Themenschwerpunkt „Berufsbild wissenschaftliche/r Bibliothekar/in“

Qualifizierungsprofile wissenschaftlicher Bibliothekarinnen und Bibliothekare: Unterschiede gängiger Qualifizierungswege1

Achim Oßwald, Technische Hochschule Köln

Zusammenfassung:

Der Beitrag zeigt wesentliche Unterschiede in den Qualifikationsprofilen durch die gängigen Qualifizierungswege wissenschaftlicher Bibliothekarinnen und Bibliothekare auf. Dabei werden die spezifischen Vorteile eines berufsbegleitenden Weiterbildungsstudiums sowohl für Arbeitgeber als auch für Absolventinnen und Absolventen erläutert. Die damit verbundenen Chancen für die Personalentwicklung sowie die Besetzung von Positionen in Bibliotheken werden angesprochen.

Summary:

The paper describes major differences in the qualification profiles resulting from different qualification tracks of academic librarians. It explains the advantages of part-time programmes, which run parallel to professional employment, for both employers and employees. Opportunities for human resources development and the filling of positions in libraries are illustrated.

Zitierfähiger Link (DOI): http://dx.doi.org/10.5282/o-bib/2015H3S16-28

Autorenidentifikation: Oßwald, Achim: GND 113164440, ORCID: http://orcid.org/0000-0002-4803-2867

1. Der Bologna-Prozess und seine Folgen für die Qualifizierungswege wissenschaftlicher Bibliothekarinnen und Bibliothekare

Durch die 1999 beschlossenen Bologna-Reformen wurden die Qualifizierungswege für das Tätigkeitsfeld wissenschaftlicher Bibliothekarinnen und Bibliothekare erweitert.2 Der traditionell in Berlin3, Frankfurt4, Köln5 und München6 angebotene Weg der Qualifizierung in Form einer verwaltungsinternen Ausbildung für den höheren Bibliotheksdienst (sog. Bibliotheksreferendariat; z.T. auch in anderer Bezeichnung) wurde ergänzt bzw. ersetzt durch Magister- bzw. Master-Studiengänge an den Hochschulen in Berlin (HU Berlin) und Köln (FH Köln). Auch andere Hochschulen haben durch mehr oder minder bibliotheksaffine, zumeist konsekutive Master-Studiengänge Wege eröffnet, sich für wissenschaftliche Tätigkeiten in Bibliotheken zu qualifizieren.7 Ostdeutsche Bundesländer wie z.B. Thüringen oder Mecklenburg-Vorpommern bieten anstelle eines Studiums oder Bibliotheksreferendariats Volontariate an, die für die theoretisch-methodische Qualifizierung auf das Master-Studienangebot der HU Berlin zurückgreifen.

Es gibt also nicht nur verschiedene Qualifizierungsangebote, sondern − anders als vor 1999 − durchaus auch inhaltlich und formal unterschiedlich ausgestaltete Qualifizierungswege, deren Gemeinsamkeit jedoch darin besteht, formal gleichwertig für die Laufbahnen des höheren Dienstes bzw. des höheren Bibliotheksdienstes und damit für wissenschaftliche Tätigkeiten im Bibliothekswesen zu qualifizieren.8

Der Bologna-Prozess sieht ein gestuftes, europaweit prinzipiell vergleichbares Studiengangskonzept vor. Master-Studienangebote können fachlich konsekutiv sein, d.h. Bachelor (BA)- und Master (MA)-Studium sind in diesem Fall fachlich affin, sie können aber auch verschiedene Fachdisziplinen kombinieren (sog. Kreuzqualifikationen). Dies entspricht dem traditionellen Qualifizierungsweg von wissenschaftlichen Bibliothekarinnen und Bibliothekaren. Prinzipiell können alle Studienangebote auch berufsbegleitend realisiert werden; sie unterliegen dann aber zusätzlich speziellen formalen Anforderungen und werden häufig kostenpflichtig angeboten.

