Automatisierung im Zuge des digitalen Wandels von Benutzungsservices

Das neue Lern- und Studiengebäude (LSG) und die Verbesserungen der Studien- und Lernbedingungen am Campus-Nord der Universität Göttingen

Kerstin Helmkamp, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen

Zusammenfassung:

Im Zuge der Digitalisierung aller Lebensbereiche im 21. Jahrhundert, die sich auch im Bibliotheksbereich niederschlägt, gewinnt die Automatisierung von Arbeitsabläufen durch Softwareeinsatz eine ganze neue Bedeutung. Die zunehmende Vernetzung sowie webbasierte und für mobile Endgeräte optimierte Services eröffnen neue Nutzungsszenarien, die über das Vorhandene weit hinausgehen und von Politik und Wirtschaft unter der Überschrift „Wirtschaft 4.0“ längst intensiv rezipiert werden.
Am Beispiel des neuen Lern- und Studiengebäudes (LSG) und der Verbesserungen der Studien- und Lernbedingungen am Campus-Nord der Universität Göttingen wird gezeigt, wie sich die Benutzungsservices für Studierende in den letzten Jahren einschneidend verändert haben und zu einer deutlichen Verbesserung der Lern- und Studienbedingungen auf dem Göttinger Campus geführt haben. Eine zentrale Voraussetzung dabei war die frühzeitige Partizipation der zukünftigen Nutzer/-innen sowie eine konsequent bedarfsorientierte Planung.

Summary:

As all areas of life become more and more digitized in the 21st century, which can also be seen in the library landscape, the automation of workflows by means of software gains a whole new meaning. Increased networking as well as services which are web-based and optimized for mobile devices open up new usage scenarios which go far beyond what is presently common. In the context of “Economy 4.0”, these developments have long received the close attention of both the political and the economic sector.
Using the example of the new Learning and Study Building (LSG) and the redevelopment of the North Campus of the University of Göttingen, the article shows how this general trend has been translated into specific user services for students, substantially changing these services and leading to a significant improvement in the learning and study conditions on the Göttingen campus. A key prerequisite in this process were the early participation of future users and consistently demand-oriented planning.

Zitierfähiger Link (DOI): http://dx.doi.org/10.5282/o-bib/2015H4S192-210
Autorenidentifikation:
Helmkamp, Kerstin: GND 12984022X;
ORCID: http://orcid.org/0000-0003-4206-6844
Schlagwörter:
Automatisierung; Lernort; Wirtschaft 4.0

„Eine Veränderung bewirkt stets eine weitere Veränderung“
Niccoló Machiavelli (Der Fürst II)

1. Automatisierung im Zuge des digitalen Wandels in der Wirtschaft

Die Automatisierung von Arbeitsabläufen durch den Einsatz von Maschinen gilt als wesentliche Voraussetzung für die Entstehung von Industriegesellschaften im 18. Jahrhundert, die mit ganz unterschiedlichen Zielen verbunden war. Mithilfe der massenhaften Produktion von Gütern und Waren sollten zum einen größere Gewinne erzielt werden, zugleich aber auch die Menschen von bisher schweren körperlichen Tätigkeiten entlastet und auf diese Weise zeitliche Freiräume (= Freizeit) getrennt von der Arbeit geschaffen werden. Gleichzeitig hat die Automatisierung von Anbeginn an auch die Angst geschürt, die Bedienung der Maschinen könnte neue Qualifikationen und neues Wissen erforderlich machen und in Konsequenz die Menschen als Arbeitskräfte überflüssig machen. Aus heutiger Perspektive haben im Personalbereich tatsächlich signifikante Umbrüche hinsichtlich der Anforderungen an den Einsatz von Personal stattgefunden, die bisher allerdings durch Gewinne für alle Beteiligten in Bezug auf das Einkommen, die Lebenserwartung und die für die Lohnarbeit aufgewendeten Tage weit übertroffen wurden: „Der Maschinenkapitalismus hat einen schlechten Ruf, aber eine untadelige Bilanz.“1

Im Zuge der zunehmenden Digitalisierung aller Lebensbereiche im 21. Jahrhundert gewinnt die Automatisierung von Arbeitsabläufen durch Softwareeinsatz eine ganz neue Bedeutung. Die zunehmende Vernetzung sowie webbasierte und für mobile Endgeräte optimierte Services eröffnen neue Nutzungsszenarien, die über das Vorhandene weit hinausgehen. Diese Entwicklung, in Wirtschaft und Politik als „Wirtschaft 4.0“ bezeichnet, hat nicht nur weitreichende Folgen für die Produktion von Gütern, Waren oder Dienstleistungen insgesamt, sondern führt nach Ansicht vieler Expert/-
innen zu einem ganz grundlegenden Wandel in der Arbeitswelt.

Entsprechend sind in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften mittlerweile zahlreiche Untersuchungen zum Thema „Wirtschaft 4.0“ unter sehr unterschiedlichen Gesichtspunkten erschienen. Der Journalist und Autor Wolf Lotter z. B. beschreibt die mit der Automatisierung (durch Digitalisierung) verbundenen Veränderungen insbesondere durch folgende vier Punkte:2

Abschied von der dominanten Massenproduktion zugunsten einer stärker bedarfsgerechten Herstellung: Erst Maschinen, die rund um die Uhr in Betrieb sind, hätten eine massenhafte Produktion ermöglicht. Im Zuge des Umstiegs auf eine softwaregestützte vernetzte Produktion gewinnt laut Lotter die bedarfsgerechte individuelle Herstellung immer stärker an Bedeutung. Heutzutage kann man online z.B. Kleidung oder Brillen individuell zusammenstellen und durch diese Bestellung die Herstellung und Lieferung der nötigen Teile anstoßen. Entsprechend werden Produkte nicht auf Vorrat produziert, sondern on demand hergestellt.3 Ein weiteres Beispiel sind Scanner mit automatischer Störungsmeldung, die entweder die Fernwartung oder aber die Lieferung von Ersatzteilen auslösen.

