend ist, dass es sich ausschließlich um Elemente handelt, die die Zeitschrift als Ganzes betreffen: hierzu gehören Informationen zur Zeitschrift, International Standard Serial Number (ISSN), Anzeige der Volltexte in einem üblichen Format, Navigation und Stichwortsuche, sowie Nachweis in der EZB.

In der nächsten Kategorie (Tabelle 2, Zeilen 8–14) findet man Elemente, die typischerweise dem einzelnen Artikel zuzuordnen sind. Diese sind weniger stark verbreitet, insbesondere bei Zeitschriften, die nicht einem Verlag oder einer Bibliothek angegliedert sind. Hierzu gehören: Autorenangaben, Link zu Social Media, Möglichkeit des einfachen Zitierens nach gängigen Standards, Einsatz von DOI und Creative-Commons-Lizenzen, Erklärung des Begutachtungsprozesses, Export der Metadaten in Literaturverwaltungssysteme (hier bezeichnet als: Export zu Endnote etc.).

Diese zwei Gruppen von Kriterien auf Zeilen 1-7 und 8-14 in Tabelle 2 können als essenzielle Funktionalitäten einer Onlinezeitschrift bezeichnet werden. Sie dienen dem einfachen Zugang, der sicheren Benutzerführung und Navigation, sowie der guten Information sowohl auf Zeitschriften- als auch auf Artikelebene.

Bei den Kriterien auf Zeilen 15–22 in Tabelle 2 handelt es sich um Zusatzfunktionalitäten, die eher vereinzelt vorkommen – fast ausschließlich bei Zeitschriften, die einem Verlag oder einer Bibliothek angegliedert sind. Eine Ausnahme stellt hier das Browsen nach Thema/Autor dar. Es fällt auf, dass dieser Einstieg nur bei nicht-affiliierten Zeitschriften möglich ist.9 Bei den anderen Kriterien handelt es sich in der Regel um Funktionalitäten, die gegenüber den oben genannten Basisfunktionen einen Zusatznutzen oder zusätzliche Informationen für die Leserinnen und Leser bringen. So beispielsweise die Kombination von PDF- und HTML-Format, die Expertensuche oder Metriken auf Artikelebene. Auffallend ist, wie wenig Zeitschriften eine Lösung für die digitale Langzeitarchivierung anbieten. Ein Aspekt, der im nachfolgenden Text ausführlich diskutiert wird.

Die Interviews boten die Gelegenheit, mit den Herausgebern zu besprechen, wieso gewisse Funktionalitäten fehlen. Vor allem bei nicht-affiliierten Journals waren diese Diskussionen sehr aufschlussreich. Es zeigte sich, dass es auch gute Gründe für das Fehlen einer Funktionalität geben kann. So bieten zum Beispiel zwei Zeitschriften keine Zählung (Band oder Jahr) auf der Website an (Tabelle 2, Zeile 4), da dies von den Herausgebern als unnötig und rückständig empfunden wurde. Stattdessen unterstützen diese Zeitschriften den Einstieg über Thema und Autor (Zeile 15) – das war den Herausgebern wichtiger. Einige Journals haben sogar eigene Zitierweisen entwickelt, die auf Band- und Artikelzählung verzichten. Die Interviews zeigten, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Onlinezeitschriften als Gelegenheit sehen und zu schätzen wissen, sich von den Einschränkungen einer Printpublikation lösen zu können. Die Gründung einer eigenen Zeitschrift bietet aus Sicht dieser Herausgeber die Möglichkeit, neue Wege der wissenschaftlichen Kommunikation zu beschreiten.

In den Gesprächen fiel auf, dass die Herausgeber nicht alle Funktionalitäten gleichermaßen relevant finden. Zu den Funktionalitäten, die bei den nicht-affiliierten Journals wenig Verbreitung finden, aber aus Sicht der Herausgeber von Interesse wären, gehören die Verzeichnung in DOAJ (Tabelle 2, Zeile 22), der Einsatz von Creative-Commons-Lizenzen (Zeile 12) und der Gebrauch von DOI (Zeile 11). Bei anderen Funktionalitäten hingegen zeigten die Herausgeber wenig Interesse, da sie von Sinn und Zweck kaum überzeugt waren. Hierzu gehört auch der Nachweis in Fachbibliographien (Tabelle 2, Zeile 16). Nur ein Herausgeber zeigte hier Interesse, da er für seine Zeitschrift einen Impact Factor beantragen wollte. Auch das Thema digitale Langzeitarchivierung (Tabelle 2, Zeile 17) interessierte wenig – ein Aspekt, der weiter unten nochmals aufgegriffen wird.

