Rezensionen

Wiesenmüller, Heidrun; Horny, Silke:
Basiswissen RDA. Eine Einführung für deutschsprachige Anwender. Berlin/Boston: de Gruyter Saur, 2015. XX, 300 Seiten.
ISBN: 978-3-11-031146-4. - € 39,95. Auch als E-Book (PDF, E-PUB) verfügbar.

Es ist eher selten, dass ein bibliothekarisches Lehrbuch sehnsüchtig erwartet wird. Beim RDA-Handbuch „Basiswissen RDA. Eine Einführung für deutschsprachige Anwender“ war genau dies der Fall. Schon vor zwei Jahren angekündigt, ist es Ende März 2015 endlich erschienen, als Printausgabe und als E-Book, wahlweise im PDF- (aufgeteilt auf 20 Dateien) bzw. im E-PUB-Format, mit einem verlinkenden Inhaltsverzeichnis.

Mehr als drei Jahrzehnte bot das Lehrbuch „Katalogisierung nach den RAK-WB“, der sogenannte Haller-Popst, zuletzt 2003 in der 6. Auflage im Saur-Verlag erschienen, Referendarinnen und Referendaren, Studierenden an Fachhochschulen, angehenden Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste, aber auch Katalogisierern einen guten, praxiserprobten Einstieg in die Regeln für die Formalerschließung. In manchen Bibliotheken ersetzte es sogar das Regelwerk selbst. Nun ist mit der ersten Auflage des RDA-Lehrbuchs ein neues, zeitgemäßes Handbuch für die Katalogisierung mit RDA erschienen.

Mit 300 Seiten im DIN-A4-Format, gegenüber 1110 Seiten der deutschen RDA-Übersetzung, liegt das Lehrbuch überraschend kompakt in der Hand. Das Umschlagbild, in der blauen Farbe des RDA-Toolkits gestaltet, zeigt anschaulich die Strahlkraft des neuen Regelwerks „Resource Description and Access“ in die internationale Katalogwelt. Schlägt man es auf, fällt einem zunächst ins Auge, dass der Text zweifarbig schwarz/blau gesetzt ist, und dass schon im Hauptteil sehr viele illustrierende Beispiele, als Marginalien gesetzt, die schwierige Materie leichter verständlich machen.

Aufbau des Lehrbuchs

Gegliedert ist das Lehrbuch in drei Teile. Im ersten Allgemeinen Teil (Kapitel 1 bis 3) werden Grundlagen der Formalerschließung dargestellt und internationale Standards und Konzepte vorgestellt, auf denen RDA basiert, z.B. etwas ausführlicher die „Functional Requirements for Bibliographic Records (FRBR)“. Der zweite Teil (Hauptteil, Kapitel 4 bis 12) ist den RDA-Regeln gewidmet. Er folgt dem Aufbau des Regelwerks. Der dritte Teil (Beispielteil, Kapitel 13 bis 16) enthält komplette Beispielsätze für die Katalogisierung ein- und mehrteiliger Monografien, von monografischen Reihen und integrierenden Ressourcen sowie für die Beschreibung von Personen, Familien, Körperschaften, Geografika und Werken. Ein umfangreiches Register erlaubt vielfältige Zugriffe und Suchen. Es enthält auch Begriffe aus den RAK-WB und erleichtert damit den RAK-Geschulten den Übergang zu RDA.

Hauptteil

Inhaltlich, so ist im Vorwort zu lesen, legt das Lehrbuch „die Grundlage für das Arbeiten mit RDA, kann aber nicht sämtliche Bereiche der Katalogisierung abdecken“ (S. V). Hauptteil und Beispielteil beschränken sich deshalb auf RDA-Regeln, die für die Katalogisierung moderner ein- und mehrteiliger Monografien inkl. E-Books, von monografischen Reihen und integrierenden Ressourcen heranzuziehen sind. Dabei werden die Regeln nicht einfach zitiert, sondern sie werden verständlich erklärt und es wird auf die entsprechenden RDA-Kapitel verwiesen. Idealerweise benutzt man deshalb das Lehrbuch zusammen mit dem Regelwerkstext im RDA-Toolkit und den Anwendungsrichtlinien für den deutschen Sprachraum, den sog. D-A-CH. In blauer Schrift gesetzt sind hilfreiche Erläuterungen für die praktische Arbeit wie der Hinweis auf Verlegerserien, für die häufig keine eigene Beschreibung für die Reihe angelegt wird (S. 67). Nur an ganz wenigen Stellen enthält das Lehrbuch einen Hinweis auf das bisherige Regelwerk RAK-WB wie im Kapitel 6.2.5 (S. 91) auf die RAK-Paragraphen 318 und 318a mit den Regelungen zu zusammengesetzten Familiennamen. Bei den illustrierenden Beispielen, die formatneutral dargestellt werden, ist hilfreich, dass sich in manchen Beispielen auch eine ISBD-Darstellung findet (z.B. S. 42), die dem Katalogisierenden hilft, das richtige Deskriptionszeichen zu setzen, wenn es manuell erfasst werden muss.