Wertschöpfung verstärkt durch Software statt durch Hardware: Seit Beginn der Industrialisierung gelte die Maschine (bzw. Hardware) als wesentlich für die Wertschöpfung. Bei genauerer Betrachtung setzen Maschinen, so Lotter, jedoch lediglich den menschlichen Geist um, wie die Erfindung des automatischen Webstuhls zeige: „Die eigentliche Schlüsselerfindung (…) war der frei programmierbare Automat, genauer der am Ende des 18. Jahrhunderts vom Franzosen Joseph-Marie Jacquard entwickelte Webstuhl, der seine Stoffe nach Programmen webte, die auf Lochkarten vorgegeben waren. Dies ist die Geburtsstunde der Automatisierung.“4 Heutzutage sei die Lochkarte längst durch Software ersetzt worden. Dies zeige sich besonders eindrücklich am Auto, dem Inbegriff deutscher Ingenieurskunst. Hier gelte auch heute noch der Motor als Kernstück, obwohl genau genommen die eingesetzte Software den wesentlichen Wert ausmache bzw. die „innewohnenden Funktionen, Fahr- und Assistenzsysteme, der Komfort und die Sicherheit, die nicht von Materialien abhängen, sondern von Programmen.“5 Konsequenz und Sinnbild dieser Entwicklung ist das mit Autopiloten ausgestattete Auto: Der Mensch als Bediener der Maschine „Auto“ tritt zurück, die stattdessen von einer (von einem Menschen entwickelten) Software gesteuert wird.

Bedeutungsverlust der durch Routine geprägten Schichtarbeit zugunsten einer flexiblen kreativen Tätigkeit: Die Einführung von Maschinen ging nach Lotter mit einer stärkeren Standardisierung von Arbeitsabläufen einher und führte zu einer gleichförmigen Routine. Eng damit verbunden sei die Notwendigkeit der Einführung von Schichtarbeit gewesen, die eine klare Grenze zwischen Arbeit und Freizeit setzte. Entsprechend avancierten zunehmend „preußische Werte“ wie Drill, Disziplin und Gleichschritt zu gesellschaftlichen Normen. In der Wirtschaft 4.0 orientiert sich die Produktion nach Meinung von Lotter dagegen sehr viel stärker am Bedarf und den Wünschen der Kundschaft, was ständige Anpassungen und Innovationen erfordert. Arbeit wird daher immer kreativer und in Bezug auf die Zeit und den Ort immer flexibler, so dass die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit zunehmend verschwimmen.

Aufkommen neuer Tätigkeitsfelder bei gleichzeitigem Verschwinden vieler Berufe: Es besteht weitgehend Konsens, dass mit der zunehmenden Digitalisierung neue Anforderungen an die Menschen im Bereich der „digitalen Kompetenz“ entstehen. Das dafür nötige Wissen kann, so Lotter, durch Ausbildung vermittelt werden, es müsse aber stets aktuell gehalten werden, da die digitale Entwicklung permanent zu Veränderungen führe. Damit gleichwertig sei die bei der Bedienung und Entwicklung von Software gewonnene eigene Erfahrung. Einigkeit besteht auch darüber, dass viele Berufsfelder durch die Automatisierung mittels Software entbehrlich werden. Die amerikanischen Forscher Carl Benedikt Frey und Michale A. Soborne schätzen in einer Untersuchung aus dem Jahr 2013 das Automatisierungspotenzial in den USA in den nächsten ein bis zwei Jahrzehnten auf ca. 47 %.6 Wilhelm Bauer vom Fraunhofer Institut ist überzeugt, dass „uns die Arbeit nicht ausgeht.“7 Software wird, so Bauer, den Menschen in vielen, aber eben nicht in allen Bereichen der Arbeitswelt ersetzen. Zudem würden neue Tätigkeitsfelder entstehen. Den daraus resultierenden gesellschaftlichen und sozialen Herausforderungen müssten sich Politik, Wirtschaft und Gesellschaft stellen und gemeinsame Bewältigungsstrategien – insbesondere unter Berücksichtigung der Flexibilisierung von Arbeit in Bezug auf die Zeit und den Ort sowie des demographischen Wandels – entwickeln.

2. Automatisierung im Zuge des digitalen Wandels in Bibliotheken

Die Automatisierung von Arbeitsabläufen durch den Einsatz von Maschinen bzw. Software hat in Bibliotheken längst Einzug gehalten. Das zentrale Beispiel dafür ist die bundesweite Einführung von Bibliothekssystemen in den 1980er Jahren, die in enger Verbindung mit dem Entstehen der Verbundsysteme in Deutschland zu sehen ist, mit der kooperativen Verbundkatalogisierung und -erschließung in Verbunddatenbanken und der weitgehenden Automatisierung der Ausleihe- und Rückgabe von Informationsmedien mittels RFID-Technologie. Die Auswirkungen auf den Personalbereich (Wegfall von Aufgaben und Entstehen neuer Tätigkeiten, veränderter Personaleinsatz, aktualisierte Ausbildung) sind in der Fachliteratur bereits ausführlich diskutiert worden, wie etwa in Bezug auf die Geschäftsfelder des Fachreferats. Während Helmut Oehling hier zu dem Schluss kam, dass die Zukunft des Fachreferats insbesondere im Bereich der Informationsvermittlung liegt,8 verband Sabine Wefers den Aufgabenwandel (infolge der Entlastung des Fachreferats durch die Automatisierung von Arbeitsprozessen und Inanspruchnahme von Fremdleistungen) mit der Forderung der verstärkten Übernahme von Verwaltungs- bzw. Managementaufgaben durch die Fachreferentinnen und Fachreferenten.9