Nachhaltigkeit und Angliederung an Verlag oder Bibliothek

Die Kriterien in Zeilen 23–26 (Tabelle 2) beziehen sich auf Faktoren, die aus Erfahrung der Autorin die Nachhaltigkeit und „Langlebigkeit“ einer Zeitschrift positiv beeinflussen. Dies umfasst die möglichst langfristige Verfügbarkeit von Drittmitteln, das Alter der Zeitschrift (mehr als 5 Jahre), die Zugehörigkeit zu einer Fachgesellschaft und das sichere digitale Archiv. Zeilen 27 und 28 in Tabelle 2 beschreiben die Verlagszugehörigkeit oder die Unterstützung der Zeitschrift durch eine Bibliothek.10

Insgesamt erkennt man eine positive Korrelation zwischen der Zahl an Funktionalitäten (insbesondere der „essenziellen Funktionalitäten“ (Tabelle 2, Zeilen 1–14),, der Nachhaltigkeit der Zeitschrift, sowie dem Vorhandensein einer Verlags- oder Bibliotheksunterstützung. Aus der Studie geht relativ deutlich hervor, dass Verlage und Bibliotheken professionelle Plattformen bieten, die sämtliche Basisfunktionalitäten auf Zeitschriften- und Artikelebene abdecken.

Weniger klar ist die Korrelation zwischen Verlags- oder Bibliotheksaffiliation und der Nachhaltigkeit. Aus eigener Erfahrung kann die Autorin berichten, dass kommerzielle Verlage erst dann an einer Zusammenarbeit mit einer Zeitschrift interessiert sind, wenn die Zeitschrift nebst inhaltlicher Qualität auch über einen guten Umsatz und/oder den Rückhalt durch eine tragfähige Gesellschaft verfügt. Maron et al. weisen darauf hin, dass dieser betriebswirtschaftliche Ansatz, der stark auf langjähriger Kostendeckung beruht, durchaus auch seine positive Seite hat und zur Sicherung der Marktakzeptanz und der Qualität der Publikationen beiträgt.11 Bei der Angliederung an eine Bibliothek scheint zumindest in dieser Studie die gesicherte Nachhaltigkeit kein ausschlaggebendes Kriterium zu sein (siehe Zeitschrift 2). Verschiedene Autoren machen auf dieses Problem der längerfristigen Finanzierbarkeit von Zeitschriftenplattformen von Bibliotheken aufmerksam.12 In diesen Aufsätzen wird nicht nur die Nachhaltigkeit der einzelnen Zeitschrift, sondern die Zukunftsfähigkeit der Publikationsaktivitäten von Bibliotheken insgesamt in Frage gestellt.

Diese Korrelation zwischen Funktionalitäten, Nachhaltigkeit und Bibliotheks- oder Verlagsangliederung stellt eine sehr wichtige Frage dar, die dringend weiterer Forschung bedarf. Insbesondere vor dem Hintergrund aktueller Diskussionen – Putnings spricht z.B. von der „Suche nach tragbaren Finanzierungsstrukturen mit allen beteiligten Parteien“ und den „unbeständigen Signalen der DFG“13 – zeigen die hier präsentierten Resultate und Überlegungen, dass die Förderung der Nachhaltigkeit in mancher Hinsicht die Grundlage oder sogar die Voraussetzung für eine professionelle und gut funktionierende Zeitschrift bietet.

Technische Plattform, Systemwahl

Der letzte Teil der Evaluation ging der Frage nach, welche technische Plattform bzw. welches System bei den untersuchten Zeitschriften eingesetzt wird (Tabelle 2, Zeile 29). Hierzu muss man ergänzen, dass die Hauptbibliothek der Universität Zürich gegenwärtig den Einsatz von OJS zur Unterstützung der Publikation von Zeitschriften in einem Pilotprojekt prüft. Die Hauptbibliothek bietet auch an, dass das institutionelle Repositorium ZORA zur Speicherung und Anzeige von ganzen Zeitschriften genutzt werden kann. Neben diesen zwei institutionellen Lösungen haben viele der Herausgeber eigene technische Lösungen zur Verwaltung und Präsentation ihrer Zeitschrift entwickelt. Einige der Zeitschriften arbeiten mit einem Verlag zusammen und profitieren so von den Leistungen der Verlagsplattform.

Die Analyse der Zeitschriften zeigt folgendes Bild: drei der Zeitschriften setzen eine Blogsoftware ein, weitere drei Zeitschriften nutzen ein Content Management System (CMS), zwei Zeitschriften speichern Artikel im institutionellen Repositorium der Universität, eine Zeitschrift hat eine eigene Datenbank entwickelt, und eine Zeitschrift setzt eine E-Book-Software ein. Schließlich greifen drei Zeitschriften auf ein Verlagssystem zurück, wobei eine dieser Zeitschriften die Artikel für den Open-Access-Zugang zusätzlich im Repositorium abspeichert.