Typisch für den Bologna-Prozess sind die durch ein Studienangebot erzielbaren Kreditpunkte (entsprechend dem European Credit Transfer and Accumulation System; Europäisches System zur Übertragung und Akkumulierung von Studienleistungen). In Deutschland wurde auf dieser Grundlage zumeist folgende Abfolge von Studiengängen entwickelt (vgl. hierzu auch Abbildung 1):9

Ein Master-Studienabschluss wird im Normalfall auf der Grundlage von 300 Kreditpunkten vergeben. Ein Semester entspricht bei Vollzeitstudiengängen zumeist 30 Kreditpunkten. Kreditpunkte können zudem in sog. Workload, einem Äquivalenzwert für die zeitliche Inanspruchnahme durch das Studium, ausgedrückt werden.

Für 2011 war in Deutschland die vollständige Umstellung aller Studienangebote auf das BA/MA-Konzept geplant; faktisch waren es laut Kultusministerkonferenz (KMK) im Wintersemester 2010/11 insgesamt 82 % der angebotenen Studiengänge.10

Durch die Umstellungen entsprechend dem Bologna-Prozess ergeben sich mindestens die folgenden Konsequenzen:

Der traditionell typische Qualifizierungsweg für wissenschaftliche Tätigkeiten in Bibliotheken ist der einer Doppel- bzw. Kreuzqualifikation, d.h. ergänzend zu einem ersten Studienabschluss in einem beliebigen Fach erfolgt eine Zusatzqualifikation im Bibliotheks- und Informationsbereich (Library and Information Science; LIS). Immer wieder wurden und werden jedoch auch Fachspezialisten insbesondere mit IT-Qualifikationen ohne LIS-Qualifikation für Aufgaben im wissenschaftlichen Dienst berufen.12

Durch die Bologna-Reformen ist ein früher strukturell primär Aufstiegsbeamten vorbehaltener Qualifizierungsweg eröffnet worden: Absolventinnen und Absolventen eines LIS-Studiums (früher mit Diplom-, heute mit BA-Abschluss) haben die Möglichkeit, ein LIS-bezogenes Master-Studium anzuschließen. Dies kann zeitlich direkt im Anschluss an das BA-Studium erfolgen, empfehlenswerter und beruflich erfolgsträchtiger ist jedoch die Aufnahme eines Master-Studiums nach mehrjähriger Berufserfahrung. Dann erfolgt dieses Studium − allein schon aus wirtschaftlichen Gründen − häufig als berufsbegleitendes Studium.

Abbildung 1 zeigt die für den LIS-Bereich heute gängigen Qualifizierungskonstellationen auf der Grundlage von Studienangeboten in Deutschland auf.

Grafik: Qualifizierungskonstellationen für den LIS-Bereich

Abb. 1: Gängige Qualifizierungskonstellationen für den LIS-Bereich auf der Grundlage von Studienangeboten in Deutschland.

Entsprechend einem der Ziele des Bologna-Prozesses, eine frühere Berufseinmündung der Studierenden zu erreichen sowie die dafür erforderlichen Anforderungen zu harmonisieren, wird auf diesem Wege ein Berufseinstieg im Regelfall nach 10 Semestern ermöglicht − im Fall der berufsbegleitenden Studierenden ergänzt um die Zeit der einschlägigen Berufstätigkeit.

Abbildung 2 stellt die Struktur des zwischenzeitlich von mehreren Hochschulen (s.u.) angebotenen berufsbegleitenden Qualifizierungsweges dar, für den charakteristisch ist, dass − entsprechend einer KMK-Anforderung − zwischen erstem Studienabschluss und Aufnahme des weiterbildenden Studiums mindestens 12 Monate einschlägige berufspraktische Erfahrungen gesammelt worden sein sollen. Sehr häufig blicken die Studierenden jedoch auf deutlich mehr Berufsjahre − z.T. bis zu 20 Jahre einschlägige Berufspraxis − zurück.

Grafik: Bibliothekarische Qualifizierungswege

Abb 2: Bibliothekarische Qualifizierungswege auf der Grundlage von weiterbildenden Studienangeboten in Deutschland.

Da in den berufsbegleitenden Studiengängen die Arbeitsbelastung (Workload) der Studierenden in Bezug zu ihrer beruflichen Arbeitsbelastung gesetzt werden muss, wird der Studienverlauf konzeptionell und faktisch im Normalfall zeitlich gestreckt (z.B. auf 5 Semester) oder es werden berufspraktische Erfahrungen auf der Grundlage eines speziellen Verfahrens mit der im Studium zu erbringenden Leistung verrechnet.13

Die Master-Studiengänge der einschlägigen Hochschulen in Deutschland, die im engeren Sinne bibliothekarisch oder bibliotheksaffin qualifizieren, lassen sich vor diesem Hintergrund wie in Abbildung 3 dargestellt zuordnen:14

Grafik: LIS-affine Master-Studiengänge

Abbildung 3: LIS-affine Master-Studiengänge der einschlägigen Hochschulen in Deutschland. Aus Darstellungsgründen werden nur die jeweiligen Hochschulstandorte (in alphabetischer Reihenfolge) und nicht die vollständigen Organisationsbezeichnungen genannt.