Doch der digitale Wandel, der im 21. Jahrhundert alle Lebensbereiche zunehmend beeinflusst, bringt auch im Bibliotheksbereich eine beachtliche Evolution mit sich, die weit über das Bisherige hinausgeht. Die zunehmende Vernetzung und die rasant anwachsenden Informationsmengen („Big Data“) sowie der tiefgreifende Wandel hin zu einer stärker digital und kollaborativ ausgerichteten Wissenschaft erfordern auch in wissenschaftlichen Bibliotheken neue Serviceszenarien, welche die differenzierten Bedürfnisse von Stakeholdern (Universitäten, Wissenschaft und Forschung, Drittmittelgeber u.a.) und Nutzer/inne/n abbilden und sich diesen immer wieder neu anpassen. Elektronisches Publizieren, Open Access, Forschungsdatenmanagement, IT-gestützte Forschungsmethoden und -felder (wie z.B. in den Digital Humanities) usw. lassen sich aus dem modernen Forschungsalltag nicht mehr wegdenken. Entsprechend richten wissenschaftliche Bibliotheken ihre strategischen Überlegungen darauf aus.10 Zugleich zeigt sich, dass die Veränderungen dieses digitalen Wandels nicht nur eine grundlegende Neuausrichtung bestehender Aufgabenprofile erforderlich machen,11 sondern auch gänzlich neue Tätigkeitsfelder hervorbringen und aus diesem Grund eine strategisch-systematische Personalentwicklung unter besonderer Berücksichtigung der Rahmenbedingungen des öffentlichen Dienstes dringend erforderlich machen.12

Vor diesem Hintergrund hat auch in den Bibliotheken eine grundlegende Verschiebung von den Sammlungen zu Services eingesetzt. IT- und softwaregestützte Services, die webbasiert und damit orts- und zeitunabhängig (24/7) verfügbar sind und auch für mobile Endgeräte optimiert werden, gewinnen – in Verbindung mit der umfassenden Bereitstellung von E-Ressourcen – immer mehr an Bedeutung.

2.1. Automatisierung im Zuge des digitalen Wandels von Benutzungsservices: Arbeitsplätze und Lernorte

Die Automatisierung hat von Anfang an erheblichen Einfluss auf einen Kernservice der Benutzung gehabt: nämlich die Bereitstellung von Arbeitsplätzen und Lernorten. Lange Zeit definierten sich Bibliotheken traditionell über klassische Lesesäle, die zur Aufstellung umfangreicher gedruckter Bestände genutzt wurden und vielfach homogene Lese- und Schreibplätze mit rudimentärer Technikausstattung zur Verfügung stellten. An zahlreichen verteilten Theken wurden neben Auskünften auch manuelle Services angeboten, z.B. die Barzahlung von Mahn- und Fernleihgebühren, die Ausgabe von Kopierkarten sowie von Schlüsseln für Garderoben- und Schließfächer.

Im Zuge des Automatisierungsschubs und des beginnenden digitalen Wandels haben sich Arbeitsplätze und Lernorte durch die Umstellung auf elektronische Angebote deutlich gewandelt. So führte die zunehmende Produktion digitaler Informationsinhalte zum Umstieg auf E-Ressourcen, insbesondere auf E-Journals. Infolgedessen wurden gedruckte Zeitschriftenbestände vor allem in den Naturwissenschaften vielfach reduziert oder sogar vollständig ins Magazin umgesetzt, so dass die dadurch entstandenen Freiflächen in neue ausdifferenzierte und mit moderner Technik ausgestattete Arbeitsplätze umgewidmet werden konnten. Gleichzeitig wurden bisher manuelle Services weitgehend automatisiert, z. B. durch die Einführung elektronischer Kassen und von Druck- und Kopierkonten mit automatischer Abrechnung mittels Verwaltungs- und Kassensoftware sowie von elektronischen Schließsystemen bei Garderobenanlagen.

Damit ist das Potenzial von wissenschaftlichen Bibliotheken als „digitalisiertem Arbeitsplatz bzw. Lernort“ mitnichten voll ausgeschöpft. Im Gegenteil: Ihre Weiterentwicklung unter besonderer Berücksichtigung von konkreten Bedürfnissen der Nutzer/innen mittels Softwareeinsatz eröffnet neue Perspektiven, die anhand des neuen Lern- und Studiengebäudes und des Umbaus des Campus-Nord an der Universität Göttingen als Best-Practice-Beispiele veranschaulicht werden sollen. In diesem Zusammenhang soll auch geprüft werden, ob die von Lotter definierten vier charakteristischen Aspekte der Automatisierung (durch Digitalisierung) auch auf den Bibliotheksbereich angewandt werden können.

2.2. Das Lern- und Studiengebäude an der SUB Göttingen


Kerndaten des Lern- und Studiengebäudes:

Bauzeit: 2011–2013 (Einweihung am 28.10.2013)

Kosten: 11 Mio €

Fläche: 4.200 m2

Öffnungszeiten: 7.00 - 1.00 Uhr

Nutzer/innen: vorrangig Studierende, nachrangig Promovierende

Arbeitsplätze:
245 Arbeitsräume mit 650 Arbeitsplätzen

­ 90 1er Räume mit Rechnern (teilweise mit Software und Whiteboards)

­ 154 2er-, 4er-, 6er-, 8er- und 12er-Räume sowie ein Vortragsraum (teilweise mit Rechnern, Großmonitoren, White- und Smartboards sowie einem Beamer)

­ 1 Raum mit 24 Lernboxen

­ 3 Pausen- bzw. Ruheräume (inklusive Snack- und Getränkeautomaten für Warm- und Kaltgetränke sowie einem Lounge-Bereich mit Liegen)

­ 505 Schließfächer

Raumkontingente für mobilitätseingeschränkte Nutzer/innen und Studierende mit Kindern (mit Kinderbetreuungsangebot an „Lern-Samstagen“ durch die Tagespflegebörse)