3.2. Interviews mit Herausgebern

Nach der Evaluation der Zeitschriften wurden mit allen Herausgebern Interviews geführt. Erste Reaktionen zeigten, dass die Herausgeber überrascht waren, dass sich die Universitätsbibliothek für ihre Zeitschrift interessiert. Offensichtlich erkannten sie nicht sofort eine Verbindung zwischen ihren Publikationsaktivitäten und dem Auftrag einer Bibliothek. Schon diese Tatsache ist eine wichtige Erkenntnis, denn sie zeigt, dass Herausgeber nicht von sich aus Beratung oder Hilfestellung bei ihrer Bibliothek suchen würden.

In einigen Interviews war es zudem notwendig, zuerst ein gemeinsames Verständnis zu schaffen, was überhaupt eine Zeitschrift ist bzw. welche Eigenschaften eine Publikation als Zeitschrift auszeichnen. Auch dies war eine wichtige Erkenntnis für die Autorin.

Insgesamt sind die Herausgeber stolz auf ihre Zeitschrift: sie haben sehr viel Zeit, Engagement und Herzblut in ihre Publikation gesteckt. Insbesondere bei Neugründungen sehen die Herausgeber die Möglichkeit der Umsetzung eigener Ideen. So haben fast alle Herausgeber einen professionellen Designer mit der Gestaltung des Webauftritts und des Layouts ihrer Zeitschrift beauftragt. Unkonventionelle Features werden von den Herausgebern oft als innovativ und modern bezeichnet. Sie sehen hier die Möglichkeit, sich von den Zwängen einer gedruckten Zeitschrift zu lösen und Veränderungen in der wissenschaftlichen Kommunikation aktiv mitzugestalten. Es würde vielen schwer fallen, diese Elemente zugunsten einer zentralen, uniformen Lösung aufzugeben.

Einstellung gegenüber Open Access

Alle Herausgeber kannten die Grundsätze von Open Access, allerdings war Open Access für sie kein Leitthema bei der Gründung ihrer Zeitschrift bzw. bei der Übernahme der Herausgebertätigkeit. Ihre Überlegungen waren vielmehr praktischer Art: Wie kann man den Onlinezugang zur Zeitschrift möglichst einfach gestalten? Die Notwendigkeit eines kostenlosen Zugangs sehen die Herausgeber hauptsächlich in der Tatsache, dass Studierende nicht bereit sind, für die Lektüre einer Zeitschrift zu zahlen. Nur bei drei der vierzehn Herausgeber konnte beobachtet werden, dass sie ein wirkliches und politisches Commitment für Open Access haben.

Einige Herausgeber würden von den Leserinnen und Lesern auch Gebühren verlangen, wenn dies technisch einfach umzusetzen wäre und den Zugang nicht behindern würde. Andere würden sehr gerne mit einem renommierten kommerziellen Verlag kooperieren, wenn diese Option gegeben würde (evtl. auch ohne Open Access). Als größtes Hindernis zur Kooperation mit einem Verlag sehen die Herausgeber das Fehlen von Drittmitteln (siehe Diskussion zur Nachhaltigkeit oben).

Sechs Zeitschriften führen weiterhin eine gedruckte Version; bei vier dieser Titel handelt es sich um langjährige Gesellschaftszeitschriften. Hier bestand das Anliegen hauptsächlich darin, die Zeitschriften online verfügbar zu machen, um so neue Leser und Mitglieder zu gewinnen. Eine Gesellschaftszeitschrift auf Open Access umzustellen, birgt immer die Gefahr von Kündigungen von Mitgliedschaften, da Mitglieder die Zeitschrift auch ohne Zugehörigkeit lesen können. Alle vier Gesellschaftszeitschriften hatten dieses Risiko in Betracht gezogen, aber dennoch entschieden, diesen Weg zu beschreiten. Ein Herausgeber formulierte seine Meinung wie folgt: „Die Zahl der Mitglieder sinkt sowieso, es ist für die Fachgesellschaft jetzt wichtiger, neue und junge Mitglieder anzusprechen, als an alten Publikationsmodellen festzuhalten.“

Technische Umsetzung

Die technische Umsetzung der Zeitschriften bzw. des Webauftritts wurde als Teil der Evaluation analysiert; im Herausgebergespräch wurde die Wahl des technischen Lösungsansatzes weiter vertieft. In den meisten Fällen verfügt der Herausgeber nicht über die benötigten IT-Kenntnisse zur Umsetzung des Onlineauftritts, sondern er wird von einem Assistenten oder Webmaster unterstützt.