Die Hochschulen mit LIS-Studiengängen in Berlin, Darmstadt, Hamburg, Leipzig und Potsdam bieten ein zeitlich und fachlich konsekutives, LIS-affines Masterstudium an. Berufsbegleitende Weiterbildungsstudiengänge entsprechend dem fachlich konsekutiven Konzept werden von den Hochschulen in Berlin, Hannover, Köln und Stuttgart angeboten.15 Berlin und Köln qualifizieren darüber hinaus auch nach dem Konzept der Kreuzqualifikation.

Als Zwischenergebnis kann insofern festgehalten werden:

Exkurs: VDB-Debatte zum Berufsbild

Vom VDB wurde im Rahmen der verbandsinternen Berufsbilddebatte am 17. April 2014 im VDB-Blog unter dem Titel „Neue Impulse für das Berufsfeld ‚Wissenschaftliche Bibliothekarin/ Wissenschaftlicher Bibliothekar‘” ein Positionspapier veröffentlicht, das den VDB-Mitgliedern auf der Mitgliederversammlung in Bremen vorgelegt und dort intensiv diskutiert wurde.16 Eine kritische Stellungnahme zu diesem Papier wurde vom Regionalverband Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen des VDB schon im Februar 2014 formuliert.17 Der VDB setzte die Diskussion mit einem öffentlichen, auch über das Internet live zugänglichen Round Table zum Thema „Qualifikation als wissenschaftliche Bibliothekarin/ wissenschaftlicher Bibliothekar” am 4. März 2015 fort und dokumentierte sie zudem in der Zeitschrift o-bib.18

Sicher darf diese Diskussion über das Berufsbild als nicht abgeschlossen bezeichnet werden, bei einer strukturell vergleichenden Betrachtung im vorliegenden Kontext soll jedoch zumindest auf einen grundlegenden Unterschied des VDB-Vorschlags zu den bisher genannten Qualifizierungsmodellen hingewiesen werden, die in Abbildung 3 dargestellt wurden. Die in Abbildung 4 gelb markierten Bereiche referenzieren auf das mindestens 8-semestrige Fachstudium mit Magister- oder Diplom-Abschluss der Vor-Bologna-Zeit. Im Bologna-Prozess umfasst ein solches Fachstudium mindesten 10 Semester. Die zusätzliche LIS-Qualifikation erfolgt danach in Form eines Referen­dariats, Volontariats oder eines vergleichbaren berufsbegleitenden Studiums und nimmt weitere zwei Qualifikationsjahre in Anspruch. In der Summe − ohne eine ggf. noch wünschenswerte Promotion − nimmt dieser Qualifizierungsweg also mindestens 7 Jahre in Anspruch. Lässt man für

Grafik: Strukturelle Darstellung des Qualifizierungsweges

Abildung 4: Strukturelle Darstellung des Qualifizierungsweges für wissenschaftliche Bibliothekarinnen und Bibliothekare entsprechend dem VDB-Positionspapier „Neue Impulse für das Berufsfeld‚ Wissenschaftliche Bibliothekarin / Wissenschaftlicher Bibliothekar‘“

einen Vergleich mit den zuvor geschilderten, stärker am Bologna-Konzept orientierten Modellen den Aspekt der einschlägigen Berufspraxis eines berufsbegleitenden Studiengangs außen vor (die im VDB-Konzept qualifizierungsbegleitend während des Referendariats/ Studiums erworben wird), so wird erkennbar, dass der vorgeschlagene formale Qualifizierungsweg um mindestens zwei Jahre länger angelegt ist, als der Standard- oder der berufsbegleitende Bologna-Weg. Neben anderen inhaltlichen Aspekten, die in der verbandsinternen und öffentlichen Diskussion zum Tragen kommen, sollte auch dieser Aspekt im Rahmen der weiteren Diskussion in Betracht gezogen werden.

2. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Qualifikationsprofilen

Ausgehend von dem Zwischenergebnis, wonach die nunmehr eingeführten Qualifizierungswege Absolventinnen und Absolventen hervorbringen, die formal gleichwertig, aber aufgrund ihrer Vorerfahrungen und ihres konkreten Qualifizierungsweges fachlich unterschiedlich qualifiziert sind, werden nachfolgend ausgewählte Spezifika dieser Qualifikationsprofile dargestellt.19 Einen Überblick dazu gibt Abbildung 5.

Strukturelle Gemeinsamkeiten haben die beiden Qualifizierungswege, die in Abbildung 5 als dritte und vierte Säule dargestellt sind und die dem bisher etablierten Modell der fachlichen Kreuz- oder Doppelqualifikation entsprechen, welche seit Jahrzehnten in Form des Bibliotheksreferendariats existiert. Beides sind im Prinzip berufsbegleitende Qualifikationswege, die sich − neben dem o.g. Aspekt der Dauer − im Wesentlichen durch strukturelle Aspekte bei der Rechtsstellung der Studierenden/ Auszubildenden und damit verbundenen Verantwortlichkeiten u.ä. unterscheiden. Weitere Unterschiede wie z.B. didaktische Aspekte oder das Ausmaß der berufspraktischen Erfahrungen sollen an dieser Stelle nicht vertieft werden, zumal letztere z.T. auch durch individuelle Qualifizierungsverläufe beeinflusst werden. Beide Qualifikationsprofile zeichnen sich jedoch durch die Kombination von fachwissenschaftlichen Kenntnissen aus einem Nicht-LIS-Erststudium und aktuellem LIS-Know-how aus − was sie gleichzeitig auch von den anderen beiden Qualifikationsprofilen abhebt. Unbestritten ist zudem, dass beide Konzepte im Arbeitsmarkt anerkannt sind und dass der mit der Einführung der Master-Studienangebote entstandene Wettbewerb der Weiterentwicklung ihrer Studien- bzw. Ausbildungsinhalte und den dabei zum Tragen kommenden Vermittlungsformen durchaus zuträglich war und ist.

Beiden Qualifizierungswegen gemeinsam ist der Umstand, dass sie bislang nur in begrenztem Maße Fachspezialistinnen und Fachspezialisten aus Mangelfächern für den wissenschaftlichen Dienst in Bibliotheken gewinnen konnten. Nach und nach wird diesbezüglich jedoch durch Bibliotheken bzw. Personalverantwortliche die Möglichkeit genutzt, diese als Bibliotheksbeschäftigte in berufsbegleitende Studienangebote zu entsenden. So haben z.B. diverse nordrhein-westfälische Universitätsbibliotheken in den letzten Jahren jüngere Fachwissenschaftlerinnen und Fachwissenschaftler mit z.T. internationaler Berufserfahrung mit der Aussicht auf eine Festanstellung und Verbeamtung gewinnen können und diese dann in den Kölner MALIS-Studiengang (Master in Library and Information Science) zur berufsbegleitenden LIS-bezogenen Qualifizierung entsandt.

Grafik: Spezifika der angebotenen Qualifikationsprofile

Abb. 5: Spezifika der nunmehr am Arbeitsmarkt angebotenen Qualifikationsprofile

In dieser Form neu und in den Tarif- wie Karrierestrukturen des LIS-Bereichs noch am wenigsten etabliert ist sicher das konsekutive Qualifikationsprofil eines LIS-Masterabschlusses nach einem LIS-affinen BA-Studium. Allerdings werden durch diesen Qualifizierungsweg fachliche Spezialisierungen ermöglicht, für die nicht nur ein Bedarf besteht, sondern denen auch in den bisherigen Qualifikationsmöglichkeiten des früheren 6, 7 oder 8-semestrigen, zumeist bibliothekarischen FH-Studiums kaum Raum gegeben werden konnte. Auch durch zumeist sehr operativ ausgerichtete Fortbildungsmaßnahmen konnte die nunmehr mögliche fachwissenschaftliche Fundierung der spezialisierten Qualifizierung bislang nicht erreicht werden. Konkret gilt dies z.B. für Tätigkeiten im Bereich der Bibliothekspädagogik, im Umgang mit historischen Beständen (beides wird konkret von der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) in Leipzig angeboten)20 oder in anderen Tätigkeitsfeldern insbesondere auch von Spezialbibliotheken. Allenfalls berufsbegleitende Weiterbildungsangebote wie z.B. die Zusatzausbildung „Musikinformationsmanagement“ der Hochschule der Medien (HdM) Stuttgart21 oder Zertifikatskurse wie z.B. der vom Zentrum für Bibliotheks- und Informationswissenschaftliche Weiterbildung (ZBIW) der TH Köln angebotene Kurs „Teaching Librarian“ 22 bieten eine auch fachwissenschaftlich vertiefte Beschäftigung mit solchen Aufgabenbereichen und Tätigkeitsfeldern.