Zugang zu allen E-Ressourcen der SUB Göttingen

Keine Aufstellung gedruckter Bestände der SUB Göttingen

Betrieb: SUB Göttingen (Direktion, Benutzungsabteilung), Kooperation mit der Abteilung IT und dem Gebäudemanagement der Universität Göttingen

Zuordnung: Präsidiumsmitglied mit Verantwortung für Infrastrukturen

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Abschied von der dominanten Massenproduktion zugunsten einer stärker bedarfsgerechten Herstellung


Originär wurde das Lern- und Studiengebäude von Studierenden vorrangig für Studierende konzipiert und aus Studienbeiträgen finanziert. Die maßgebliche Initiative ging von Mitgliedern der „Erweiterten zentralen Kommission für Lehre und Studium“ (zKLS+) aus,
13 die in ihrer personellen Zusammensetzung der bestehenden Senatskommission für Lehre und Studium entspricht, erweitert um fünf zusätzliche Mitglieder der Studierendengruppe, die von den Mitgliedern der Studierendengruppe im Senat aus dem Kreis der stellvertretenden zKLS-Mitglieder benannt werden. Die zKLS+ erarbeitet Vorschläge zur Durchführung von zentralen Maßnahmen gemäß der Richtlinie über die Verwendung der Studienbeiträge für das Präsidium der Universität Göttingen.

Zur konkreten Bedarfsermittlung führte das Methodenzentrum Sozialwissenschaften der Universität Göttingen Ende Mai 2010 eine Onlineumfrage durch, an der sich rund 2.000 Studierende aller Fakultäten beteiligten. Rund 70 Prozent der Teilnehmer/innen sprachen sich dabei für ein eigenes Lern- und Studiengebäude aus. Zur Ermittlung des Bedarfs der Nutzer/innen in Bezug auf die Ausstattung und Arbeitsplatztypen wurden die Arbeitsgewohnheiten der Studierenden abgefragt. Außerdem wurde eine Studie der Hochschul-Informations-System GmbH herangezogen,14 welche die Hochschulen und ihre Verwaltungen sowie die staatliche Hochschulpolitik als Dienstleister bei deren Aufgabenerfüllung unterstützen soll. Danach haben Studierende einen großen Bedarf an Arbeitsplätzen für das eigenständige Lernen, wobei insbesondere Gelegenheiten für die Gruppenarbeit als fehlend moniert werden.

Wertschöpfung verstärkt durch Software statt durch Hardware

Die Raumvergabe des Lern- und Studiengebäudes erfolgt vollautomatisch mittels eines elektronischen Raumreservierungssystems, das eigens dafür durch einen externen Dienstleister, die Firma Intrakey, programmiert wurde.15 Im Zentrum der Programmierungsvorgaben des Pflichtenheftes standen komplexe zum Ausgleich gebrachte Anforderungen der Studierenden als Hauptklientel: 24/7 Onlineverfügbarkeit im Self Service, hohe Flexibilität, Verteilungsgerechtigkeit, bestmögliche Auslastung, Optimierung für unterschiedliche Nutzungsbedürfnisse und Transparenz. Im Ergebnis hat dies zu einem differenzierten und stabilen Reservierungssystem für Kurzzeitbuchungen von Räumen des Lern- und Studiengebäudes – vorrangig durch Studierende – geführt. Promovierende können Räume tagesaktuell reservieren. Die dafür nötigen Nutzerdaten werden aus dem zentralen Identitätsmanagement der Universität Göttingen in das Raumreservierungssystem eingespielt. Der Zugang zum Raumreservierungssystem erfolgt nach Anmeldung über den Studierendenaccount über „eCampus“, dem Studierendenportal der Universität Göttingen mit Zugang zu allen relevanten Onlineservices.

Bei der Raumreservierung können Studierende zwischen den unterschiedlichen Raumkategorien wählen. Dafür werden Reservierungspunkte angerechnet, deren Anzahl sich an der Raumgröße und -ausstattung sowie der Reservierungsdauer ausrichtet. Reservierungen können jederzeit geändert und storniert werden. Je nach Zeitpunkt der Stornierung fallen Reservierungspunkte an:

bis 7 Tage vor Reservierungsbeginn: keine Anrechnung von Reservierungspunkten

bis 24 Stunden vor Reservierungsbeginn: Anrechnung von 25 % der Reservierungspunkte

weniger als 24 Stunden vor Reservierungsbeginn bzw. während der Belegung: Anrechnung von 50 % der Reservierungspunkte.

Bei Nichtantritt (bzw. Nichtbelegung) der Reservierung wird diese vom Raumreservierungssystem nach einem festgelegten Zeitraum automatisch gelöscht und der entsprechende Raum sofort wieder zur Verfügung gestellt. Eine Reservierung kann während der Belegung des Raums verlängert werden, sofern der Raum nicht anderweitig reserviert ist. Bei der Reservierung von Gruppenarbeitsräumen für eine Lerngruppe kann die Person, welche die Reservierung vornimmt, die anderen Teilnehmer/innen dazu einladen. Dafür werden die Mailadressen der Studierenden eingetragen und diese entsprechend informiert. Darüber hinaus besteht die Option der Punkteaufteilung.

Grundsätzlich sind Reservierungen bis zu vier Monate im Voraus möglich (ausgehend vom Reservierungsende der letzten in der Zukunft liegenden Reservierung). Bei hohem Punktestand, z.B. aufgrund häufiger Nutzung, können Räume allerdings nur kurzfristig oder sogar nur am aktuellen Tag reserviert werden. Der Punktestand ist jederzeit im Konto der Nutzer/innen einsehbar. 40 Tage nach der Nutzung (= Belegung) verfallen die Reservierungspunkte für einen genutzten Raum.