Die Vorteile einer Eigenentwicklung sind, dass ein Herausgeber – im Rahmen des technisch Möglichen – das System selber und entsprechend seinen Bedürfnissen und Wünschen gestalten kann. Diese Gestaltungsfreiheit wird von den Herausgebern nicht-affiliierter Zeitschrift sehr geschätzt, und keiner wollte seine Zeitschrift grundsätzlich verändern. Dennoch zeigten sie großes Interesse, als ihnen beim Herausgebertreffen das System OJS präsentiert wurde (siehe unten).

Digitale Langzeitarchivierung

Die Zeitschriftenevaluation zeigte, dass nur drei der untersuchten Zeitschriften Vorkehrung zur Sicherung der digitalen Langzeitarchivierung getroffen hatten. Hierzu gehören Vereinbarungen mit einem unabhängigen Anbieter wie Portico oder LOCKSS. Typischerweise handelt es sich bei allen drei Titeln um Verlagszeitschriften, die diesbezüglich von den Vorkehrungen ihrer Verlagshäuser profitieren. Weitere zwei Titel verlassen sich auf die gedruckte Version als sichere Archivausgabe.

Die Herausgeber aller anderen Zeitschriften fühlen sich ausreichend abgesichert über ihre Kooperation mit dem Rechenzentrum der Universität, mit den Informatikdiensten ihres Instituts oder mit ihrem privaten, externen Anbieter. Die Überlegung, dass sie darüber hinaus eine Zusammenarbeit mit einer Bibliothek oder einem unabhängigen digitalen Archiv suchen könnten, war ihnen fremd. Die Gespräche zeigten, dass die Herausgeber mit dem täglichen Betrieb ihrer Zeitschrift in der Regel so beschäftigt sind, dass sie sich kaum mit Plänen für die längere Zukunft befassen.

„Welches sind Ihre dringendsten Bedürfnisse oder Probleme?“

Alle Herausgeber wurden gebeten, ihre dringendsten Bedürfnisse oder Probleme zu nennen. An oberster Stelle stand absolut eindeutig der Bedarf nach mehr personellen und finanziellen Ressourcen. Nur vier Zeitschriften verfügen über dauerhafte Drittmittel und/oder Unterstützung durch eine Fachgesellschaft.14 Eine Zeitschrift profitiert von zeitlich befristeten Drittmitteln. Aber auch bei diesen Zeitschriften werden die vorhandenen Mittel mindestens teilweise als unzureichend bezeichnet. Des Weiteren konnten manche Zeitschriften von einer Anschubfinanzierung profitieren, die typischerweise für Zeitschriftendesign und Website-Entwicklung eingesetzt wurde.

Alle anderen Zeitschriften sind für den laufenden Betrieb vollständig abhängig von ehrenamtlicher Arbeit oder Unterstützung durch die Universität. Diese Unterstützung über universitäre Institute, Lehrstühle oder Doktorandenprogramme wird von den Herausgebern als unbefriedigend erachtet, da sie langfristig nicht gesichert ist. Diese Herausgeber sehen also einen dringenden Bedarf für eine nachhaltige finanzielle Absicherung. Dieser Bedarf wird zunehmend wichtiger, sobald die Zeitschrift erfolgreich ist, wächst und mehr Manuskripte erhält. Einige der Herausgeber erwähnen, dass sie mehr Beiträge veröffentlichen könnten, wenn mehr Ressourcen zur Verfügung stünden.

Haupt- und Mitherausgeber erledigen ihre Publikationstätigkeiten ehrenamtlich oder im Rahmen ihrer universitären Anstellung – ein junger wissenschaftlicher Mitarbeiter bezeichnete seine Arbeit als „Selbstausbeutung“. Für Redaktions- und technische Arbeiten werden die Herausgeber in der Regel durch Assistenten oder Doktoranden unterstützt, die für ihre Arbeit im Rahmen ihres Anstellungsverhältnisses an der Universität bezahlt werden. Die finanziellen Bedürfnisse der Herausgeber beziehen sich in fast allen Fällen auf die langfristige Bezahlung dieser redaktionellen oder technischen Hilfskräfte. Nur ein Herausgeber möchte auch selber an der Zeitschrift verdienen.

Die Gespräche mit den Herausgebern zeigten, dass kaum finanzielle Businesspläne vorlagen oder realistische Strategien existierten, wie Gelder verdient oder beantragt werden könnten. Der Begriff Businessplan war den meisten Herausgeber absolut fremd, und es herrschte eine allgemeine Ratlosigkeit hinsichtlich Finanzierungsmöglichkeiten. Man wäre ganz offensichtlich sehr froh um Unterstützung oder Beratung beispielsweise durch die Bibliothek.