Welcher der genannten konsekutiven Wege zur fachlichen Vertiefung und Spezialisierung im Arbeitsmarkt eher und besser honoriert wird, bleibt abzuwarten. Festgehalten werden kann aber, dass beide genannten Wege zur weiteren Qualitätssicherung und Professionalisierung der entsprechenden Aktivitäten beitragen.

Neu im Arbeitsmarkt ist darüber hinaus auch das Qualifikationsprofil von Absolventinnen und Absolventen, die nach einem Erststudium im LIS-Bereich sowie anschließender, z.T. langjähriger berufspraktischer Erfahrung im LIS-Bereich ein berufsbegleitendes Weiterbildungsstudium mit Master-Abschluss absolviert haben. Diese Studierenden- bzw. Absolventengruppe zeichnet sich u.a. durch die Bereitschaft aus, sich mit erheblichem zeitlichem und finanziellem Engagement weiter zu qualifizieren. Dieses Engagement erfolgt z.T. aus der Hoffnung auf eine weiterführende berufliche Karriere, aber auch aus dem Interesse heraus, das im früheren Studium Erlernte fachlich zu aktualisieren, sich ggf. zu spezialisieren oder auf neue Entwicklungen kompetent reagieren zu können.

Zudem sind die Absolventinnen und Absolventen − im Bewusstsein der zusätzlich erlangten Kompetenzen − im weiteren Berufsleben zufriedener, als dies der subjektiven Wahrnehmung der Absolventinnen und Absolventen vor dem Weiterbildungsstudium entsprach.

Für Arbeitgeber ist diese Personengruppe insbesondere für Maßnahmen der Personalentwicklung besonders gut geeignet, da deren Qualifizierungsbemühungen gezielt unterstützt werden können. Die Formen der Unterstützung können ganz vielfältig gestaltet sein, z.B. kann es sich um finanzielle Hilfen bis hin zur Entsendung in ein solches Weiterbildungsstudium oder um zeitliche oder organisatorische Freistellungen handeln oder es kann die Übernahme neuer Aufgaben mit mehr Verantwortung und besserem Gehalt in Aussicht gestellt werden.

Attraktiv ist diese Personengruppe auch durch die Kombination ihrer z.T. langjährigen, breit angelegten berufspraktischen Erfahrungen auf der operativen Ebene mit einer aktuellen, den formalen Anforderungen zur Beschäftigung auf Stellen des wissenschaftlichen Dienstes entsprechenden Qualifikation.23 Damit eröffnen sich für Arbeitgeber im Bibliotheksbereich neue Optionen für die differenzierte Besetzung von Aufgaben- und Tätigkeitsfeldern in Bibliotheken, für die formal bislang allein die wissenschaftlichen Bibliothekarinnen und Bibliothekare zur Verfügung standen.

Eine erste Bestandsaufnahme der Karriereentwicklung von entsprechenden Absolventinnen und Absolventen des Kölner Master-Studiengangs MALIS zeigt deutlich, dass sich dieser Gruppe hochinteressante Aufgaben- und Verantwortungsbereiche erschließen, vorausgesetzt die Bibliotheksleitungen ergreifen diese Chance. So konnten entsprechend qualifizierte MALIS-Absolventinnen und Absolventen schon kurz nach ihrem Studienabschluss eine mittelgroße Universitätsbibliothek leiten oder eine große Universitätsbibliothek stellvertretend leiten. Andere haben Dezernate bzw. Abteilungen in den klassischen Geschäftsgangsbereichen übernommen, koordinieren die Zweigstellen größerer Bibliothekssysteme bzw. größerer Projekte oder werden ganz gezielt für innovative Bereiche wie z.B. Forschungsinfrastrukturen, Electronic Ressource Management oder den Kundenservice im Bereich digitaler Bibliotheksdienste eingesetzt.24