Der Zutritt zum reservierten Raum erfolgt mit einem elektronischen Schlüssel, den sich die Nutzer/innen im Lern- und Studiengebäude an einem der dort aufgestellten Terminals auf ihre Studierendenkarte schreiben lassen können. Bei Gruppenräumen erhalten auch alle Eingeladenen einen elektronischen Schlüssel.

Das Raumreservierungssystem bietet für Administration und Abteilungsleitung die Möglichkeit zur Erstellung differenzierter Statistiken, die Auskunft geben etwa über die Belegungsintensität, z.B. pro Raumkategorie und Zeitpunkt, und eine nutzerorientierte Steuerung ermöglichen. Gegebenenfalls muss das Raumreservierungssystem dafür weiterentwickelt werden.

Bedeutungsverlust der durch Routine geprägten Schichtarbeit zugunsten einer flexiblen kreativen Tätigkeit

Die „Information“ des Lern- und Studiengebäudes wird von einer Person mit der Vergütungsgruppe E3 bedient, die als First-Level-Support u.a. Fragen zur Raumreservierung beantwortet, bei der Bedienung der Terminals unterstützt, Störungen aufnimmt und an die Abteilung IT und das Gebäudemanagement der Universität Göttingen weiterleitet. Diese Arbeit ist in Schichten organisiert, um die langen Öffnungszeiten abdecken zu können.

Wesentliche Voraussetzung für die einfache Besetzung der „Information“ des Lern- und Studiengebäudes ist die stabile Besetzung des Backoffice (insgesamt 1 VZÄ), zu dessen Aufgaben neben der Teamleitung nicht nur die Bearbeitung schwierigerer Fragen und die Weiterleitung von Störungen als Second-Level-Support, sondern vor allem auch die Betreuung des Raumreservierungssystems gehört: Testen neuer Softwareversionen, nutzerorientierte Weiterentwicklung usw. Die dabei nötige Formulierung neuer Anforderungen an die Software und Überlegungen zur konkreten technischen Umsetzung – im Austausch mit der Abteilung IT der Universität Göttingen sowie der Firma Intrakey – erfordern dagegen durchaus in dem von Lotter gemeinten Sinn Kreativität.

Aufkommen neuer Tätigkeitsfelder bei gleichzeitigem Verschwinden vieler Berufe

Sowohl die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der „Information“ als auch des Backoffice haben sich intensiv in das Raumreservierungssystem eingearbeitet, um ein technisches Verständnis dafür sowie die nötige digitale Kompetenz zu erwerben. Die personelle Besetzung der „Information“ unter Berücksichtigung der Gebäudegröße und der Anzahl der Arbeitsräume ist im Vergleich zu den Informationstheken bzw. -schaltern in anderen Bibliotheken äußerst gering.

Im Ergebnis lassen sich die vier Aspekte, die nach Lotter für die Automatisierung im Zuge des digitalen Wandels in der Wirtschaft 4.0 charakteristisch sind, auch auf das Lern- und Studiengebäude der Universität Göttingen übertragen:

Die Planungen für das neue Lern- und Studiengebäude der Universität Göttingen waren von Anfang an auf Partizipation der zukünftigen Nutzer/innen ausgerichtet. Im Ergebnis ermöglichte erst die konsequente Beteiligung von Nutzerinnen und Nutzern die zielgruppen- und bedarfsgerechte Planung und Realisierung des Lern- und Studiengebäudes. Eine wesentliche Voraussetzung für die breite Beteiligung der Studierenden als Hauptklientel stellte die Online-Vollerhebung dar.

Die optimale Nutzung des Lern- und Studiengebäudes ist nur durch den Einsatz des vollautomatischen Raumreservierungssystems möglich. Ein entsprechendes Serviceangebot wäre bei manueller Betreuung nur mit extrem hohem Personalaufwand umsetzbar bzw. in vielen Punkten überhaupt nicht zu realisieren. Entsprechend trägt das Raumreservierungssystem wesentlich zur Wertschöpfung bei (und erst an zweiter Stelle das Gebäude!).

Aufgrund der Automatisierung der Raumvergabe sind in Schichtarbeit organisierte Tätigkeiten an der „Information“ nur noch in geringem Umfang erforderlich, während das kreative kooperative Arbeiten bei der Betreuung des Raumreservierungssystems an Bedeutung gewonnen hat.

Entsprechend ist der Personalaufwand an der „Information“ sehr reduziert. Der zusätzliche Aufwand, der durch die durchaus anspruchsvolle Betreuung des Raumreservierungssystems im Backoffice-Betrieb entsteht, ist im Vergleich zu sonst üblichen Aufwänden beim Betrieb von Gebäuden dieser Größe und den vielfältigen Services aufgrund der automatischen Raumverwaltung ebenfalls sehr gering. Insgesamt ist die Bewirtschaftung des Lern- und Studiengebäudes ausgesprochen ressourcenbewusst.

2.3. Die Verbesserungen der Studien- und Lernbedingungen am Campus-Nord

Kerndaten des umgebauten Campus-Nord:

Umgebaute Standorte der SUB Göttingen: Bereichsbibliothek Chemie, Forstwissenschaften und Physik (BBC, BBF, BBP)

Bauzeit: 2014–2015

Kosten: ca. 450 T€ (ohne Kosten für die Einrichtung / Möblierung der neuen Flächen und für die Schaffung neuer Büroflächen der Physik)

Nutzer/innen: Studierende, Promovierende

Flächen vor/nach Umbau – Standorte der SUB Göttingen:

Vor Umbau/m2

Reduzierung/m2

Nach Umbau/m2

BBC

840

400

440

BBF

959

189

770

BBP

1178

527

651

Neue Arbeitsräume und -plätze – Standorte der SUB Göttingen:

Neue
Arbeitsräume

Neue
Arbeitsplätze

Davon neue
Einzelarbeitsplätze

Davon neue
Gruppenarbeitsplätze

1

36

0

36 (teilweise mit Whiteboards)

3

59

18 (teilweise mit Rechnern)

41 (teilweise mit mobilen
Arbeitsstühlen, Monitoren, Whiteboards und einem Beamer)

3

73

41

32
(teilweise mit Whiteboards)

Öffnungszeiten/Standorte der SUB Göttingen:

Öffnungsstunden/-zeiten Bibliothek

(mit Personal)

Öffnungsstunden/-zeiten neue Arbeitsräume (ohne Personal)

BBC

50 (Mo-Fr 8–18, VLZ)

40 (Mo-Fr 8–16, vflZ)

50 (Mo-Fr 8–18, VLZ)

40 (Mo-Fr 8–16, vflZ)

BBF

46 (Mo-Mi, Fr 8–17; Do 8–18 VLZ+vflZ)

75 (Mo-Fr 8–23, VZ+vflZ)

BBP

67 (Mo-Fr 8–19; Sa-So 10–16, VLZ)

40 (Mo-Fr 8–16, vflZ)

105 (Mo-So 7–22, VZ+vflZ)

(VLZ: Vorlesungszeit, vlfZ: vorlesungsfreie Zeit)

Arbeitsplätze für mobilitätseingeschränkte Nutzer/innen

Zugang zu allen E-Ressourcen der SUB Göttingen

Keine Aufstellung gedruckter Bestände der SUB Göttingen

Betrieb der Bibliothek: SUB Göttingen (Direktion, Benutzungsabteilung)

Betrieb der umgebauten Arbeitsräume und -plätze:
BBC, BBF: SUB Göttingen (Direktion, Benutzungsabteilung)
BBP: Fakultät der Physik

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Abschied von der dominanten Massenproduktion zugunsten einer stärker bedarfsgerechten Herstellung

Bereits während des Baus des LSG auf dem geistes- und gesellschaftswissenschaftlich ausgerichteten Campus-Süd der Universität Göttingen begann eine Diskussion über die Verbesserung der Lern- und Studienbedingungen des Campus-Nord mit naturwissenschaftlichem Schwerpunkt, die sich auf zwei Optionen konzentrierte: den Bau eines eigenen LSG auf dem Campus-Nord oder die Weiterentwicklung der vorhandenen räumlichen Infrastruktur.

Alle Gespräche waren von Anfang an auf die Partizipation der Nutzer/innen hin ausgerichtet: Bei Sondierungsgesprächen des Präsidiums im Frühjahr bzw. Sommer 2013 mit den Dekaninnen und Dekanen der Fakultäten der Biologie, Chemie, Forst- und Geowissenschaften sowie Physik, Vertreter/innen der jeweiligen Fachschaften und der zKLS+ fiel die Entscheidung zur Einrichtung einer adhoc-Arbeitsgruppe unter Leitung des Präsidiums, an der neben Vertreter/inne/n der betroffenen Fakultäten und der Studierenden auch Vertreter/innen des Gebäudemanagements der Universität Göttingen und der Benutzungsabteilung der SUB Göttingen teilnahmen. Aufgabe dieser adhoc-AG war die Ermittlung konkreter Bedarfe und, davon ausgehend, die Erarbeitung nutzerorientierter Konzepte. Auf dieser Grundlage fiel Ende 2013 die Entscheidung zur Schaffung von insgesamt 258 modernen zielgruppengerechten Arbeitsplätzen (für Einzel-, Gruppen- und Seminararbeit) durch den Umbau vorhandener Räume (insbesondere auch der Bereichsbibliotheken Chemie, Forstwissenschaften und Physik der SUB Göttingen). Als eine zentrale Voraussetzung zur Schaffung von Freiflächen wurde die weitgehende Umsetzung gedruckter, digital vorhandener Zeitschriften in das zentrale Magazin der SUB Göttingen identifiziert sowie die Anschaffung einer neuen Regalkompaktanlage zur Unterbringung der verbrachten Bestände veranlasst.

Die Leitung der konkreten Umbauplanung und -durchführung lag beim Gebäudemanagement der Universität Göttingen. In Arbeitsgruppen für jeden Standort mit Vertreter/inne/n der jeweiligen Fakultäten und Fachschaften sowie der Benutzungsabteilung der SUB Göttingen wurden die konkreten Raumbedarfe gemeinsam erfasst und die zeitliche Umsetzung abgestimmt. Ein wichtiges Vorbild war dabei der Umbau der Bereichsbibliothek Medizin (BBM) der SUB Göttingen 2011 als Reaktion auf die Veränderungen infolge des digitalen Wandels, insbesondere des Umstiegs auf E-Journals, der gedruckte Zeitschriftenbestände vor Ort im Lesesaal entbehrlich machte. Diese Bestände wurden schon damals in großem Umfang von der BBM in das Magazin der Zentralbibliothek der SUB Göttingen umgesetzt und die dadurch entstandenen Freiflächen in moderne Einzel- und Gruppenarbeitsplätze, Lernboxen und einen Lounge-Bereich umgewidmet. Im Eingangsbereich der BBM entstand ein eigenes Learning Resources Center (LRC) mit PC-Arbeitsplätzen, ausgestattet mit Softwarepaketen und ergänzender Technik.16

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Im Ergebnis des Umbaus des Campus-Nord sind auch an den dort angesiedelten dezentralen SUB-Standorten zahlreiche neue Arbeitsräume und -plätze geschaffen worden.