Kapitel 4, „Manifestationen und Exemplare“, enthält Regelungen zum Erfassen von Merkmalen von Manifestationen. Ausführlich erklärt werden die Grundprinzipien beim Erfassen bzw. Übertragen von Elementen, der Erscheinungsvermerk, der Medien- und Datenträgertyp sowie der Umfang einer Ressource. Außerdem wird im Kapitel 4 die Beschreibung mehrteiliger Monografien mit Teilen mit abhängigen Titeln (TaT) und Teilen mit unabhängigen Titeln (TuT) behandelt. Hilfreich für die Praxis sind die beiden Tabellen, in denen die Elemente der übergeordneten bzw. untergeordneten Aufnahmen zu finden sind (S. 64 f.). In den Kapiteln 5 bis 7 werden Elemente vorgestellt, die in den deutsch-sprachigen Verbünden meist in Normdatensätzen, also in der Gemeinsamen Normdatei (GND), erfasst werden und von denen viele bereits bei den Schulungen im Rahmen der GND-Einführung vermittelt wurden.

Die Kapitel 8 bis 11 befassen sich mit Beziehungen, die in RDA selbst den zweiten Teil (Kapitel 17–37) ausmachen. Sie sind am Anfang sicher nicht ganz einfach zu vermitteln, da sie einem ganz anderen Ansatz folgen als die Haupt- und Nebeneintragungen der RAK-WB. Ausführlich dargestellt und mit Grafiken illustriert werden im Kapitel 8 die Primärbeziehungen, die zwischen einem Werk und seinen Expressionen, Manifestationen und Exemplaren, den sog. Gruppe-1-Entitäten der FRBR, bestehen. Im Kapitel 8.2.2 wird u.a. der Begriff zusammengesetzte Beschreibung erklärt, mit der die Entitäten Werk, Expression und Manifestation in einer einzigen Aufnahme abgebildet werden können. In anglo-amerikanischen Ländern stellt die zusammengesetzte Beschreibung den Standardfall einer Katalogaufnahme dar. Kapitel 9 behandelt Beziehungen zu Personen, Familien und Körperschaften. Hier wird u.a. der Begriff geistiger Schöpfer in einer Tabelle mit den wichtigsten Beziehungskennzeichnungen verständlich gemacht.

Kapitel 12, „Sacherschließung in RDA“, besteht naturgemäß aus nur etwas über einer Seite, weil die entsprechenden Kapitel in RDA noch fehlen.

Beispielteil

Ein wichtiges, weil sehr praxisbezogenes Element des Lehrbuchs bildet der umfangreiche, über 120 Seiten umfassende Beispielteil. Es fällt auf, dass die Verfasserinnen nach möglichst ansprechenden Beispieltiteln gesucht haben, die schon beim ersten Durchblättern dazu animieren, sich die Aufnahmen genauer anzuschauen.

Wie für ein Lehrbuch dieser Art angemessen, findet man nur ganz wenige Hinweise auf systemspezifische Erfassungsformate. Der Beispielteil enthält Aufnahmen in tabellarischer Form, die quasi als Feldbezeichnungen die Nummern der RDA-Kapitel tragen. Diese „formatfreie“ Darstellung ermöglicht Anwendern ganz unterschiedlicher Bibliothekssysteme, RDA-Aufnahmen zu lesen, zu interpretieren und zu verstehen. In Vorbereitung auf die im Herbst 2015 stattfindenden RDA-Schulungen können die Beispielsätze sehr gut als Grundlage für RDA-konforme Musteraufnahmen in (Verbund-) Katalogen verwendet werden. Sie sind dann eine hilfreiche Richtschnur, an der man sich als Katalogisierer orientieren und überprüfen kann, ob man alle, vor allem alle neuen Elemente erfasst hat.