Neben den finanziellen Problemen meldeten vereinzelte Herausgeber auch Bedarf im technischen Bereich. Hier steht der Wunsch nach einem Manuskriptverwaltungssystem im Vordergrund, wobei sofort auch Bedenken geäußert wurden, dass ein solches System einen unnötigen und vielleicht übermäßigen administrativen Zusatzaufwand nach sich ziehen würde. Dies könnte aus Sicht der Herausgeber dazu führen, dass der personelle Engpass noch akuter zu spüren wäre.

Vorschläge zur Rolle der Bibliothek im Zeitschriftenpublikationsprozess

Zum Abschluss der Interviews wurden die Herausgeber gefragt, wo sie die Rolle der Bibliotheken sehen würden. Außer bei den drei Zeitschriften, die bereits mit der Bibliothek zusammenarbeiten, hatte keiner der Herausgeber je über eine mögliche Rolle für Bibliotheken nachgedacht. Gleichzeitig erwähnten viele der Gesprächspartner, wie aufschlußreich und nützlich das Interview und die nachfolgenden Gespräche gewesen seien. Die Herausgeber waren sehr interessiert an den Kriterien und Ergebnissen der Zeitschriftenevaluation; einige Anregungen wollten sie sofort umsetzen. Der Wunsch nach einer annotierten Checkliste zu den einzelnen Funktionalitäten wurde von vielen Herausgebern geäußert.15 Der zweite Vorschlag bezog sich auf das gegenseitige Kennenlernen unter den Herausgebern. Auch in diesem Bereich hatte die Studie die Neugierde und das Interesse der Herausgeber geweckt. Viele von ihnen fühlten sich einsam in ihrer Publikationstätigkeit und waren sehr daran interessiert, andere Herausgeber von Open-Access-Zeitschriften an der Universität Zürich kennenzulernen und zu treffen.

4. Erstes Ergebnis der Studie: Organisation eines Herausgebertreffens

Aus den Interviews war hervorgegangen, dass sich die Herausgeber einen Austausch mit Herausgebern von anderen Open-Access-Zeitschriften wünschten. Die Gründung oder Onlinemigration einer Zeitschrift war für die meisten eine völlig neue Aufgabe, bei der sie auf keine vergleichbaren Erfahrungen zurückgreifen konnten. Immer wieder stellen sich neue Herausforderungen, die gemeistert werden müssen. Auch bei Zeitschriften, die über einen Verlag oder die Bibliothek laufen, werden die Herausgeber regelmäßig mit Fragen konfrontiert, die sie gerne mit Kollegen besprechen würden (z.B. Einsatz von CC-Lizenzen, Finanzierungsmodelle). Immer wieder betonten die Herausgeber, dass sie sich in erster Linie als Wissenschaftler und nicht als Zeitschriftenverleger fühlten.

Ablauf des ersten Herausgebertreffens

Der Vorschlag eines Treffens für Herausgeber von Open-Access-Zeitschriften kam also aus den Reihen der Teilnehmer. Die Zentralbibliothek Zürich sah die Organisation und Durchführung eines solchen Treffens als geeignete Aufgabe für eine Universitätsbibliothek. Im Mittelpunkt dieses Treffens sollten die Bedürfnisse und Wünsche der Herausgeber stehen, also das gegenseitige Kennenlernen, die Präsentation der teilnehmenden Zeitschriften und gezielte Informationen zu einzelnen für sie relevanten Funktionalitäten. Das Treffen fand im Juni 2015 statt. Neben den Herausgebern waren auch mehrere technische oder administrative Redaktionskräfte anwesend.

Seitens der Zentralbibliothek wurden für jede Zeitschrift ein Mini-Poster und ein Ausdruck eines Artikels erstellt, so dass alle Zeitschriften nach einheitlichen Kriterien präsentiert waren. Außerdem hatte jeder Herausgeber die Gelegenheit, seine Zeitschrift in einem 3-minütigen Journal-Slam vorzustellen. Von Seiten der Bibliothek wurden die Themen OJS und DOI vorgestellt; hierzu wurden Referenten aus der Hauptbibliothek der Universität Zürich und der ETH-Bibliothek eingeladen. Vor und nach den Präsentationen hatten die Herausgeber Zeit, sich gegenseitig kennenzulernen und ihre Publikationen anhand der Mini-Poster zu vergleichen und zu diskutieren.

Das Interesse am Treffen war groß, insbesondere bei den nicht-affiliierten Zeitschriften. Es wurde auch der Vorschlag geäußert, dass ein solches Treffen im nächsten Jahr wiederholt werden sollte. Inwiefern die Veranstaltung erweitert werden könnte auf Personen, die an der Gründung einer neuen Open-Access-Zeitschrift interessiert sind, wird gegenwärtig diskutiert.