Tendenziell wird dabei erkennbar, dass im Bereich der Spezialbibliotheken auf diese neuen Qualifikationsprofile und die mit ihnen verbundenen neuen Besetzungsmöglichkeiten deutlich flexibler reagiert wird als dies im Hochschulbereich der Fall ist. Eine Ursache dafür dürfte der geringere Stellenwert des Laufbahnrechtes sein, in dem die politisch gewollten Veränderungen durch den Bologna-Prozess noch kaum ihren Niederschlag gefunden haben.

Als weiteres Ergebnis kann insofern festgehalten werden:

3. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Angesichts der gegebenen Qualifikationsprofile könnten Arbeitsplatz- und Stellenbeschreibungen für wissenschaftliche Bibliothekarinnen und Bibliothekare wesentlich stärker auf Kompetenzen, veränderte Bedarfe25 und tatsächliche Tätigkeiten Bezug nehmen. So bestünde die Chance, die formal gleichwertigen, aber nicht gleichartigen Kompetenzprofile von Absolventinnen und Absolventen der einschlägigen Masterstudiengänge besser für die sich ausdifferenzierenden Aufgabenfelder zu nutzen.

Erst allmählich beginnen bibliothekarische Arbeitgeber mit Personalentwicklungskonzepten auf die zu erwartenden Besetzungsengpässe im wissenschaftlichen Bibliotheksdienst sowie künftig wichtiger werdenden Bedarfe an nicht originär bibliothekarischen Qualifikationen (z.B. IT, BWL, Marketing, Finanz- u. Kooperations-Akquisition) zu reagieren. Die Ergebnisse des Bologna-Prozesses werden insofern bislang noch zu selten als Chance zu einer bedarfsorientierten Personalentwicklung aufgegriffen.

Entsprechend erfolgt noch zu selten die Ermutigung und Unterstützung von erfahrenem, qualifizierungswilligem und besonders geeignetem Personal des gehobenen Dienstes oder auch beruflichen Quereinsteigern, sich den nicht zu unterschätzenden zeitlichen und sonstigen Belastungen eines berufsbegleitenden Studiums zu unterziehen, um sich dadurch neue berufliche Aufgabenbereiche zu erschließen. Dazu tragen bislang auch fehlende oder zu wenig bekannte Vorbilder bei − obwohl es sie gerade im Bibliotheksbereich seit Jahrzehnten gibt. Aufstiegsbeamte tragen hier eine besondere Verantwortung, die Chancen eines solchen Weges aufzuzeigen.

Obwohl Tarif- wie Laufbahnrecht die Unterstützung bei der Qualifizierung explizit vorsehen, besteht weiterhin häufig Unsicherheit bei den Personalverantwortlichen, wie mit aufstiegsinteressiertem Personal umgegangen werden sollte. Dies verwundert auch deshalb, weil neue Aufstiegsregelungen z.B. in NRW eine erhöhte Durchlässigkeit zwischen den bibliothekarischen Tätigkeitsbereichen und Laufbahnen ermöglichen.26

Perspektivisch ergibt sich durch die neuen Qualifikationswege und -profile u.a. auch die Option auf eine Entkoppelung von fachwissenschaftlicher Spezialisierung und Managementkompetenz, für die allerdings nicht zuletzt auch laufbahnrechtliche Fragen geklärt werden müssten.27 Solche Anpassungsprobleme im Tarif- und Laufbahnrecht sind allerdings Übergangsphänomene, die nicht den Blick auf die Chancen verstellen sollten, die durch differenzierte Kompetenzprofile für Bibliotheken und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des wissenschaftlichen Dienstes entstehen.

Literaturverzeichnis:

Fußnoten

1 Schriftliche Fassung von Oßwald, Achim: Wissenschaftliche BibliothekarInnen: Qualifizierungswege und formale Anpassungsprobleme durch unterschiedliche Qualifikationsebenen; Vortrag im Rahmen der VDB-Fortbildungsveranstaltung zum Thema „Berufsbild Wissenschaftliche(r) Bibliothekar(in) heute − Anforderungen und Perspektiven“ am 30.9.2014 in Frankfurt am Main. http://www.vdb-online.org/veranstaltungen/657/osswald_wb-qualifizierungswege.pdf (13.08.2015).