In der tabellarischen Aufnahme sind die in RDA definierten Kernelemente mit einem Sternchen gekennzeichnet. Zusatzelemente, die im deutschen Sprachraum zusätzlich zu den RDA-Kernelementen festgelegt wurden und zusammen mit diesen die Standardelemente bilden, sind mit einem Pluszeichen dargestellt. Die letzte Spalte enthält die zu erfassenden Elemente der jeweiligen Vorlage. Nach jeder Aufnahme folgen z.T. sehr ausführliche Erläuterungen, die gerade am Anfang eine große Hilfe für das Verständnis von RDA bei der alltäglichen Katalogisierung sein werden.

Ergänzende Website

Mit der Einführung von RDA müssen Katalogisierende nach vielen Jahren, in denen die RAK-WB eingefroren waren, wieder lernen, dass ein Regelwerk nichts Statisches ist, sondern einer mehr oder weniger starken Dynamik unterliegt. Nicht nur das Regelwerk selbst wird laufend weiterentwickelt, was auch damit zusammenhängt, dass immer mehr Länder beginnen, mit RDA zu katalogisieren, auch die Anwendungsrichtlinien D-A-CH müssen kontinuierlich angepasst werden. Als das Lehrbuch im März 2015 erschien, waren zwar schon die meisten Anwendungsrichtlinien für den deutschen Sprachraum festgelegt, aber einige befanden sich noch in Abstimmung in der AG RDA. Auch die RDA-Implementierung in die Bibliothekssysteme und die im Herbst 2015 stattfindenden Schulungen werden voraussichtlich zu Änderungen und Ergänzungen führen. Es ist deshalb verständlich, dass die erste Auflage des RDA-Lehrbuchs einige Regelungen noch nicht berücksichtigen konnte. Außerdem traf der Standardisierungsausschuss auf seiner Sitzung im Juni 2015 die Entscheidung, den bevorzugten Namen von Universitäten nicht wie bisher zu normieren, sondern den offiziellen Namen der Universität zu verwenden. Es ist deshalb sehr hilfreich, dass es ergänzend zum Lehrbuch, der heutigen Zeit entsprechend, eine begleitende frei zugängliche Website http://www.basiswissen-rda.de/ gibt, die neben Aktualisierungen, Ergänzungen und Korrekturen zum Lehrbuch, zusätzliche Materialien und einen „Blog rund um RDA und das Lehrbuch“ enthält. Der Blog enthält zum Beispiel eine Rubrik „Drei Minuten RDA“, in der es lesenswerte Informationen zu bestimmten Themen gibt, Beispieldatensätze im PICA-Format und als Hilfe für RAK-Umsteiger einen Terminologievergleich RAK-RDA. Die Seite lädt ausdrücklich zum Mitdiskutieren und zum Gedankenaustausch ein.

Fazit

Noch bevor die flächendeckenden RDA-Schulungen begonnen haben, haben Bibliotheken das Lehrbuch als E-Book lizenziert und Bibliothekarinnen und Bibliothekare die Printausgabe gekauft, um frühzeitig ein Verständnis für RDA entwickeln und die ersten Schritte in die neue Regelwerkswelt tun zu können. Zwei Verbesserungswünsche seien am Schluss gestattet. Leider fehlt im Lehrbuch ein Kapitel zur Katalogisierung von Sondermaterialen wie z.B. Karten oder Alten Drucken. Es wäre zu wünschen, dass sie in eine zweite Auflage aufgenommen werden oder dass es ein weiteres Lehrbuch für diese Materialarten gibt. Außerdem wäre es schön, wenn neben den PICA-Beispielen im Blog auch das eine oder andere Aleph-Beispiel aufgenommen würde.

Trotzdem ist „Basiswissen RDA“ eine wichtige und nutzbringende Grundlage nicht nur für den Umstieg von RAK-geübten Katalogisiererenden, sondern auch für alle, die RDA lehren und lernen. Die Leser des Lehrbuchs profitieren davon, dass Heidrun Wiesenmüller und Silke Horny Mitglieder in der AG RDA und in verschiedenen Themengruppen sind und damit die Formulierung der Anwendungsrichtlinien D-A-CH nicht nur mitgestaltet, sondern auch mitgeprägt haben. Es ist schon jetzt vorauszusagen, dass „Basiswissen RDA“ in weiteren Auflagen mehrere Bibliothekargenerationen begleiten wird.

Gabriele Meßmer

Bayerische Staatsbibliothek
Ludwigstr. 16, 80539 München

E-Mail: messmer@bsb-muenchen.de

Zitierfähiger Link (DOI): http://dx.doi.org/10.5282/o-bib/2015H3S96-99