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5. Schlussfolgerung

Die Evaluation der Zeitschriften führte zu einigen wichtigen Erkenntnissen für die Bibliotheksarbeit. Einerseits konnte ein Set an Kriterien erarbeitet werden, die als essenzielle Funktionalitäten einer Onlinezeitschrift bezeichnet werden können (Tabelle 2, Zeilen 1-14). Sie dienen dem einfachen Zugang, der sicheren Benutzerführung und Navigation, sowie der guten Information sowohl auf Zeitschriften- als auch auf Artikelebene. Fast alle Zeitschriften, die einer Bibliothek oder einem Verlag angegliedert sind, verfügen über diese Funktionalitäten. Hingegen lassen sich zum Teil ernsthafte Lücken bei den Funktionalitäten von nicht-affiliierten Zeitschriften erkennen. Diese Lücken werden allerdings von den Herausgebern nicht unbedingt als solche empfunden, sondern es sind zum Teil absichtliche Abweichungen vom Standard, die gelegentlich auch als Innovationen deklariert werden.

Aus den Interviews ging hervor, dass die Zeitschriften, die einem Verlag angegliedert sind, kaum aktive Hilfestellung durch die Bibliothek benötigen. Allerdings schätzen diese Herausgeber den Austausch und nutzen zum Teil das institutionelle Repositorium für die Zweitveröffentlichung. Darüber hinaus waren sie interessiert an der Teilnahme am Herausgebertreffen und stehen für Anfragen anderer Herausgeber zur Verfügung.

Einige Zeitschriften profitieren bereits von den Services der Bibliothek (Hauptbibliothek der Universität Zürich). Hier ist die Rolle der Bibliothek weitgehend geklärt und bezieht sich vor allem auf die technische Plattform (institutionelles Repositorium oder neu Open Journal Systems). Allerdings zeigte die Umfrage, dass mindestens eine dieser Zeitschriften auch dringenden finanziellen Ressourcenbedarf aufweist.

Bei nicht-affiliierten Zeitschriften ist der Handlungsbedarf aus Sicht der Autorin am größten und am dringendsten. Diese Zeitschriften sind in der Regel schlecht erschlossen, es fehlen zum Teil wichtige Funktionalitäten, sie sind größtenteils nicht nachhaltig aufgestellt und verfügen über sehr knappe oder unzureichende Ressourcen. Ausserdem fehlen den Herausgebern Ansprechpersonen und sie fühlen sich in ihrer Publikationstätigkeit zum Teil sehr allein gelassen. Gleichzeitig waren sie nicht auf die Idee gekommen, die Bibliothek als Gesprächspartnerin aufzusuchen. Die Bibliothek kann hier zwei verschiedene Rollen einnehmen: einerseits kann sie ihre Unterstützung auf Beratung und Förderung des Erfahrungs- und Wissensaustausches fokussieren; andererseits kann sie auch gezielt über das Angebot einer Journal Management Software versuchen, diese Zeitschriften auf eine leistungsfähigere Plattform zu migrieren. Die erste Option ist niederschwellig und tangiert nicht die Unabhängigkeit der Herausgeber (Beispiel Herausgebertreffen). Die Migration einer Open-Access-Zeitschrift auf ein professionelles Journal Management System stellt einen größeren Eingriff dar, birgt aus Sicht des Herausgebers die Gefahr des Verlusts seiner Unabhängigkeit und bedeutet sowohl für den Herausgeber als auch für die Bibliothek einen zusätzlichen Arbeitsaufwand und/oder Kosten. Geht man davon aus, dass bei den nicht-affiliierten Zeitschriften bereits jetzt ein personeller und finanzieller Ressourcenmangel herrscht und in der Regel keine Drittmittel zur Verfügung stehen, so stellt diese zweite Option aus Sicht der Bibliothek ein nicht zu unterschätzendes Commitment dar.

Den größten Unterstützungsbedarf sehen fast alle Herausgeber im finanziellen Bereich. Bei den meisten Open-Access-Förderprogrammen von Forschungsförderorganisationen handelt es sich um befristete Anschubfinanzierungen (z.B. für drei Jahre).16 Außerdem muss es sich um eine Zeitschriftenneugründung oder um eine Umwandlung zu Open Access handeln. Herausgeber können also nicht nachträglich ein Projekt einreichen, wenn die Open-Access-Zeitschrift schon einige Jahre läuft – so die schmerzhafte Erfahrung einiger Gesprächspartner.