2 Vgl. hierzu u.a. „Der Europäische Hochschulraum. Gemeinsame Erklärung der Europäischen Bildungsminister. 19. Juni 1999, Bologna“. https://www.bmbf.de/pubRD/bologna_deu.pdf (13.08.2015).

3 Seit 1994 durch das heutige Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft sowie zuvor durch das Institut für Bibliothekswissenschaft und wissenschaftliche Information der Humboldt-Universität; vgl. hierzu https://www.ibi.hu-berlin.de/de/institut/leitbild/gesch-ausbildung/index_html (13.08.2015).

4 Bis 2000 durch die Bibliotheksschule in Frankfurt am Main, Fachhochschule für Bibliothekswesen.

5 Von 1949 bis 2002 vom damaligen Bibliothekarlehrinstitut des Landes NRW und seinen Nachfolgeeinrichtungen; vgl. http://www.fbi.fh-koeln.de/institut/kontakt/geschichte.htm (13.08.2015).

6 An der heutigen Bibliotheksakademie Bayern (bis 2012 Bayerische Bibliotheksschule).

7 Vgl. hierzu z.B. Oßwald, Achim: Bolognakonforme Masterstudienangebote für den Bibliotheksbereich in Deutschland. In: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie 55 (2008), H. 3-4, S.124-129. http://zs.thulb.uni-jena.de/servlets/MCRFileNodeServlet/jportal_derivate_00131311/j08-h3-4-auf-2.pdf und Oesterheld, Christian: Ausbildungs-und Studiengänge für den Wissenschaftlichen Bibliotheksdienst: ein Überblick über Angebote, thematische Schwerpunkte und vermittelte Qualifikationen. Vortrag beim Deutschen Bibliothekartag, Berlin 14.6.2011. urn:nbn:de:0290-opus-11050.

8 Absolventinnen und Absolventen von akkreditierten Master-Studiengängen erfüllen prinzipiell die Zulassungsvoraussetzungen zur Laufbahn des höheren Dienstes; vgl. hierzu die Vereinbarung „Zugang zu den Laufbahnen des höheren Dienstes durch Masterabschluss an Fachhochschulen“ (Beschluss der Innenministerkonferenz vom 07.12.2007 und der Kultusministerkonferenz vom 20.09.2007). http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2007/2007_09_20-Vereinbarung-Zugang-hoeherer-Dienst-Master.pdf (13.08.2015). Die Vielfalt der länderspezifischen Laufbahnregelungen soll hier nicht genauer betrachtet werden.

9 Durch bildungspolitische Vorgaben abweichend von den z.B. in der Schweiz oder in Österreich realisierten Studien­gängen.

10 Vgl. hierzu http://www.kmk.org/wissenschaft-hochschule/studium-und-pruefung/bachelor-und-masterstudiengaenge.html (13.08.2015).

11 Diese grundsätzliche Aussage kann trotz der Tatsache getroffen werden, dass einzelne Hochschulen insbesondere mit ingenieurwissenschaftlichen Fakultäten wieder Diplom-Abschlüsse eingeführt haben.

12 Berufsbegleitende Studiengänge (vgl. u.) bieten die Möglichkeit, diese Personengruppe während ihrer Tätigkeit LIS-bezogen nachzuqualifizieren.

13 So erfolgt z.B. im Kölner MALIS-Studiengang (Master in Library and Information Science) die Zulassung erst nach dem erfolgreichen Durchlaufen eines Assessment-Verfahrens, bei dem unter Beteiligung von erfahrenen Berufspraktikern die Bewerberinnen und Bewerber die Intensität, Qualität und Reflexion über ihre Berufserfahrung unter Beweis stellen müssen. Auf dieser Grundlage erfolgt dann eine Anrechnung von 30 Kreditpunkten auf das Kreditpunktekonto der Studierenden (vgl. https://www.fh-koeln.de/studium/bibliotheks--und-informationswissenschaft-master---beratung_3407.php (13.08.2015). Im Studienangebot der HU Berlin erfolgt eine strukturell analoge Anerkennung berufspraktischer Leistungen während des Studiums.