Wertschöpfung verstärkt durch Software statt durch Hardware

Zu den zentralen Umbauzielen des Campus-Nord gehörte neben der Schaffung neuer Arbeitsräume und -plätze in der BBC, BBF und BBP der SUB Göttingen auch eine deutlich längere Zugänglichkeit, wodurch keine bzw. nur sehr geringe Mehraufwände entstehen sollten. Dementsprechend war für die Bewirtschaftung der neuen Räume kein zusätzliches Personal vorgesehen. Die baulichen Voraussetzungen dafür wurden beim Umbau geschaffen: In der Fakultät der Physik wurden die neuen Einzel- und Gruppenarbeitsräume von der Bibliothek abgetrennt, so dass diese bis zur Schließung des Fakultätsgebäudes jederzeit – ohne vorherige Reservierung – verfügbar sind. Die Betreuung der Räume liegt bei der Fakultät. In der BBC und BBF sind die neuen Arbeitsräume und -plätze während der regulären Öffnungszeiten hingegen über die Bibliothek erreichbar. Nach der Schließung der Bibliothek ist in der BBC der neue Gruppenarbeitsraum nicht mehr zugänglich, während in der BBF die neuen Einzel- und Gruppenarbeitsräume nach dem Umbau durch eigene Zugänge auch nach Schließung der Bibliothek betreten werden können. Dazu müssen die Studierendenkarten mithilfe der Software Siport gescannt werden,17 wozu die Anpassung und Aktualisierung der studentischen Zutrittsprofile nötig ist, die jedes Semester automatisch erfolgt, sowie schließlich die Freischaltung durch die Kartenstelle der Universität Göttingen. Damit erreichen die neuen Arbeitsräume und -plätze in der BBF eine sehr gute Verfügbarkeit in der Arbeitswoche (während sie am Wochenende – wie das Gebäude der Fakultät insgesamt – geschlossen sind).

Bedeutungsverlust der durch Routine geprägten Schichtarbeit zugunsten einer flexiblen und kreativen Tätigkeit

Bei der SUB Göttingen fallen im Bereich der Routinearbeit in der BBC und BBF nur geringfügige Mehraufwände an (Betreuung der Räume, Clearing gegenüber der Kartenstelle der Universität).

Aufkommen neuer Tätigkeitsfelder bei gleichzeitigem Verschwinden vieler Berufe

Auf die SUB Göttingen trifft dieser Tatbestand nicht zu. Es werden allerdings auch keine zusätzlichen Ressourcen benötigt.

Im Ergebnis lassen sich die vier laut Lotter für die Automatisierung im Zuge des digitalen Wandels in der Wirtschaft 4.0 charakteristischen Aspekte auch auf den Umbau des Campus-Nord weitgehend übertragen:

Sämtliche Gespräche zielten von Beginn an auf Partizipation der zukünftigen Nutzer/innen. Ihre konsequente Beteiligung war die Grundlage für die zielgruppen- und bedarfsgerechte Planung und Realisierung des Umbaus des Nord-Campus.

Neben dem Bau der neuen Arbeitsräume und -plätze trägt vor allem deren deutlich längere Verfügbarkeit weit über die Bibliotheksöffnungszeiten der BBF und BBP hinaus wesentlich zur Wertschöpfung bei. Dies wird in den Forstwissenschaften durch den regulierenden Einsatz der Zutrittssoftware Siport und in der Physik durch einen offenen weitgehend ungeregelten Zugang erreicht.

An allen Standorten fallen – mit Ausnahme der Raumbetreuung in der BBC und BBF sowie des Kartenclearings in der BBF – keine zusätzlichen Aufwände für die SUB Göttingen an (weder im Bereich der Routine- noch der Kreativarbeit).

Entsprechend ist der Personalaufwand auf ein Minimum reduziert.

3. Resümee

Die Best-Practice-Beispiele des neuen Lern- und Studiengebäudes und der Umbau von SUB-Standorten auf dem Campus-Nord der Universität Göttingen zeigen, dass infolge der zunehmend digitalen Informationsversorgung und weitgehenden Automatisierung von Dienstleistungen völlig neue Anforderungen durch Nutzer/innen entstehen, die erheblichen Einfluss auf die Konzeption und Bewirtschaftung von Arbeitsräumen und -plätzen ausüben, deren Bereitstellung bisher als Kernservice von Bibliotheken galt.

Parallel zum Bedeutungsverlust von Printbeständen aufgrund des Umstiegs auf E-Ressourcen (zuerst in den Naturwissenschaften) steigt der Bedarf an modernen zielgruppengerechten Arbeitsplätzen mit entsprechender technischer Ausstattung. Dagegen spielt die Beratung an der „Information“ bei Nutzer/innen, die bei den Planungen für das LSG und die SUB-Standorten auf dem Campus-Nord von Beginn an involviert waren, lediglich eine untergeordnete bzw. keine Rolle mehr. Stattdessen stand die Ausdifferenzierung und möglichst permanente komfortable Verfügbarkeit der Arbeitsräume und -plätze im Vordergrund, die im LSG und der BBF mittels Software bestmöglich und planungssicher garantiert werden kann. Der Softwareeinsatz ermöglicht durch den Wegfall von Tätigkeiten eine Bewirtschaftung der neuen Lernorte mit minimalem Aufwand. Lediglich im Bereich der Softwarebetreuung kommen neue anspruchsvolle Arbeiten hinzu, die in Kooperation mit anderen Playern des Campus (Uni IT) erledigt werden und in Bezug auf die Gebäudegröße und Servicevielfalt als vergleichsweise geringfügig anzusehen sind.

Literaturverzeichnis

Bauer, Wilhelm: „Ich bin überzeugt, dass uns die Arbeit nicht ausgeht“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19.09.2015, Nr. 218, S. C2.

Frey, Carl Benedikt; Osborne, Michael A.: The future of employment: how susceptible are jobs to computerisation? 17.09.2013. http://www.oxfordmartin.ox.ac.uk/downloads/academic/The_Future_of_Employment.pdf. (27.10.2015).