Als alternative Quelle kämen gegebenenfalls Publikationsfonds von Universitäten in Frage, die häufig über die Bibliotheken verwaltet werden. Allerdings sind diese Mittel in der Regel zur Bezahlung von Artikelgebühren reserviert, die bei der Publikation von Aufsätzen in (fremden) Open-Access-Journals anfallen. Sofern, wie in dieser Studie dargestellt, die Zeitschriften keine Article Processing Charges (APC) verlangen, profitieren sie auch nicht von Publikationsfonds anderer Universitäten. Auch Schimmer, Geschuhn und Vogler sehen in ihrem finanziellen Transformationsmodell zu Open Access eigentlich keinen Platz für Open-Access-Zeitschriften, die keine APC verlangen oder verlangen möchten.17 Das Positionspapier der Ad-hoc-AG Open-Access-Gold im Rahmen der Schwerpunktinitiative „Digitale Information“ der Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen hingegen sieht durchaus die Möglichkeit, dass Publikationsfonds auch zur Unterstützung von Publizierenden (also nicht nur Autorinnen und Autoren) eingesetzt werden.18

Der hohe finanzielle Ressourcenbedarf bleibt somit die größte Sorge für viele Herausgeber. Hier kann die Zentralbibliothek Zürich auch keine direkte Abhilfe schaffen, es sei denn, sie schafft einen Fonds zur dauerhaften Unterstützung von Open-Access-Zeitschriften – so wie beispielsweise von der obengenannten Ad-hoc-AG Open-Access-Gold vorgeschlagen. Ein alternative Möglichkeit wäre, dass die Bibliothek zumindest Beratung anbietet zur Erarbeitung eines (realistischen) Businessplans und zur Beantragung von Fördermitteln.

Zentral für Bibliotheken ist es, dass sie sich für Herausgeber bestehender und geplanter Open-Access-Zeitschriften als Ansprechperson und Partner in Publikationsfragen positionieren, um Zeitschriftenprojekte möglichst von Beginn an mit ihren Services und ihrem Wissen unterstützen zu können. Die Resultate der Studie und die Erfahrungen des ersten Zürcher Herausgebertreffens haben gezeigt, dass Herausgeber von Open-Access-Zeitschriften sehr interessiert sind am Austausch mit Bibliothekarinnen und Bibliothekaren. Insbesondere das Angebot einer Zeitschriftenpublikationsplattform durch die Bibliothek kann für Herausgeber einen signifikanten Mehrwert darstellen.

Literaturverzeichnis

Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen: Positionen zur Schaffung eines wissenschaftsadäquaten Open-Access-Publikationsmarktes. Positionspapier der Ad-hoc-AG Open-Access-Gold im Rahmen der Schwerpunktinitiative „Digitale Information“ der Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen, 2015. http://doi.org/10.2312/allianzoa.008.

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1 Tobias, Regine: Elektronisches Publizieren II: Universitätsverlage. In: Rolf Griebel et al. (Hg.): Praxishandbuch Bibliotheksmanagement, Bd. 2, Berlin: De Gruyter, 2015, S. 630–638, bes. 631; Ball, Rafael: Die Position der Bibliothek in der Wertschöpfungskette der Wissenschaft. In: Die Zukunft des wissenschaftlichen Publizierens: der Wissenschaftler im Dialog mit Verlag und Bibliothek, Jülich: Forschungszentrum Jülich, 2002 (Schriften des Forschungszentrums Jülich, Reihe Bibliothek=Library 10), S. 117–130, bes. 129. http://epub.uni-regensburg.de/5187/1/ubr11153_ocr.pdf (31.10.2015).

2 Depping, Ralf: Publikationsservices im Dienstleistungsportfolio von Hochschulbibliotheken. Eine (Neu-)Verortung in der wissenschaftlichen Publikationskette. In: o-bib 1 (2014), H. 1, S. 71–91, bes. 88. http://dx.doi.org/10.5282/o-bib/2014H1S71-91.

3 Xia, Jingfeng: Library Publishing as a New Model of Scholarly Communication. In: Journal of Scholarly Publishing 40 (2009), H. 4, S. 370–383. http://dx.doi.org/10.3138/jsp.40.4.370; McIntyre, Gordon; Chan, Janice; Gross, Julia: Library as Scholarly Publishing Partner: Keys to Success. In: Journal of Librarianship and Scholarly Communication 2 (2013), H. 1, eP1091. http://dx.doi.org/10.7710/2162-3309.1091; Busher, Casey; Kamotsky, Irene: Stories and statistics from library-led publishing. In: Learned Publishing 28 (2015), H. 1, S. 64–68. http://dx.doi.org/10.1087/20150110; Mattson, Mark; Friend, Linda: A planning perspective for library journal publishing services. In: OCLC Systems & Services: International digital library perspectives 30 (2014), H. 3, S. 178–191. http://dx.doi.org/10.1108/OCLC-01-2014-0005. Vergleiche hierzu OJS-de.net (http://www.ojs-de.net/index.html) oder Public Knowledge Project: Open Journal Systems (https://pkp.sfu.ca/ojs/) (jeweils 31.10.2015).