14 Die von der Bayerischen Bibliotheksakademie angebotene Ausbildung für die 4. Qualifikationsebene (vormals höherer Dienst) in Form eines Referendariats wurde hier nicht einbezogen, da es sich um kein Studienangebot handelt.

15 Die Hochschule der Medien in Stuttgart hat ihr entsprechendes Angebot nach einem Angebotsjahrgang ausgesetzt.

16 Verein Deutscher Bibliothekarinnen und Bibliothekare: Position des Vereins Deutscher Bibliothekare zur Qualifikation als wissenschaftliche Bibliothekarin/ wissenschaftlicher Bibliothekar, 2014. http://www.vdb-online.org/wordpress/wp-content/uploads/2014/04/Position-des-VDB-zur-Qualifikation-als-wissenschaftliche_r-Bibliothekar_in-Final_18.03.2014.pdf (04.09.2015). Vgl. hierzu auch VDB-Mitteilungen 2014/1, S. 11.

17 Vgl. hierzu http://www.db-thueringen.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-29824 (13.08.2015), worauf Hans-Martin Moderow in seinem Blog-Beitrag vom 13.6.2014 hinwies.

18 Vgl. VDB: Vorstand und Vereinsausschuss. In: o-bib 2 (2015), H. 2, S. 103f. http://dx.doi.org/10.5282/o-bib/2015H2S93-104.

19 Eine umfassende, detaillierte Betrachtung der unterschiedlichen Qualifikationsprofile bleibt einer späteren Publikation vorbehalten. Dann kann ggf. auch auf umfassende empirische Daten zum Karriereverlauf der verschiedenen Personengruppen zurückgegriffen werden.

20 Vgl. hierzu die dort als Profillinien bezeichneten fachlichen Studiengangsvertiefungen unter http://www.htwk-leipzig.de/?id=612 (13.08.2015).

21 Vgl. hierzu https://www.hdm-stuttgart.de/bi/weiterbildung/musikinfmanag (13.08.2015)..

22 Vgl. hierzu https://www.fh-koeln.de/weiterbildung/zertifikatskurs-teaching-librarian_9840.php (13.08.2015).

23 Für eine differenziertere Betrachtung sei verwiesen auf Oßwald, Achim: Karrieren statt Barrieren: Berufliche Perspektiven für BibliothekarInnen durch ein Masterstudium. Vortrag am 5.6.2014 beim Deutschen Bibliothekartag in Bremen. urn:nbn:de:0290-opus-15797.

24 Für den Kölner MALIS-Studiengang ist für 2016 eine umfangreiche Absolventenstudie geplant, bei der die entsprechenden Karriereentwicklungen systematisch erfasst werden sollen.

25 Vgl. z.B. Horstmann, Wolfram; Jahn, Najko; Schmidt, Birgit: Der Wandel der Informationspraxis in Forschung und Bibliothek. In: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie 62 (2015), H. 2, S. 73-79; Braun, Katrin; Brunenberg-Piel, Ulrike: Fachreferat heute: Analyse des Berufsbildes von Fachreferenten anhand von Stellenanzeigen der Jahre 2003 bis 2013. In: Achim Oßwald u.a. (Hg.): MALIS-Praxisprojekte 2014: Projektberichte aus dem berufsbegleitenden Masterstudiengang Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Fachhochschule Köln, Wiesbaden: Dinges & Frick, 2014 (b.i.t.online − Innovativ, Bd. 50), S. 189-210. http://www.fbi.fh-koeln.de/institut/papers/download_counter2.php?id=40 (13.08.2015).

26 Vgl. die novellierte „Verordnung über die Laufbahnen der Beamtinnen und Beamten im Land Nordrhein-Westfalen“ (Laufbahnverordnung – LVO) vom 28. Januar 2014; Gesetz- und Verordnungsblatt (GV. NRW.) Ausgabe 2014 Nr. 3 vom 7.2.2014, S.21-52.

27 Tappenbeck, Inka ; Oßwald, Achim: Fachliche Informationsberatung: Perspektiven für eine Neuorientierung der Fachreferatsarbeit. In: Irmgard Siebert; Thorsten Lemanski (Hg.): Bibliothekare zwischen Wissenschaft und Verwaltung − 200 Jahre Berufsbilddebatte, Frankfurt am Main: Klostermann, S. 159-171.