Lotter, Wolf: Schichtwechsel. In: brand eins. Wirtschaftsmagazin: *** ARBEITEN LASSEN *** READY. Schwerpunkt Maschinen. 17 (2015), H. 7, S. 30–40. http://www.brandeins.de/archiv/2015/maschinen/wolf-lotter-industrie-4-0-wissensgesellschaft-schichtwechsel/ (27.10.2015).

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1 Lotter, Wolf: Schichtwechsel. In: brand eins. Wirtschaftsmagazin: *** ARBEITEN LASSEN *** READY. Schwerpunkt Maschinen. 17 (2015), H. 7, S. 30–40, hier S. 36. http://www.brandeins.de/archiv/2015/maschinen/wolf-lotter-industrie-4-0-wissensgesellschaft-schichtwechsel/ (27.10.2015).

2 Ebd.

3 Auf diese Weise sparen Unternehmen teure Lagerungskosten ein. Bereits Rifkin, Jeremy: Access. Das Verschwinden des Eigentums: Warum wir weniger besitzen und mehr ausgeben werden. Frankfurt a.M.: Campus, 2000, hat darauf hingewiesen, dass mit Ende des Industriezeitalters sich der Wert von Unternehmen nicht an Besitz, wie Grund und Boden, Maschinenparks oder Produktionsmengen ausrichtet, sondern der Fähigkeit zur Entledigung der aufwändigen Produktion durch Outsourcing (oft mit Ausnahme von Forschungs- und Entwicklungsabteilungen) bei schnellem Zugriff.

4 Lotter, Schichtwechsel (wie Anm. 1), S. 36.

5 Ebd. S. 32.

6 Frey, Carl Benedikt; Osborne, Michael A.: The future of employment: how susceptible are jobs to computerisation? 17. September 2013. http://www.oxfordmartin.ox.ac.uk/downloads/academic/The_Future_of_Employment.pdf (27.10.2015).

7 Bauer, Wilhelm: „Ich bin überzeugt, dass uns die Arbeit nicht ausgeht“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19.09.2015, Nr. 218, S. C2.

8 Oehling, Helmut: Wissenschaftlicher Bibliothekar 2000 - quo vadis? In: Bibliotheksdienst 32 (1998), H. 2, S. 247–254. http://files.dnb.de/EDBI/deposit.ddb.de/ep/netpub/89/96/96/967969689/_data_stat/www.dbi-berlin.de/dbi_pub/bd_art/98_02_06.html (27.10.2015).

9 Wefers, Sabine: Thesen zur Zukunft des Fachreferenten. In: Bibliotheksdienst 32 (1998), H. 5, S. 865–870. http://files.dnb.de/EDBI/deposit.ddb.de/ep/netpub/89/96/96/967969689/_data_stat/www.dbi-berlin.de/dbi_pub/bd_art/98_05_03.html (27.10.2015).

10 Die SUB Göttingen hat ihre Strategie vor dem Hintergrund aktueller Positionspapiere zentraler Stakeholder bereits 2012 neu gefasst: http://www.sub.uni-goettingen.de/wir-ueber-uns/portrait/strategie/. Neue Strategiekonzepte unter besonderer Berücksichtigung des digitalen Wandels haben z.B. auch die SUB Hamburg (http://blog.sub.uni-hamburg.de/wp-content/uploads/2014/02/Positionspapier-2013.pdf), die Universitätsbibliothek Marburg (https://www.uni-marburg.de/bis/ueber_uns/strategie) und jüngst die Staatsbibliothek zu Berlin-PK (http://staatsbibliothek-berlin.de/fileadmin/user_upload/zentrale_Seiten/ueber_uns/pdf/sbb_strategie_2020.pdf) erarbeitet und veröffentlicht (Abrufdatum jeweils 27.10.2015).

11 Tappenbeck, Inka: Fachreferat 2020: from collections to connections. In: Bibliotheksdienst 49 (2015), H. 1, S. 37–48 (http://dx.doi.org/10.1515/bd-2015-0006), führt die Diskussion um die Zukunft des Fachreferats mit dem Ergebnis fort, dass sich der Schwerpunkt „von den Beständen (Bestandsaufbau und Erschließung) und der Vermittlung ihrer Nutzung (Fachinformationsvermittlung, Vermittlung von Informationskompetenz) hin zum Forschungsprozess als Ganzem“ (S. 47 ) verlagert. Entsprechend müssten Kompetenzprofile des Fachreferats neu definiert werden, was vielfach noch nicht ausreichend geschehe.

12 Die Notwendigkeit der Akquise und Weiterentwicklung von Personal mit digitaler Kompetenz ist eine Kernthese von Neuroth, Heike: Brauchen wissenschaftliche Bibliotheken „Data Librarians“? In: Bit Online 16 (2013), H. 5, S. 392–393. http://www.b-i-t-online.de/heft/2013-05/kontrovers.pdf (27.10.2015), S. 392: „Wir brauchen Data Librarians! Und nicht nur einen pro Bibliothek, sondern einen ganzen Stab davon: Mit einem Mix an Kompetenzen wie fachwissenschaftliche Nähe und Verständnis, technologische Expertise, Metadaten-Erfahrung, Programmiergrundkenntnisse, internationale Erfahrung und (fachwissenschaftliche) Vernetzung etc.“

14 Vogel, Bernd; Woisch, Andreas: Orte des Selbststudiums. Eine empirische Studie zur zeitlichen und räumlichen Organisation des Lernens von Studierenden, 2013 (HIS Forum Hochschule 7/2013). http://www.his.de/pdf/pub_fh/fh-201307.pdf (27.10.2015).

17 Der Zutritt ist nach 23 Uhr nicht mehr gegeben. Personen, die sich zu diesem Zeitpunkt, in den Räumen befinden, können diese jederzeit, also auch zu einem späteren Zeitpunkt verlassen. Die Mitarbeiter/innen der Fakultät konnten bereits vor dem Umbau der BBF das Gebäude mittels Siport betreten.

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