4 Vgl. Wittenberg, Kate: The Role of the Library in 21st-Century Scholarly Publishing. In: No Brief Candle: Reconceiving Research Libraries for the 21st Century, Washington DC: CLIR, 2008 (CLIR Publication 142), S. 35–41. http://www.clir.org/pubs/reports/pub142/reports/pub142/pub142.pdf (31.10.2015); Skinner, Katherine, u.a.: Library-as-Publisher: Capacity Building for the Library Publishing Subfield. In: Journal of Electronic Publishing 17 (2014), H. 2. http://dx.doi.org/10.3998/3336451.0017.207; Keller, Alice: Publikationskompetenz. In: Wilfried Sühl-Strohmenger (Hg): Handbuch Informationskompetenz, 2. Aufl., Berlin: de Gruyter Saur, 2016 (noch nicht erschienen).

5 Die Studie wurde erstmals auf dem Deutschen Bibliothekartag 2015, Nürnberg, präsentiert. Für die vorliegende Publikation wurden die Resultate weiter analysiert und um neue Erkenntnisse ergänzt.

6 Auf die Frage, wieso sie keine APC verlangen, antworten die meisten Herausgeber, dass diese Praxis in ihrem Fachgebiet unüblich sei und dass viele Autoren nicht in der Lage seien, solche Gebühren zur entrichten.

7 DOAJ: Information for Publishers: https://doaj.org/publishers. The Thomson Reuters Journal Selection Process: http://wokinfo.com/essays/journal-selection-process/. (jeweils 31.10.2015)

8 Morris, Sally, u.a.: The Handbook of Journal Publishing, Cambridge: Cambridge University Press, 2013, S. 59, 121.

9 Als „nicht-affiliierte“ Zeitschriften werden hier Zeitschriften bezeichnet, die weder durch einen Verlag oder eine Bibliothek unterstützt werden.

10 Die hier beobachtete Unterstützung bezieht sich hauptsächlich auf die Onlineplattform oder auf ein professionelles Redaktionsbüro. Der Wert 0.5 bedeutet, dass die Zeitschrift nur teilweise von solchen Leistungen profitiert; in den zwei vorliegenden Fällen handelt es sich um redaktionelle Unterstützung und Vertrieb der gedruckten Ausgaben – also nicht um die technische Plattform.

11 Maron, Nancy, u.a.: Publarians and Lubishers: Role bending in the new scholarly communications ecosystem. In: Proceedings of the Charleston Library Conference, 2013, S. 522. http://dx.doi.org/10.5703/1288284315317.

12 Vgl. Xia (wie Anm. 3); Hafner, Josef; Kucij, Maya; Severson, Sarah: Issuing Scholarship: Library Involvement and the Realities of Publishing Five Years Into the Game, 2015. http://library.ifla.org/1151/1/187-hafner-en.pdf (31.10.2015); MacIntyre; Chan; Gross (wie Anm. 3).

13 Putnings, Markus: Open Access-Zeitschriften ersetzen mittelfristig die traditionellen Verlagszeitschriften! Standpunkt: Pro. In: B.I.T.online 18 (2015), H. 2, S. 144–146, hier: 146. http://www.b-i-t-online.de/heft/2015-02-kontrovers.pdf (31.10.2015).

14 Bei den Zeitschriften mit dauerhaften Drittmitteln handelt es sich um Zeitschriften, die von den Schweizer Akademien gefördert werden. In der Schweiz können Mitgliederzeitschriften der Akademien von Beiträgen zur Unterstützung von Open Access profitieren. Diese Zeitschriften werden auch langfristig finanziell durch die Akademien unterstützt; es waren drei Mitgliederzeitschriften in dieser Studie vertreten.

15 Inzwischen ist vom Open Access Netzwerk Austria eine umfangreiche und nützliche Checkliste veröffentlicht worden: http://www.oana.at/checklist-oa-journals/ (31.10.2015).

16 Zum Fördermodell der Schweizer Akademien siehe Anm. 14.

17 Vgl. Schimmer, Ralf; Geschuhn, Kai Karin; Vogler, Andreas: Disrupting the subscription journals’ business model for the necessary large-scale transformation to open access, 2015. http://hdl.handle.net/11858/00-001M-0000-0026-C274-7 (31.10.2015).

18 Vgl. Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen: Positionen zur Schaffung eines wissenschaftsadäquaten Open-Access-Publikationsmarktes. Positionspapier der Ad-hoc-AG Open-Access-Gold im Rahmen der Schwerpunktinitiative „Digitale Information“ der Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen, 2015, S. 11. http://doi.org/10.2312/allianzoa.008.